Mannheim. Von Privilegien für Führungskräfte hält Eric Perotti nichts. Er geht ins Betriebsrestaurant, plaudert mit Kolleginnen und Kollegen in der Kaffeeküche, spricht das Empfangspersonal im Foyer mit Vornamen an. Einen „informellen Umgang“ nennt er das. Bei ABB duzt man sich. „Ich bin einfach ein offener Mensch und gewohnt, im Team zu arbeiten.“ Seit fast einem Jahr ist Perotti, 58, Vorstandsvorsitzender von ABB Deutschland mit Sitz in Mannheim. Mit einer kurzen Unterbrechung hat der Manager fast sein gesamtes Berufsleben beim Schweizer Technologiekonzern verbracht.
Perotti, Nachfolger von Marcus Ochsner, ist im Januar gestartet – kurz, nachdem ABB den neuen Campus in Mannheim-Käfertal offiziell eingeweiht hatte. Ein sechsgeschossiges Gebäude für mehr als 1200 Beschäftigte. 28 Meter hoch. Eine Nutzfläche von 26 000 Quadratmetern. 2500 Sensoren für Temperatur, Luftfeuchtigkeit, CO₂ und Tageslicht zur energieeffizienten Steuerung der Gebäudetechnik.
2000 Sensoren erfassen freie Arbeitsplätze und Besprechungsräume; über eine App lassen sie sich buchen. Neben klassischen Schreibtischen gibt es gepolsterte Sitzecken. Der Eingang ist offen und erinnert an einen Hörsaal. Alles ist hell. Architektonisch auffällig im ersten Stock: ein Folienkissendach. Menschen aus 30 Nationen arbeiten bei ABB in Mannheim.
Eine Umgebung, in der sich Perotti wohlfühlt. Der 58-Jährige stammt aus dem Schweizer Kanton Neuenburg, seine Muttersprache ist Französisch. Zudem spricht er Italienisch, Englisch, Deutsch. Für ABB ist der studierte Wirtschaftswissenschaftler in der Schweiz und in Malaysia tätig gewesen.
Deutschland gehört zu den größten Landesgesellschaften des Technologiekonzerns. „Es ist ein sehr wichtiger Markt“, sagt Perotti. In Deutschland arbeiten rund 9000 Menschen für ABB, davon in der Region – in Mannheim und in Heidelberg - 3000. Mannheim ist der Deutschland-Sitz mit bedeutender Forschungs- und Entwicklungseinheit, Heidelberg der größte deutsche Produktionsstandort (ABB Stotz-Kontakt, Sicherungsautomaten).
ABB steigert Umsatz und erzielt Rekordmarge im dritten Quartal 2024
Im dritten Quartal 2024 hat ABB den Umsatz gesteigert und eine Rekordmarge eingefahren. Details zu Landesgesellschaften nennt der Konzern traditionell nicht. „Die Lage in Deutschland ist herausfordernd“, sagt Perotti lediglich. ABB spürt, dass hierzulande wichtige Industriezweige wie der Maschinenbau und die Industrie schwächeln. Dabei macht Perotti klar, dass das Unternehmen nicht nur abhängig von Deutschland ist. So würden „ein Drittel der Aktivitäten“ exportiert.
ABB hat im Wesentlichen vier Geschäftsfelder: Elektrifizierung, Prozessautomation, Antriebstechnik und Robotik. Die Lösungen des Unternehmens sollen technische Expertise mit Software verbinden, um die Art und Weise, wie etwas hergestellt, bewegt, angetrieben und betrieben wird, zu verbessern. Oder anders ausgedrückt: Anlagen sollen maximal (energie-)effizient gesteuert werden.
Kunden kommen aus allen möglichen Industrien. Technologie von ABB steckt in Windrädern, in Fertigungsanlagen von Nahrungsmittelherstellern, in Öl- und Gasraffinerien. Bei industriellen Automatisierungs- und Steuerungsprodukten gehören Schneider und Siemens zu den größten Mitbewerbern.
ABB befasst sich schon lange mit industrieller Künstlicher Intelligenz (KI). Das Unternehmen arbeitet eng mit Kunden zusammen, um Lösungen zu testen und in der Praxis zu pilotieren. Anwendungsbeispiele gibt es einige. KI könnte etwa den Zustand einer Anlage beobachten und vorausschauend eine Wartung empfehlen. Oder sie entdeckt Fehler und bietet Lösungen an. Modell der Zukunft ist die autonome Anlage. Sie kann auf Basis von Echtzeitdaten, Sensoren und künstlicher Intelligenz Entscheidungen selbstständig treffen und sich an neue oder unerwartete Situationen anpassen.
ABB steckt Milliarden in Forschung und Entwicklung
„KI ist eine Revolution. Die Menschen müssen erst lernen, mit dieser Technologie umzugehen“, findet Perotti. Für ihn heißt das: Die Technologie muss sicher gebraucht werden und Vertrauen schaffen. „Alle reden von KI. Die Bereitschaft von Kunden, diese Technologie einzusetzen, ist mehr und mehr da. Die Kunden sind neugierig und wollen davon profitieren.“
ABB steckt nach Angaben von Perotti pro Jahr konzernweit rund 1,3 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. Weltweit gibt es sechs große „Corporate Research Center“, eines davon in Mannheim mit 100 Kolleginnen und Kollegen. Früher arbeiteten sie noch im benachbarten Ladenburg, dieser Standort ist inzwischen geschlossen.
Der neue Campus in Mannheim bietet bessere Möglichkeiten, um Kunden Produkte zu vorzuführen. Beispielsweise Elektromotoren. Oder Kontrollsysteme, um eine Anlage zu steuern. ABB setzt darauf, dass die Welt immer digitaler wird. Das Unternehmen ist ständig auf der Suche nach Experten und jungen Talenten. In Deutschland sind derzeit rund 200 Stellen offen.
Eric Perotti hat nur wenige Minuten von ABB in Mannheim entfernt eine Wohnung. Sein Lebensmittelpunkt allerdings ist die Schweiz. In seiner Freizeit ist Perotti gerne in der Natur, verbringt Zeit mit seiner Frau, seinen drei Töchtern und seinem Hund, einem Labrador. Der Manager liebt Pizza: Perotti hat in Italien einen Lehrgang für Pizzabäcker absolviert.
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