Es ist ein richtiger Gedanke, den im Grunde alle in der Region unterschreiben würden: Weniger Autos auf den Straßen, mehr Menschen rein in die Busse und Bahnen oder rauf aufs Rad. Es ist allerdings ein frommer Wunsch, der bestenfalls innerhalb der Großstädte Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg funktioniert. Aber wenn die Menschen von außerhalb einpendeln oder nach draußen ins Umland kommen wollen, ist es vorbei mit der Herrlichkeit des öffentlichen Nahverkehrs. Vor allem beim Pendeln über den Rhein hakt’s gerade schon wieder mächtig. Mannheim, wie wär’s endlich mit einer dritten innerstädtischen Rheinbrücke?
Düsteres Szenario
Zeit würde es zumindest werden, in die Planungen einzusteigen. Wenn die Vorbereitungen nicht jetzt beginnen, wird’s spätestens in zehn Jahren verkehrstechnisch zappenduster im Kernbereich der Metropolregion. Einen Eindruck von dem, was auf uns zukommen kann, erlebten die Verkehrsteilnehmer 2017. Da quälten sich die Fahrzeuge nicht nur auf jeweils einer Fahrspur über die A 6 zwischen Ludwigshafen und Mannheim-Sandhofen. Auch in den Innenstädten flickten Bauarbeiter an den unter der Dauerbelastung leidenden beiden innerstädtischen Brücken.
Der gerade erst beschlossene Mobilitätspakt umreißt das Szenario mit unmissverständlichen Worten: „Im Zeitraum ab 2030 ist (...) von einer notwendigen grundlegenden Sanierung oder einem Ersatzneubau aller drei Rheinbrücken (Theodor-Heuss-Brücke A 6, Kurt-Schumacher-Brücke B 44, Konrad-Adenauer Brücke B 37) sowie der alten Stahlfachwerkeisenbahnbrücke im Kernraum der Metropolregion auszugehen.“ In dieser Formulierung waren sich also alle Unterzeichner einig: die Verkehrsminister der drei Bundesländer Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen, die Oberbürgermeister der Städte Mannheim und Ludwigshafen, die Industrie- und Handelskammern beidseits des Rheins, der Verband Region-Rhein-Neckar, der Verkehrsverbund Rhein-Neckar und die BASF. Schon 2017 sagten die Ingenieure am Nadelöhr auf der A 6, dass die Reparatur allenfalls zwölf bis 15 Jahre halten werde. Dann sei ohnehin eine neue Brücke an dieser Stelle fällig.
Spätestens dann ist auch das Baustellenmanagement der Region am Ende. Wenn die Brücken zum Sicherheitsrisiko werden - siehe Pilzhochstraße -, werden sie schlicht und ergreifend gesperrt.
Aber braucht die Region die dritte Brücke wirklich, wenn doch Homeoffice ein Thema für die Zeit nach der Pandemie bleiben wird? Die Frage ist berechtigt. Corona hat indessen bewiesen, dass die Menschen nicht zwingend im Büro anwesend sein müssen, sondern auch vom heimischen Arbeitszimmer ihre Jobs sehr gut erledigen können. Der Berufsverkehr würde entlastet. Aber: Schon jetzt, wo noch immer viele Menschen eben in den eigenen vier Wänden arbeiten, stauen sich die Blechschlangen schon wieder vor den Brücken. Der Öffentliche Nahverkehr auf der linken Rheinseite ist zudem ausgesprochen dürftig ausgebaut. Die Menschen sind schlicht aufs Auto angewiesen, wenn sie aus ihrem Dorf herauskommen wollen. Zumindest bis zum nächsten Bahnhof. Aber auch der ÖPNV-Takt holpert noch immer viel zu sehr, als dass er eine Alternative zum Individualverkehr darstellen könnte. Da entscheidet die normative Kraft des Faktischen.
Außerdem: Dem Schwerlastverkehr ist Homeoffice egal. Längst findet die Lagerhaltung der internationalen Industrie auf den Straßen Europas statt. Und alle Prognosen sagen voraus: Der Verkehr, zumindest der Lkw-Verkehr wird nicht weniger, sondern mehr werden.
Wie sich eine dritte Rheinbrücke - wo auch immer sie steht - auf den Individualverkehr auf den Straßen der Region ganz konkret auswirkt, wird sich vermutlich im Lauf des kommenden Jahres errechnen lassen. Dann steht das neue integrierte Verkehrsmodell zur Verfügung, das der Verband Region-Rhein-Neckar in Auftrag gegeben hat und das möglicherweise sogar schon zum Jahresende zur Verfügung stehen soll. Aber am Ende wird die dritte innerstädtische Rheinbrücke, eigentlich ist es im Kernraum der Metropolregion ja die vierte Brücke, keinen Mehrverkehr aufnehmen können, sondern den Ersatzverkehr, der durch die Sanierung oder den Neubau der anderen Brücken entsteht.
Die Zeit drängt. Schließlich gibt es etliche planerische und juristische Hürden zu nehmen. Nicht umsonst ist die Geschichte der bislang gescheiterten Rheinquerung bei Altrip fast 70 Jahre alt. Es wäre jetzt die beste Gelegenheit, die Planungen für eine Brücke oder einen Tunnel voranzutreiben.
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