Mannheim. Spätestens seit Corona ist klar: Alleinsein kann ganz schön hart sein. Doch: Egal, ob einsam, allein oder in glücklicher Solitude – Singles und ihre Lebenswelt sind (fast) unsichtbar. Und sie sind schlecht vernetzt. Auch in Mannheim. Das sollte sich ändern!
Während im Lockdown die näherkommende Decke das einzige war, das den Kopf streichelte, wurde klar: Es gibt für Singles in der Stadt wenig Möglichkeiten sich auszutauschen. Und zwar im echten Leben. In live und in Farbe. Nicht in einer Parallelwelt im Netz. Alleinstehende brauchen mehr Sichtbarkeit in der Gesellschaft. Und deshalb wäre ein Treffpunkt für sie mitten in der Stadt wahnsinnig toll. Dieses Café, Restaurant, oder eine sonstige Location – die gleichzeitig eine Begegnungsstätte wäre – wäre eine Bereicherung für Mannheim. Ein Treffpunkt, an den jede und jeder kommen kann.
Von Baufinanzierung bis Cocktails
Im Café sollte es auch Programm geben. Zugeschnitten auf Singles in ihrer Verschiedenheit. Mit Spezial-Angeboten: morgens Fortbildungen für Baufinanzierung (ja, auch Alleinstehende wollen Eigentumswohnungen oder Häuser), mittags Beratung rund ums Thema „Alleinerziehend“ – und abends ein klassisches Speed-Dating mit Cocktails. Und es sollte, Achtung, jetzt wird die Textautorin augenzwinkernd, eine Themenwoche „Wie lebe ich von einem Pack Möhren zwei Wochen lang, ohne dass es mir schlecht wird“, geben.
Spaß beiseite. Laut Statistiken sind insbesondere Alleinerziehende und Alleinstehende die am größten von Armut bedrohten Gruppen in Deutschland. Besonders Rentner und Rentnerinnen. Ganz Letztere noch einmal um ein Vieles mehr. Hier sollte es Beratungs- und Infomaterial, etwa zum Thema Altersvorsorge, geben. Der Austausch darüber sollte gefördert werden und ein Netzwerk entstehen. Vielleicht mündet dieses ja sogar in politisches Engagement? Das Plaudertelefon des Mannheimer Seniorenrats hat in der Krise gezeigt, wie einsam insbesondere die alten Menschen in unserer Stadt sind. Auch für sie soll das Café eine barrierefreie Anlaufstelle sein.
Also ran an Themenwochen von „Altersarmut vermeiden“ bis hin zu „Reiseangebote für Singles“. Toll wäre auch ein Sprachcafé oder ein Treff der „Ich arbeite zuviel und habe immer ab 21 Uhr Zeit“-Gruppe. Vielleicht gibt es auch eine Foodsharing-Ecke? Vielleicht eine Verschenkgetränk-Aktion? Bei der man einer Person ein Getränk von der Bar bringt und ins Gespräch kommt. Vielleicht gibt es einen Spieleabend. Vielleicht ein Interessen-Bingo? Oder ein schwarzes Brett mit Suche/Biete. Und hoffentlich gibt es so gutes Essen, dass man alleine so viel Umsatz bringt wie ein Pärchen...
Ja, im Café könnte man den Tag ausklingen lassen. Oder entspannt starten. Man könnte sich selbst etwas Gutes tun. An einem Ort, wo man man selbst sein kann. Wo man am Einzeltisch essen kann, ohne schief angeschaut zu werden. Oder eben Gemeinschaft findet. Das wäre so wichtig für Mannheims Singles.
Seelische Gesundheit ist am Ende
Denn die seelische Gesundheit Alleinstehender hat gelitten, das zeigen aktuelle Studien und Umfragen. Sie leiden nach der Pandemie stärker unter seelischer Belastung als gebundene Menschen. 62 Prozent der Singles klagten über psychische Belastungen. Bei den 18- bis 29-Jährigen waren es 74 Prozent. Das ermittelte das Umfrageinstitut Yougov. Von den freiwilligen Singles, die nach eigenem Bekunden gern allein leben, litten 55 Prozent unter seelischen Beschwerden. Kein Wunder, war ja in der Krise auch alles weggefallen, was außerhalb der Paarbeziehung Spaß macht.
Und apropos Studien. Die besagen auch: Single-Männer verdienten weniger als ihre verheirateten Kollegen, fanden Forschende heraus. Auch hier: Empowerment ist angesagt, und gegenseitiger Austausch. Beratung, was zu tun ist. Antidiskriminierung live, sozusagen. Hinkommen zum Treff kann man (selbstverständlich!) alleine – oder aber mit Freunden. Ausgeschlossen werden sollte natürlich niemand. Ganz im Gegenteil: Der ganze Treff sollte einen inklusiven Charakter haben.
„Du findest schon noch jemanden“
Und der ist mehr als wichtig. Denn Singles sind nicht nur unsichtbar. Mehr noch: Sie gelten als abnormal, unvollständig. Das wird ihnen immer wieder, oft unbewusst, im Alltag durch latente Äußerungen signalisiert: „Du findest schon noch jemanden!“, heißt es da einfach mal leichtfällig. Die Gesellschaft, in der wir leben, zielt nur darauf ab, das Single-Dasein so schnell wie möglich zu beenden. Parship und Tinder lassen grüßen. Höchste Zeit, dem „Deine Zeit wird kommen“-Mainstream richtige Institutionen für Singles entgegenzusetzen. Und so zu normalisieren.
MAlleine oder ZusamMA?
Wie das Café heißen soll? MAlleine vielleicht? ZusamMA? Ma wees es (noch) ned, aber es wäre toll, wenn sich was täte. Und es vielleicht Vorbild für andere Städte wäre und es irgendwann im MAINsam in Frankfurt hieße: „Diese Idee wurde in Mannheim geboren!“
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/75-jahre-mm_artikel,-75-jahre-mannheimer-morgen-mannheim-wie-waers-mit-einem-cafe-fuer-alleinstehende-_arid,1825377.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html