Mannheim. Als Lehrer Mikhail Aronikov in der Bibliothek des Ludwig-Frank-Gymnasiums die vor ihm sitzenden Kinder auf Ukrainisch fragt, wer sich mit dem Autor über Ostern unterhalten will, schnellen viele Finger in die Höhe. Auch die von Nastja, Tanja und Alexandra, die von Freundinnen und Freunden Sascha genannt wird, sind zu sehen. Und während die anderen Kinder in der Vorbereitungsklasse weiter fleißig die Farben lernen, strahlen die drei Mädchen, als sie am anderen Ende der Bibliothek davon erzählen, wie sie Ostern feiern wollen. „Wie in der Ukraine - wir wissen ja nicht, wie man es hier feiert“, wird Sascha von Aronikov übersetzt. Sie erklärt zudem, dass sie aus Saporischschja kommt - was beim Mitschreiben zur Freude der Kinder übrigens durchaus vor kleinere Probleme stellt.
Aber zurück zum Osterfest: Vor allem auf das Anmalen der Eier nach ukrainischer Art scheinen sich die Kinder zu freuen. Mit Elan erklären Sascha und die ebenfalls elfjährige Nastja, dass die Eier der Schönheit wegen angemalt würden. „Sonst sehen sie langweilig aus“, stellt Nastja fest - und es fällt schwer, dem zu widersprechen. Auch am ersten Ostern im neuen Land werden die Kinder Eier anmalen. Es ist, das ist herauszuhören, so etwas wie der Höhepunkt im Kreise ihrer Familien, die ebenfalls nach Deutschland geflohen sind oder zum Teil schon in Mannheim gelebt haben. Tanja, sie ist 16 und kommt wie Nastja aus Kiew, erklärt, dass der Brauch auf Legenden zurückgehe. Eine erzählt etwa, dass sich Steine zu bunten Eiern verwandelt haben, als Jesus damit beworfen worden ist.
Die bunten Eier gibt es, wenn auch in aller Regel weniger kunstvoll gestaltet, auch in Deutschland. Dass es in diesen Tagen hierzulande aber auch derart viele Süßigkeiten gibt, das ist für Nastja, Tanja und Sascha ungewohnt. „Das hat mich überrascht - und warum hat man hier eigentlich einen Osterhasen?“, fragt Tanja. In der Ukraine jedenfalls, erzählen die Mädchen weiter, ist das weniger verbreitet. „Bei uns gibt es mehr Essen, das richtig satt macht“, sagt Tanja. Schließlich sei Ostern auch das Ende der Fastenzeit. „Es gibt viel Fleisch“, ergänzt Sascha. Sehr viel. „Wir brauchen einen Monat, um das zu essen“, lacht sie.
Zwar scheinen Schokolade und Osterhasen in der Ukraine kaum verbreitet zu sein - ganz auf Süßes wird aber auch nicht verzichtet, stellt sich nach und nach heraus. Ein Kuchen wird über die Feiertage zum Objekt der Begierde. Genauer gesagt: ein Kuchen mit Rosinen. Zumindest in aller Regel, denn: „Mein Bruder mag keine Rosinen, deshalb backt meine Oma den Kuchen mit Nüssen“, erklärt Nastja.
Ob nun mit Nüssen oder doch mit Rosinen - der Kuchen jedenfalls ist für die ukrainischen Mädchen ein weiteres zentrales Element des Osterfests. Manche Familien, erzählen sie, fangen bereits Tage vor dem Fest mit dem Backen an, in anderen wird der Kuchen erst an den Feiertagen aufgetischt. Mit einem breiten Lächeln berichtet Sascha davon, dass ihre Oma sie am Morgen „schnell zur Schule geschickt“ habe, um selbst den Teig vorbereiten zu können. Und während Nastjas Mutter den Teig üblicherweise erst am Feiertag zubereitet, trifft sich die Familie währenddessen zu Brettspielen am Tisch, erzählt sie. Ist der Kuchen fertig, wird darum gespielt. „Wir schlagen Eier aneinander, bis sie zerbrechen“, erklärt Nastja strahlend. „Der Gewinner bekommt das größte Stück.“ Wie groß das denn ist? Das erfährt man nicht - nur so viel: „Meine Mutter macht viel Kuchen.“ Tanja hat es vor allem auf die Oberfläche abgesehen. „Die Creme auf dem Kuchen ist am besten.“
So gut gelaunt und so fröhlich die Mädchen über Osterbräuche erzählen, so gedrückt ist die Stimmung bei der Frage nach ihren Wünschen zum Fest. Sascha wohnt im Moment bei ihrer Oma - ihre Mutter wollte die Ukraine nicht verlassen. „Ich wünsche mir, dass ich Ostern mit meiner Mama feiern kann“, sagt sie - und Nastja ergänzt: „Wir alle wünschen uns sowas.“ Tanja hat noch einen zweiten Wunsch: „Der Park, in dem wir immer feiern, soll nicht zerbombt werden.“
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