Es ist eine Frage der Perspektive. Wer mit dem Auto in die Mannheimer Innenstadt fahren und direkt am Ziel parken will, der sieht den Verkehrsversuch kritisch. Ebenso viele Einzelhändler und diejenigen, die unter Staus an anderen Stellen leiden. Dagegen dürften Bewohner von Zonen, aus denen motorisierte Fahrzeuge verbannt wurden, die verminderte Lärm- und Abgasbelastung genießen. Fußgänger und Fahrradfahrer auch. Wobei es für Letztere, persönliche Erfahrung, unvermindert ärgerlich bis lebensgefährlich ist, wie sie insbesondere auf dem Radweg in der Freßgasse von Autofahrern immer wieder geschnitten werden. Umso entspannter ist da das kurze verkehrsberuhigte Stück. Und umso verlockender sind die Pläne der Grünen, die Sperrungen deutlich auszuweiten.
Andere wird das Vorhaben verständlicherweise ärgern. Aber es ist in jedem Falle gut, darüber offen zu sprechen. Vor der Oberbürgermeisterwahl im Juni und der Kommunalwahl im nächsten Jahr sollten die Parteien und die Kandidierenden klar sagen, wie sie sich den Autoverkehr in der Innenstadt kurz- wie langfristig vorstellen. Dann weiß jeder, wofür er da sein Kreuzchen macht. Und in einer Demokratie entscheidet die Mehrheit.
Keineswegs nur ein Versuch
Noch werden die Diskussionen über den Verkehrsversuch ein Stück weit unehrlich geführt. Das fängt schon beim Namen an. Der suggeriert, Sperrungen für Autos würden jetzt einfach mal ausprobiert. Und wenn sie nicht gut ankämen, dann lasse man es halt wieder. Doch so ist es nicht.
Beim Großteil des Gemeinderats herrscht erfreulicherweise Einigkeit darüber, dass es erstrebenswert ist, den motorisierten Verkehr in der Innenstadt einzuschränken. Klimaschutz, Aufenthaltsqualität – die Argumente liegen auf der Hand. Nicht umsonst ist das ein weltweiter Trend.
Unterschiedliche Sichtweisen gibt es allerdings darüber, wie schnell man den Menschen Veränderungen zumuten kann. Insbesondere denen, die aufs Auto oder motorisierte Kunden angewiesen sind. Darüber darf man durchaus streiten. Und die, die am lautesten schreien, haben keineswegs automatisch recht.
Natürlich ist es sinnvoll, bei ungeahnten praktischen Problemen – etwa Staus an anderen Stellen oder Sperren umfahrenden Autofahrern – nachzubessern. Aber das gilt für alle Bereiche in der Politik. Dann müsste man überall von Versuchen sprechen.
Also Schluss mit dem Gerede nur von einem Verkehrsversuch. Jetzt müssen die Verkehrskonzepte auf den Tisch.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Mannheimer Parteien sollten ihre Verkehrskonzepte auf den Tisch legen
Steffen Mack hält als Radfahrer eine Ausweitung der Auto-Sperren in der Mannheimer Innenstadt für richtig. Gut findet er auch, wenn darüber nun offen diskutiert wird