Walldorf. Als einziger der Gründer mischt Hasso Plattner, 80, noch kräftig bei SAP mit. Sein Name ist fest mit dem Walldorfer Softwarekonzern verbunden. Nach vielen Jahren im Vorstand ist er Aufsichtsratsvorsitzender geworden - und übt diese Funktion seit mittlerweile mehr als 20 Jahren aus.
Doch nun ist Schluss.
Die Hauptversammlung von SAP am 15. Mai dürfte ein besonderes Ereignis werden. Bis zu 2000 Aktionärinnen und Aktionäre werden live in der Mannheimer SAP Arena erwartet. Schon allein das ist nicht selbstverständlich, zumal sich viele andere Unternehmen dazu entschlossen haben, ihre Hauptversammlungen nur noch virtuell abzuhalten.
Im Februar kommt Plattner der Kronprinz abhanden
Und ja: Im Februar hat SAP für eine faustdicke Überraschung gesorgt. Denn eigentlich sollte mit der Nachfolge Plattners alles geklärt sein. Der Kronprinz: Punit Renjen, indisch-amerikanischer Manager und ehemaliger Chef der Unternehmensberatung Deloitte. Doch es kommt anders. Renjen scheidet aus dem Aufsichtsrat aus, bevor er überhaupt als Chefkontrolleur in Walldorf angefangen hat.
Pekka Ala-Pietilä soll nun Plattners Erbe übernehmen. Der finnische Manager saß schon einmal im Aufsichtsrat von SAP. Da er nur für die nächsten zwei Jahren gewählt werden soll, gilt Ala-Pietilä als Übergangslösung.
Was ist da schiefgegangen mit Punit Renjen?
Monatelang hatten sich der Nominierungsausschuss und Plattner auf die Suche begeben - und Renjen auserkoren. Nur um später festzustellen, dass es „unterschiedliche Vorstellungen über die Rolle als künftiger Aufsichtsratsvorsitzender“ gegeben habe. Wie zu hören ist, soll sich Renjen zu stark ins operative Geschäft eingemischt haben. In Deutschland ist das, im Gegensatz zu den USA, unüblich. Wie konnte das passieren?
Plattner wollte seine Nachfolge gut vorbereitet wissen. Das ist gründlich schiefgegangen. Management und Aufsichtsrat werden deshalb auf der Hauptversammlung unangenehme Fragen beantworten müssen.
Der Softwarekonzern steckt mitten in der Transformation zur Cloud und zu Künstlicher Intelligenz. Auch mehr Ruhe hätte SAP nach den häufigen Wechseln im Management gutgetan. Ala-Pietilä muss deshalb sofort durchstarten.
Jedenfalls: Für seine Aufgabe als Chefkontrolleur kann er mit mehr Geld rechnen. Denn auf der Tagesordnung der Hauptversammlung steht unter Punkt 8 zur Abstimmung, dass die jährliche Grundvergütung auf 600 000 Euro steigen soll. SAP begründet das mit dem erhöhten Arbeitsaufwand - und damit, dass Aufsichtsratsvorsitzende in anderen europäischen Ländern oder in den USA deutlich mehr verdienen. Die Anpassung sei unerlässlich, „um konkurrenzfähig zu sein und geeignete Kandidatinnen und Kandidaten für den Vorsitz des Aufsichtsrats der SAP SE gewinnen zu können“.
Platter hat im Jahr 2023 laut Geschäftsbericht 275 000 Euro als festen Vergütungsbestandteil erhalten - plus 155 000 Euro für die Arbeit in Ausschüssen. Dieser Extra-Bestandteil soll für den Aufsichtsratsvorsitzenden künftig entfallen.
Der neue SAP-Aufsichtsratschef wird kein zweiter Plattner
Keine Frage: Ala-Pietilä wird kein zweiter Plattner sein. Dafür sind die beiden Herren zu unterschiedlich. Drei Eigenschaften beschreiben Plattner wohl am besten: provokant, kreativ, unermüdlich. Wenn ihn etwas stört, hat er noch nie ein Blatt vor den Mund genommen. Jüngst kritisierte er deutlich seine Geburtsstadt Berlin. Dorthin fahre er mittlerweile gar nicht mehr, sondern bleibe lieber in seiner zweiten Heimat, „meinem Potsdam“. Seine Begründung in der „Neuen Zürcher Zeitung“ („NZZ“) ließ aufhorchen: „Dass ganze Stadtteile scheinbar übernommen wurden von Arabern, dass dort deren Ethik und Verständnis für Gesetze gelebt wird, ist nicht gut.“ Hinter vorgehaltener Hand sage jeder, dass da etwas schiefgegangen sei, so Plattner. Was genau, das ergänzte er auf Nachfrage: „Die Integration ist schiefgegangen, die Erziehung, die Schulpolitik.“
Sogar die eigene Belegschaft bekam schon Breitseiten ab. „Manchmal will ich die Walldorfer Entwickler packen und schütteln und anschreien: ,Bewegt euch schneller!’“, hat Plattner vorzeiten gesagt. Von ihm selbst kam der entscheidende Anstoß, SAP solle sich im Cloud- und App-Zeitalter auf eine neue, ultraschnelle Business-Software Hana (High Performance Analytic Appliance) als Geschäftsmodell der Zukunft konzentrieren.
Eine spannende Frage ist: Was macht Hasso Plattner in Zukunft? Etwas komplett Neues anfangen werde er nicht, hat er vor Kurzem der „Neuen Zürcher Zeitung“ gesagt. Das muss der 80-Jährige auch nicht. Vielleicht bleibt er SAP noch in beratender Funktion erhalten, das wird momentan geprüft. Auch sonst muss er keine Langeweile fürchten, dafür hat er zu viele Hobbys und Steckenpferde.
Plattner gilt als einer der bedeutendsten privaten Wissenschaftsförderer Deutschlands. 1998 gründete er das Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik (HPI) an der Universität Potsdam.
Gala in der SAP Arena zu Ehren Plattners
Auch in der Region hat sich Plattner als großzügiger Geldgeber gezeigt. 2003 spendete er über die Hasso-Plattner-Förderstiftung der Universität Mannheim zehn Millionen Euro, damit die Bibliothek ausgebaut werden konnte.
Das SAP-Urgestein verbringt viel Zeit in den USA, wenn er nicht in seiner Villa in Potsdam ist. In seiner Freizeit spielt Plattner E-Gitarre, seine große Leidenschaft aber ist die Kunst. Er sammelt Werke der Impressionisten, aber auch von Künstlern aus DDR-Zeiten. Plattners Stiftung sorgte in Potsdam für den Wiederaufbau des historischen Palais Barberini als Kunstmuseum. Der Manager ist zudem Segler, auch dafür wird er künftig mehr Zeit haben.
Doch erst einmal wird gefeiert. Wie zu hören ist, soll ein Tag nach der Hauptversammlung eine Gala zu Ehren Plattners in der SAP Arena steigen - mit vielen Weggefährten und Prominenten.
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