Mannheim. Seine Leistung stimmte schon immer. Oder anders ausgedrückt: Jannik Kohlbacher ist so etwas wie der Mr. Zuverlässig bei den Rhein-Neckar Löwen, die zuletzt gewiss keine einfachen Jahre durchlebten und die mehr als einmal die selbst gesteckten Ziele verpassten. Aber Kreisläufer Kohlbacher, der lieferte wie ein Uhrwerk ab. Und trägt seit dieser Saison auch außerhalb des Feldes mehr Verantwortung. Als stellvertretender Kapitän hinter Ober-Löwe Patrick Groetzki.
„Es ist eine riesengroße Ehre, bei meinem Verein diese Rolle übernehmen zu dürfen“, sagt Kohlbacher und spricht diesen Satz nicht einfach so daher. Ein wenig Stolz schwingt in seiner Stimme mit, was gewiss auch daran liegt, dass er die Löwen als „meinen Verein“ bezeichnet. Der Handball-Bundesligist ist für ihn nicht nur ein Club, sondern eine Herzensangelegenheit – und die Verbindung allein schon aufgrund seiner Heimatgefühle recht eng.
Kohlbacher ist ein Kind der Region
Der Kreisläufer ist ein Kind der Region und im Odenwald aufgewachsen, besuchte früher als Kind die Spiele der Löwen, deren Trikot er nun selbst trägt. „Seit sieben Jahren“, wie das Kraftpaket betont. Und irgendwie scheint er das kaum selbst glauben zu können: „Die Zeit rennt.“
Mittlerweile ist Kohlbacher mit seinen 30 Jahren der drittälteste Profi im Kader. Doch seine Erfahrung allein ist nicht der Grund, warum der Nationalspieler von Machulla zum stellvertretenden Mannschaftskapitän ernannt wurde. Führung ist eben keine Frage des Alters, sondern vor allem des Auftretens.
Die Körpersprache des Routiniers gefalle ihm, sagt Machulla, der Energie und Pflichtbewusstsein bei Kohlbacher sieht. „Jannik fordert im Training sehr viel ein, zeigt eine extreme Leistungsbereitschaft und Professionalität. Er lebt unseren neuen Spielern auch eine Trainingsmentalität vor“, schwärmt der 48-Jährige.
Großes Lob vom Löwen-Trainer Machulla
Kurzum: Der Trainer sieht im Kreisläufer ein Vorbild, an dem sich alle orientieren können: „Es ist das Schlimmste für eine Mannschaft, wenn Spieler aufgrund ihrer Persönlichkeit einen gewissen Status haben, im Training aber auf der Bremse stehen. Wenn das die anderen sehen, kann man keine Leistungskultur entwickeln. Kohli ist aber ein absoluter Anführer. Das hat mich positiv überrascht.“
Kapitän Patrick Groetzki, formal in der Hierarchie noch eine Stufe über Kohlbacher angesiedelt, bestätigt das. „Kohli weiß um seine Verantwortung und wie wichtig er als Spieler für diese Mannschaft ist. Er hat einen Reifeprozess durchgemacht. Allerdings schon in den vergangenen Jahren“, sieht der Rechtsaußen keinen plötzlichen Wandel. Er kennt Kohlbacher allerdings auch länger als Machulla: „Manchmal hat man ein gewisses Bild von Menschen vor Augen, weil man nur von außen draufschaut. Maik hat aber jetzt den Kohli so richtig kennengelernt.“
Das gilt übrigens auch für die ganze Mannschaft mit Blick auf Kohlbachers Job als Kassenwart. Der Kreisläufer ist für seine strenge Regelauslegung samt entsprechender Sanktionierung mehr berüchtigt als berühmt. „Es gibt keinen Schlimmeren“, meint Groetzki, pustet nach dem 28:24 am Mittwoch über GWD Minden einmal durch und zieht ein wenig die Augenbrauen nach oben. Er weiß ganz offensichtlich, dass es eine teure Saison für ihn wird.
Kohlbacher übernahm den Job von Mikael Appelgren, der im Sommer zum ungarischen Topclub One Veszprém wechselte – und an den Groetzki mit einem Augenzwinkern ein wenig wehmütig zurückdenkt: „Der ,Apfel‘ hat die Hälfte nicht mitbekommen und am Ende noch selbst bezahlt, weil er so lieb ist. Das können wir bei Kohli vergessen.“
Was den „Leidensdruck“ der Mannschaft zusätzlich erhöht: Kohlbacher gilt als diszipliniert, ist also auch diesbezüglich ein Vorbild. „Der kommt leider fast nie zu spät und leistet sich auch sonst kaum ein Fehlverhalten. Hin und wieder macht aber auch er etwas falsch. Wir sind uns nur nicht ganz sicher, ob Kohli die Strafen auch bei sich aufschreibt. Deswegen gibt es eine geheime Liste, auf der wir uns das aufschreiben“, scherzt Groetzki, der seit 2007 bei den Löwen und damit dienstältester Profi der Mannheimer ist.
311 Bundesligaspiele hat Kohlbacher bestritten
Es folgt Kohlbacher, der 2018 von der HSG Wetzlar kam und nun seine elfte Bundesligasaison bestreitet. 311 Spiele hat er in der deutschen Eliteliga auf dem Buckel. Mit den Löwen wurde Kohlbacher 2023 Pokalsieger. Hinzu kommen 123 Länderspiele für Deutschland, mit der Nationalmannschaft holte der Rechtshänder 2016 sensationell den EM-Titel und 2024 Olympia-Silber. Kurzum: Der Kreisläufer hat schon viel erlebt. Gerade auch mit den Löwen.
„Ich habe wirklich keine Lust mehr auf Prognosen“, sagt Kohlbacher, der trotz des gelungenen Saisonstarts mit zwei Siegen um die Unberechenbarkeit der bisweilen launischen Löwen genau weiß. Ein gequältes Lächeln unterstreicht sein fehlendes Interesse an einer Vorhersage. Acht neue Spieler und somit ein zur Hälfte umgebauter Kader. Wer soll da ernsthaft wissen, was möglich ist? Eine rhetorische Frage.
Am Sonntag spielen die Löwen in Hamburg
Da Kohlbacher aber seit sieben Jahren im Verein ist, befähigt ihn das zumindest, einen Vergleich zu ziehen. „In der vergangenen Saison musste einem immer angst und bange werden, wenn Juri Knorr nicht dabei war. Mittlerweile drücken alle dem Spiel ihren Stempel auf. Jeder bringt seine Qualitäten ein. Das sorgt für mehr Flexibilität“, freut sich der Löwe, der als Kreisläufer besonders darauf angewiesen ist, wie ihn seine Kollegen einsetzen. Auch am Sonntag (18 Uhr) wieder. Dann geht es zum HSV Hamburg.
Jahrelang harmonierte das Kraftpaket prächtig mit den Mannheimer Spielmachern. Zunächst Andy Schmid, später Knorr. Was er im Zusammenspiel mit den beiden Hochbegabten zeigte, grenzte bisweilen an Zauberei. Artistisch und akrobatisch ging es zu, eine Mischung aus Athletik und Ästhetik. Doch auch mit dem neuen Mittelmann Haukur Thrastarson passt die Abstimmung schon ganz gut. „Er hat hier direkt seine Qualitäten gezeigt“, lobt der Kreisläufer den Neuen, der mit seinen teils spektakulären Künsten die Blicke der Fans auf sich zieht. Die Augen der Mitspieler sind wiederum auf Kohlbacher, den neuen Anführer, gerichtet.
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