Mannheim. Herr Binder, wie fällt Ihre sportliche Bilanz nach 17 Hauptrundenspielen aus?
Matthias Binder: Ich sehe uns auf einem ganz positiven Weg nach einem doch etwas schwächelnden Start. Da sind wir alle leicht nervös geworden, das gebe ich zu. Die Mannschaft hat sich zusammengerauft. Wir haben uns unter den Top Vier etabliert, hätten aber auch das eine oder andere Spiel mehr gewinnen können. Im Derby gegen Frankfurt haben wir am vergangenen Freitag eine herausragende Leistung gebracht, aber auch das 3:2 gegen München am Dienstag war ein Highlight.
Lassen Sie uns noch einmal über das Derby sprechen. Warum hat Sie das so gepackt?
Binder: Es gab Befürchtungen, dass nach den Corona-Jahren die Stimmung und das Fan-Aufkommen nie mehr so sein würden wie zuvor. Das ausverkaufte Derby gegen Frankfurt hat das Gegenteil gezeigt. Nach den Saure-Gurken-Jahren herrschte eine Gänsehaut-Atmosphäre, die Choreographie von unseren Fans war unglaublich. Die Stimmung hat sich dann auf die Spieler übertragen. Für uns war das ein großer Abend, der gezeigt hat, dass Eishockey lebt, dass die SAP Arena lebt und dass die Adler Mannheim noch leben. Dass die Frankfurter in die DEL zurückgekehrt sind, ist für uns ein Sechser im Lotto. Gegen Frankfurt könnten wir am Montagmorgen um 10 Uhr spielen, und die SAP Arena wäre ausverkauft.

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Der Zuschauerschnitt liegt nach zehn Heimspielen bei 8849, wie zufrieden sind Sie damit?
Binder: Ligaweit ist das zwar ordentlich, aber wir kommen aus der Vor-Corona-Zeit von einem Schnitt von 11 000 Zuschauern. Ich habe immer wieder betont, dass wir nicht von heute auf morgen die Zuschauerzahl der Saison 2018/19 erreichen werden. Das sieht man jetzt ganz deutlich – und das nicht nur in Mannheim. Der Einzelkartenverkauf ist dermaßen schwierig geworden, die Fans suchen sich die Spiele ganz gezielt aus. Das Derby gegen Frankfurt am Freitag war ausverkauft, aber wenn ich eine Familie habe, kann ich nicht vier Tage später wieder in die SAP Arena kommen. Das Geld ist im Moment bei der aktuellen Inflation und der Energiepreissteigerung nicht in den Haushalten da, dass man in der Woche ein-, zwei-, dreimal zu den Adlern kommen kann. Die Fans selektieren, damit müssen wir im Moment leben, da können wir uns auch marketing- und vertriebstechnisch auf den Kopf stellen.
Ist die Liga mit 15 Clubs ebenfalls ein Faktor?
Binder: Das ist keine Frage. Für mich ist eine 14er DEL mit „Best of Seven“ in den Play-offs der richtige Schlüssel. Da müssen wir langfristig wieder hinkommen. Im Moment haben wir das eine oder andere Spiel zu viel.
Auch zum Anhören
- Das komplette Gespräch mit Adler-Geschäftsführer Matthias Binder gibt es im „Adler-Check“, dem Eishockey-Podcast des Mannheimer Morgen.
- Herunterladen und abonnieren lässt sich dieser kostenlos unter mannheimer-morgen.de/podcasts. Hinterlegt ist der Adler-Podcast zudem auf den gängigen Plattformen wie Spotify (www.open.spotify.com), Deezer (www.deezer.com), Apple Podcast oder Amazon Music (www.amazon.de/music/lp/podcasts)
Was kann der Club machen, um die Fans zurückzugewinnen?
Binder: Wir sind immer im Austausch mit unseren Fans, vor der Saison haben wir zum ersten Mal ein Fanforum veranstaltet. Wir haben uns hingesetzt, ohne Protokoll konnte jeder Kritik üben an unserem Club, an unserem Verhalten. Wir haben die Sachen ernst genommen. Am Dienstag haben wir die Mützen vorgestellt für das Winter Game am 3. Dezember in Köln. Ein Fan hat diese entworfen, wir haben das dann umgesetzt. Das soll zeigen, dass wir auf die Ideen und Anregungen eingehen.
Mit dem gemeinnützigen Verein „Adler helfen Menschen“ hat Ihr Club schon viel Gutes in der Region bewirkt. Häufen sich die Anfragen aufgrund der steigenden Lebenshaltungspreise momentan?
Binder: Ja, die Zuschriften, die ich wöchentlich erhalte, sind in vielen Bereichen vielschichtig. Wir können aber nicht jedem Einzelschicksal helfen, weil wir die Gelder nicht direkt an eine Familie geben können. Wir müssen Zuwendungsbestätigungen bekommen und uns absichern, damit unsere Gemeinnützigkeit nicht gefährdet wird. Die Not wird größer. Das sieht man beispielsweise auch bei der Kindervesperkirche in Ludwigshafen und Mannheim, die demnächst wieder beginnt. Die Diskrepanz zwischen der wohlverdienenden Schicht in Deutschland und den Menschen, die wenig haben, wird immer größer. Die Mittelschicht bricht langsam weg, das sieht man auch im Verhalten des Einzelkartenkäufers. Die teuersten Tickets sind so gut wie immer weg, die günstigen bleiben in der Ladentheke. Wir müssen als Land etwas dagegen tun, damit diese Schere nicht immer größer wird.
Der Adler-Geschäftsführer
- Matthias Binder wurde am 4. Mai 1967 in Heidelberg geboren.
- Seit dem 1. Mai 1999 arbeitet er als Geschäftsführer der Adler Mannheim. Nur Augsburgs Lothar Sigl ist in der Deutschen Eishockey Liga länger in dieser Funktion tätig.
- Viel Herzblut steckt Binder unter anderem in den gemeinnützigen Verein „Adler helfen Menschen“. Zuletzt überreichte Binder der „Movember Foundation“ einen Scheck über 1500 Euro.
Erst die Coronapandemie, jetzt die Energiekrise nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine – was ist die größere Herausforderung für die Adler Mannheim?
Binder: Man darf nicht den Fehler machen, das gegeneinander aufzuwiegen. Wir können diesen schwierigen Themen als Sportclub nur begrenzt gerecht werden.
In welchen Bereichen müssen die Adler sparen?
Binder: Wir stellen unsere Geschäftsgrundlage nicht infrage. Unsere Geschäftsgrundlage ist und bleibt Eis. Wenn man kritisiert, dass dies zu energielastig ist, muss man an diesem Punkt schon aufhören. Uns ist ja nicht verboten, trotzdem Nachhaltigkeit einzufordern. Das gilt für uns als Club, aber auch für die ganze Liga. Warum sollten nicht mehr sogenannte Back-to-back-Spiele möglich sein? Erst in München antreten und dann quasi auf der Heimreise in Augsburg, statt dazwischen nach Mannheim zurückzufahren.
In welchen Bereichen haben Sie bereits reagiert?
Binder: Der Spieltagsflyer ist jetzt digital. Er erreicht mehr Leute, und wir müssen ihn weder drucken noch als Müll in der Arena einsammeln. Wir sind außerdem dabei, die Temperaturen in der SAP Arena abzusenken. Man muss ja nicht – gerade wenn Energie teuer ist – im T-Shirt zu einem Eishockey-Spiel kommen. Die Abendbeleuchtung wird ebenfalls früher ausgeschaltet. Wir haben auch eine Verantwortung der Stadt Mannheim gegenüber, so viel Energie wie möglich zu sparen.
Was muss passieren, damit Sie Ende April zurückblicken und von einer erfolgreichen Saison sprechen?
Binder: Ich würde mich unheimlich gerne wieder für die Champions Hockey League qualifizieren. Ich glaube, da gehören wir von unserem Gesamtvolumen hin. Ich würde zumindest gerne ins DEL-Finale kommen, den Titel möchte ich nicht ganz aus den Augen verlieren. Zudem hoffe ich, dass wir einen Zuschauerschnitt von über 9000 erreichen.
Sie sind ein Kind des Friedrichsparks. Lässt sich auf dem Gelände nach dem absehbaren Abriss des Eisstadions eine Gedenkstätte in irgendeiner Form realisieren?
Binder: Ich finde solche Gedankengänge sehr, sehr gut. Ich glaube, wir gehen da auf die Stadt zu, wenn der Abriss geschehen ist. MERC 1938 – das war die Geburtsstunde unseres Clubs. Da kann man zumindest mal mit der Stadt reden, dass an diese Stelle eine Erinnerungsstätte oder Gedenktafel hinkommt. Ich befürworte das sehr, das sind unsere Wurzeln. Man darf nie vergessen, wo man herkommt.
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