Handball - Löwen lösen Vertrag mit Andreas Palicka auf – und verkaufen die Differenzen als „private Gründe“

Palickas Löwen-Abschied durch die Hintertür

Von 
Marc Stevermüer
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Kam 2016 zu den Löwen: Andreas Palicka. © Sörli Binder

Mannheim. Wenn ein verdienter Spieler und ein Verein sich trennen, hat das oft etwas von einem großen Abschied, bisweilen sogar von einer kitschigen Seifenoper. Es fallen ernst gemeinte warme Worte, in denen von schönen Erinnerungen und gerne auch einer unvergessenen Zeit gesprochen wird. Und vielleicht, aber auch nur in ganz emotionalen Momenten und bei besonders verdienten Spielern, kullern sogar ein paar Tränen und ein Trikot wird unter das Hallendach gezogen. All das wird es für Andreas Palicka bei den Rhein-Neckar Löwen allerdings noch nicht einmal im Kleinformat geben. Nach fünfeinhalb Jahren gaben der schwedische Torwart und der Handball-Bundesligist am Dienstag bekannt, was diese Redaktion bereits vor einer Woche exklusiv angekündigt hatte: Beide Parteien trennen sich ab sofort.

PR-Sätze zum Abschluss

In einer Pressemitteilung ist von „private Gründen“ für die Vertragsauflösung die Rede, nachdem der Torwart beim Auswärtsspiel gegen Kiel angeblich noch „krank“ gefehlt hatte. Kurzum: Recht galant und geschönt wird nun versucht zu umschreiben, dass es zwischen Palicka und Verein nach Informationen dieser Redaktion erst mächtig geknallt – und danach nicht mehr gepasst hatte. Immerhin brachen nach Wochen der Stille aber beide Seiten mit wohl überlegten Worten ihr Schweigen. Es sollte nicht noch mehr Porzellan zerschlagen werden.

„Es fällt uns schwer, Palles Bitte (nach einer Vertragsauflösung: Anm. d. Red.) nachzukommen. Mit Blick auf die angespannte Personal-Lage im Tor ist diese Entscheidung vor allem auch sportlich unfassbar schwierig. Die privaten Gründe, die er für sein Ersuchen genannt hat, lassen uns keine andere Wahl, als seinem Wunsch dennoch nachzukommen“, sagte Löwen-Geschäftsführerin Jennifer Kettemann. Palicka wiederum sprach von „ein paar der schönsten Jahre meiner ganzen Laufbahn“, die er bei den Mannheimern verbracht habe: „Ich habe den Löwen viel zu verdanken. Es fällt mir schwer, mich jetzt vorzeitig verabschieden zu müssen, aber es gibt schwerwiegende Gründe dafür.“

Keine Frage: Gemessen an den extremen Spannungen, die es zuletzt zwischen den zwei Parteien gegeben hatte, erwecken diese Standardsätze aus dem Handbuch für PR-Management zumindest den Eindruck, dass sich Palicka und die Löwen im Guten trennen. Obwohl man ja im Grunde genommen keine Lust mehr aufeinander hatte.

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Der schwedische Torwart war 2016 vom dänischen Erstligisten Aalborg zu den Löwen gewechselt und hatte entscheidenden Anteil daran, dass der Club 2017 Meister und 2018 Pokalsieger wurde. Mit dem derzeit verletzten Landsmann Mikael Appelgren bildete er lange Zeit das beste Torwartgespann der Bundesliga, ehe Palicka nach der schweren Knieverletzung seines Kollegen mehr oder weniger zum Einzelkämpfer zwischen den Pfosten wurde und als Solist auf dieser wichtigen Position dafür sorgte, dass die Löwen in der vergangenen Saison trotz aller Enttäuschungen noch in den Europapokal einzogen.

Bei der WM in diesem Jahr wurde der 35-Jährige sogar zum besten Torwart des Turniers gewählt, ab Juli 2022 steht er bei Paris Saint-Germain unter Vertrag. Bis dahin wird Palicka vermutlich noch in seiner Heimat bei Redbergslids IK spielen. Von 2002 bis 2008 stand er bereits beim schwedischen Erstligisten aus Göteborg zwischen den Pfosten. Laut skandinavischen Medienberichten will der Toptorwart künftig helfen, den Verein zum Klassenerhalt zu führen.

Die Löwen wiederum gehen mit dem 39-jährigen Nikolas Katsigiannis und dem 18-jährigen Mats Grupe auf der Torhüterposition in die letzten zwei Begegnungen vor der EM-Pause. Am Mittwoch (19.05 Uhr) treten die Badener in Nürnberg beim HC Erlangen an, am 27. Dezember (19.05 Uhr) kommt die TSV Hannover-Burgdorf nach Mannheim. Zum Pokal-Viertelfinalkracher gegen den THW Kiel (5. oder 6. Februar) soll aber ein neuer Torwart da sein.

Schwierige Torwart-Suche

Die Suche ist allerdings nicht ganz so einfach. Mitten in der Saison einen Mann der Marke Palicka zu verpflichten – das ist schon schwierig genug, eigentlich sogar ausgeschlossen. Zumal dieses herausfordernde Unterfangen durch die Rahmenbedingungen noch komplizierter wird. Denn wer auch immer jetzt zusagt, der weiß, dass im besten Fall Appelgren zeitnah zurückkehrt, dass die Löwen großes Vertrauen in den noch bis Mitte nächsten Jahres am Kreuzband verletzten David Späth haben und dass 2023 Nationaltorwart Joel Birlehm nach Mannheim wechselt. Hinzu kommt: Auf dem Transfermarkt haben die Badener ihren einstigen Glanz und ihre Anziehungskraft verloren, wie die lange Liste an Absagen von umworbenen Spielern belegt. Es fehlen schlicht die sportlichen Argumente.

„Wir schauen uns das im Januar mal an, wie sich das bei Mikael entwickelt. David werden wir bei seiner Genesung nicht unter Druck setzen. Deswegen müssen wir auf der Torwartposition definitiv jemanden holen“, sagt Trainer Klaus Gärtner. Gesucht wird also eine Soforthilfe, die aber auch eine Absicherung für die nächste Saison ist. Kurzum: Eine Lösung auf Zeit für 18 Monate wird angestrebt, da bei Appelgren ebenso wie die Hoffnung auch die Ungewissheit bleibt und Späth zum Start der neuen Saison voraussichtlich nicht fit sein wird. Es muss also improvisiert werden und ein Torwart her – zur Begrüßung gibt es für den Neuen dann auch bestimmt ein paar warme Worte.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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