Handball

Scheidender Löwen-Coach Vranjes über unerwartete Rückschläge und fehlende Strukturen

Im Januar übernahm Ljubomir Vranjes den Trainerjob bei den Rhein-Neckar Löwen. Nun geht er wieder. Im Interview spricht der Schwede über seine Arbeit, die Probleme, eine Rückkehr nach Deutschland und er verrät, was der Handball-Bundesligist nun braucht.

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Marc Stevermüer
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„Die Löwen müssen eine Struktur aufbauen“, sagt Ljubomir Vranjes. © Sörli Binder

Mannheim. Herr Vranjes, Sie lassen in der schwedischen Heimat gerade ein 160 Jahre altes Haus renovieren. Wie weit sind die Arbeiten?

Ljubomir Vranjes: Die letzten Sachen im Bad werden gerade erledigt, der Fußboden ist verlegt. In etwa einer Woche ist alles fertig.

Das hört sich hervorragend an.

Vranjes: Aber dann sind wir ja noch lange nicht fertig. Dann geht es draußen weiter (lacht).

Trotzdem dürfte es zuhause schöner sein als das Hotelleben, das Sie seit Ihrer Vertragsunterschrift bei den Löwen im Januar führten.

Vranjes: Auf jeden Fall. Es haben sich zwar alle sehr viel Mühe gegeben. Aber vier, fünf Monate im Hotel….puh, das kann ich niemandem empfehlen.

Sie haben sich darauf und auch auf die Löwen eingelassen, obwohl Sie wussten, dass Ihre Aufgabe bis zum Sommer begrenzt ist. Warum haben Sie das gemacht?

Vranjes: Es gab zwei Gründe. Erstens: Ich mochte diese Herausforderung. Zweitens: Ich wollte helfen.

Ist Ihnen das gelungen?

Vranjes: Ich bin wirklich sehr zufrieden mit dem, was ich hier gemacht habe. Es ging mir nicht nur um Siege, sondern um das große Ganze. Alle Spieler haben eine Rolle und die Mannschaft eine Struktur bekommen. Das ist wichtig. Und nun wissen hoffentlich alle, dass harte Arbeit der einzige Weg zum Erfolg ist.

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Die Punktausbeute ist nicht wesentlich besser als die Ihres Vorgängers Klaus Gärtner. Sind die Löwen also nicht stärker? Vor wenigen Wochen sagten Sie, das sei kein Top-Acht-Kader. Die Tabelle gibt Ihnen recht.

Vranjes: Ich finde, dass wir acht Punkte mehr haben müssen. Wir haben aber in den ersten Wochen, nachdem ich gekommen bin, zu viel liegengelassen. Andererseits war es auch schwer für mich, in so kurzer Zeit meine Vorstellungen umzusetzen. Ich muss ehrlich sagen: Die Aufgabe war schwieriger, als ich es mir vorgestellt hatte.

Inwiefern?

Vranjes: Wenn man von außen kommt, hat man seine Ideen. Aber erst wenn man seine Arbeit aufgenommen hat, sieht man, was wirklich möglich ist oder nicht. Und da gab es Rückschläge, die ich so nicht erwartet hatte, die mich wirklich überrascht haben.

Zum Beispiel ließ sich Ihre Idee, mit weniger Abwehr-Angriff-Wechseln zu agieren, nicht in der gewünschten Konsequenz umsetzen.

Vranjes: Genau. Wenn man auf diese Wechsel verzichten möchte, ist das auch eine Kraftfrage. Die Spieler müssen fit sein, doch es haben immer wieder Spieler verletzt gefehlt. Teilweise hatte ich sieben Jungs im Training. Ich weiß nicht, ob das auch so gewesen wäre, wenn wir um die Meisterschaft gespielt hätten. Am Ende war einfach irgendwie die Luft raus.

Inwieweit ärgert Sie das? Es gab plötzlich noch eine kleine Chance auf die Teilnahme an der European League.

Vranjes: Platz sechs oder sieben, vielleicht sogar Rang fünf. Das war eigentlich mein großes Ziel, als ich hier ankam. Und es war möglich. Ich finde wirklich nicht, dass dieses Ziel übertrieben war. Aber wie ich bereits sagte: Zu Beginn haben wir zu viele Punkte verschenkt, und am Ende fehlte die letzte Energie.

Sie sind gelernter Koch. Welche Zutaten fehlen den Löwen, um künftig Erfolg zu haben?

Vranjes: Dieser Club braucht Stabilität und Kontinuität. Auf vielen ganz verschiedenen Ebenen. Die Löwen fangen jetzt praktisch ganz neu an, und es wird wichtig sein, dass alle in eine Richtung gehen, dass alle hinter dem eingeschlagenen Weg stehen. Ich habe zwar meine Vorstellungen, wie es gehen könnte. Aber mir steht es nicht zu, jetzt im Detail öffentlich darüber zu sprechen, was der Verein in Zukunft machen soll. Diese Frage muss mein Nachfolger Sebastian Hinze beantworten.

Dann frage ich andersherum und blicke nicht voraus, sondern zurück. Wie erklären Sie sich, dass die Löwen ins Tabellenmittelfeld abgerutscht sind?

Vranjes: Ich kann nicht sagen, was bei den Löwen genau passiert ist. Ich bin erst im Januar gekommen. Aber klar ist doch: Wenn ein Club so weit oben stand, vor vier Jahren Pokalsieger und fast zum dritten Mal in Folge Meister wurde und jetzt Zehnter wird, dann sind nicht ein, zwei oder drei Dinge schlecht gelaufen, sondern noch ein paar mehr.

Sind der THW Kiel, die SG Flensburg-Handewitt, die Füchse Berlin und der SC Magdeburg erst einmal enteilt?

Vranjes: Ja, das wird so sein. Diese Vereine sind stabil, sie haben eine funktionierende Struktur. Und wenn die Löwen wieder zu diesen Clubs aufschließen möchten, müssen sie auch eine Struktur aufbauen, die den Weg unabhängig vom Trainer macht und hinter der alle stehen. Alle müssen sich damit identifizieren und die ausgewählte Philosophie auch leben. Das ist so in Kiel, das ist so in Berlin, das ist so in Magdeburg, das ist so in Flensburg. Und bei den Löwen ist genau das meiner Meinung nach ein wenig verloren gegangen.

Mit Andy Schmid verliert der Club seine prägende Figur auf dem Feld, seine Rolle soll Juri Knorr übernehmen. Wie schwierig wird dieses Erbe für ihn sein?

Vranjes: Juri bringt eine unglaubliche Qualität mit. Aber er ist jung, und sein erstes Jahr war schwierig. Ich bin allerdings der Meinung: Wenn man Juri verpflichtet, muss man ihm auch vertrauen. Es mag sein, dass es nicht von Anfang an perfekt läuft. Ich bin aber auch davon überzeugt: Arbeitet man intensiv mit ihm und stützt ihn, wird er in zwei, drei Jahren ein noch besserer Spieler sein als er es jetzt schon ist. Das verspreche ich Ihnen.

Sie werden Ihre Trainerkarriere in Frankreich bei USAM Nimes fortsetzen, auch wenn Sie selbst und der Verein das bislang nicht bestätigt haben. Ist für Sie eine Bundesliga-Rückkehr vorstellbar?

Vranjes: Sie haben mich zu Beginn gefragt, warum ich das gemacht habe, warum ich für ein halbes Jahr zu den Löwen gekommen bin. Ganz einfach: Ich war neugierig auf die Bundesliga. Nachdem ich 17 Jahre als Spieler, Teammanager und Trainer hier gearbeitet habe, wollte ich zuletzt etwas anderes sehen. Es war deshalb 2017 eine bewusste Entscheidung, Deutschland zu verlassen. Als im Januar die Anfrage der Löwen kam, hat mich die Bundesliga ganz einfach gereizt. Und ich bin überrascht über meine eigenen Gefühle und darüber, wie gut mir das gefallen hat. Ich freue mich zwar auf das, was jetzt als Nächstes für mich ansteht. Aber ich werde immer wieder gerne in die Bundesliga zurückkehren.

Erfolgreich als Spieler und Trainer

  • Ljubomir Vranjes wurde am 3. Oktober 1973 in Göteborg geboren .
  • Als Spieler feierte er seine größten Erfolge im Trikot der schwedischen Handball-Nationalmannschaft. Mit den Skandinaviern gewann er drei EM-Titel und wurde einmal Weltmeister, hinzu kommt einmal Olympia-Silber.
  • Seine Trainerlaufbahn begann der frühere Spielmacher im Jahr 2010 bei der SG Flensburg-Handewitt und war dort extrem erfolgreich. Mit den Norddeutschen gewann Vranjes den Europapokal der Pokalsieger, den DHB-Pokal und die Champions League .
  • Nach Engagements bei der serbischen, ungarischen und slowenischen Nationalmannschaft, Telekom Veszprém und IFK Kristianstad fing Vranjes im Januar 2022 bei den Löwen an . Zur neuen Saison übernimmt er USAM Nimes in Frankreich.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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