In der Wohnung von Familie Rihm herrscht das sprichwörtliche „Leben in der Bude“: Der kleine Ruslan rennt von Zimmer zu Zimmer, schreit, tobt und vergnügt sich mit Schwester Diana oder den Kindern der Mannheimer Familie. Mal auf den Schoß von Mama Ruslana, dann zu Oma Halyna und von dort zu Gast-Papa Chris. Seit zweieinhalb Wochen wohnt Familie Drozd in Käfertal, nachdem sie aus Ternopil im Westen der Ukraine geflohen sind. Nun steht das erste Ostern im fremden Land bevor.
Die Festtage spielen in der Ukraine, wo das Fest wegen des julianischen Kalenders in diesem Jahr eine Woche später gefeiert wird, eine große Rolle. „Wir gehen mit Oma, Opa und der ganzen Familie in die Kirche - und danach wird gegessen!“, erklärt Ruslana. Neben dem Osterbrot Paska gibt es herzhafte Speisen und natürlich dürfen Kuchen und Käse nicht fehlen. In diesem Jahr wird es das nicht geben. Kein Paska. Kein Osterkuchen. Keine Ostereier, für die die Ukraine weltberühmt ist. Die sogenannten Pysanka würden während der Fastenzeit aufwendig verziert, erklärt Maria Melnik von der Deutsch-Ukrainischen-Gesellschaft Rhein-Neckar. „Das Ei symbolisiert das Leben, Kreise und Linien die Ewigkeit und die Kreuze die Auferstehung.“
Am Karfreitag haben sich Ruslana, Halyna und die Rihms mit anderen geflüchteten Familien im Unteren Luisenpark zum Picknick getroffen - am Samstag geht es zum Spielenachmittag. „Es tut gut, wenn wir uns austauschen können“, sagt Ruslana. Und was passiert am Sonntag? Ruslana schaut zu Chris und Manuela Rihm. „Wenn das Wetter passt, grillen wir“, erklärt Chris Rihm.
Doch ganz ohne ukrainische Spezialität geht es auch beim mannheim-ukrainischen Osterfest nicht. „Wir kochen gemeinsam.“ Zum Grillen stehe dann auch Borschtsch auf dem Speiseplan - eine Suppen-Spezialität aus Osteuropa, basierend vor allem auf roter Beete.
So familiär sich die Osterpläne auch anhören - die Familie Drozd ist nicht komplett. Cousins von Ruslana sind von Polen über Zypern bis nach Kanada über die ganze Welt verteilt. Ihr Mann und ihre Eltern sind noch in der Ukraine, erklärt sie - und verliert kurz die Fassung. Zwar sei die Zivilbevölkerung Ternopils bislang verschont geblieben. Russische Streitkräfte würden aber täglich für das Militär und die Kommunikation strategische Punkte attackieren. „Letzte Woche hatten wir mal keinen Kontakt mehr zur Familie, weil ein Mast zerstört worden ist“, schildert Rihm „emotionale Momente“. Auch an Ostern will die Familie wieder in die Ukraine telefonieren. Ruslana erklärt, ihr Mann würde in Videotelefonaten immer sagen: „You have to wait.“ - „Ihr müsst warten.“
Und was wünscht sich die ukrainische Familie zum Osterfest in Mannheim? „Wir wollen spazieren, etwas runterkommen und den Kopf freibekommen“, erhofft sich Halyna. Sie wolle über die Feiertage die Probleme vergessen, die sie trotz aller Gastfreundschaft spüren. „Wir haben ein gutes Leben in der Ukraine gehabt“, sagt sie. „Der Krieg soll enden.“
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