Mannheim.
Peter Garrett gehört nicht zu den Diplomaten der Rock-Geschichte. Die Botschaft des Musikers war stets eine von erlesener Härte – gegenüber Journalisten, als Minister, als Sänger. Und so lässt sich auch das Mannheimer Konzert seiner Band Midnight Oil als überaus würdiges Ende des vorerst letzten Zeltfestivals lesen, das Charakter und Tiefe in knappen zwei Stunden harmonisch vereint.
Da mögen sich die Zuschauerzahlen in einem großräumig abgezäunten Palastzelt mit 1000 lauschenden Ohrenpaaren in engen Grenzen halten: Diejenigen, die da sind, feiern den ersten Auftritt der Australier in Mannheim seit 1990 mit selten gesehenem Enthusiasmus. Zu dem es auch wahrlich allen Anlass gibt. Bereits Wolf Maahn hatte die Zuhörer im Vorprogramm meinungsstark auf die Schiene gesetzt – doch wenn Garrett und die Seinen der tiefen Verbindung zu den Aborigines Australiens mit „The Dead Heart“ gleich zum Auftakt Gestalt verleihen, schmelzen hunderte Überzeugungstäter in der Wärme dieses Sommerabends dahin. Und lassen sich von dieser organischen Kraft sichtlich tragen.
Es ist diese erstaunliche Magie, die sich auch nach fast zwei Jahrzehnten Bandpause noch heute wie selbstverständlich einstellt. Zum einen, weil das instrumentale Dreieck zwischen Schlagzeuger Rob Hirst, Bassist „Bones“ Hillman und Gitarrist Martin Rotsey auf dem Maimarktgelände mit einer Selbstverständlichkeit dynamische Klangräume eröffnet, als sei es um die „Oils“ niemals still geworden. Zum anderen aber auch, weil sich die Songs des Quintetts in ihrer inhaltlichen Weite aus heutiger Sicht als Werke visionärer Kraft erweisen. Es waren dies Faktoren, die Nummern wie „Too Much Sunshine“, „Arctic World“ oder „Time To Heal“ zu ihrer Zeit durchaus eine gewisse Sperrigkeit verliehen. Doch wer an diesem Abend hört, mit welcher Verve ein stimmlich grandios aufgelegter Peter Garrett die Aufrichtigkeits-Nummer „Sell My Soul“ durch die Boxen trägt, kann sich selbst bei Temperaturen jenseits von 30 Grad gegen die einsetzende Gänsehaut kaum zur Wehr setzen.
Aus heutiger Sicht darf man das ohne Zweifel als Geniestreich verstehen, in Wahrheit war es ein Kampf der Überzeugung, den die „Oils“ über Jahrzehnte bestritten, und für den sie von einem tief bewegten Mannheimer Publikum fürstlich entlohnt werden, um sich auf den Brettern erkenntlich zu zeigen. Mit einem Set, das gekonnt zwischen den psychedelischen Akkordwänden der „Mountains Of Burma“ und dem Classic Rock von „My Country“ vibriert, dem Affen mit Wahnsinns-Soli wie dem dreiminütigen Tastentanz von Keyboarder Jim Moginie zu „Short Memory“ aber auch immer wieder Zucker gibt. Ein eher durchschnittlich performtes „Beds Are Burning“ hätte es da gar nicht gebraucht, um einen Abend zu beschließen, der auch so Akkorde von welthaltige Unendlichkeit anzubieten hatte – und das bis zum letzten Augenblick.
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