Handball-WM

Ex-Löwen-Coach Jacobsen sieht deutsche als wichtigste Handballnation

Ihre größten Erfolge haben die Rhein-Neckar Löwen unter Nikolaj Jacobsen erlebt. Heute ist der Däne Nationaltrainer seines Heimatlandes, das als WM-Topfavorit gilt. Mit der Bundesliga hat er aber noch nicht abgeschlossen

Von 
Marc Stevermüer
Lesedauer: 
„Ich liebe Musik und mag im Sommer auch gerne mal ein Bier, wenn ich frei habe“, sagt der dänische Nationaltrainer Nikolaj Jacobsen. © Liselotte Sabroe/imago

Mannheim. Herr Jacobsen, haben Sie gerade den besten Job der Welt?

Nikolaj Jacobsen: Das kommt immer darauf an, wie das letzte Turnier gelaufen ist (lacht). Bislang lief es meistens gut. Deswegen genieße ich meinen Job.

Ist das wirklich so extrem erfolgsabhängig?

Jacobsen: Man muss sich das ein wenig anders vorstellen als in Deutschland. Wenn du zur dänischen Handball-Nationalmannschaft gehörst, dann kennt dich fast jeder. Du kannst dich nicht verstecken. Entsprechend ist es ein großer Job, diese Mannschaft zu trainieren, weil wir eine immense mediale Aufmerksamkeit genießen und sehr populär sind.

Titelgarant Jacobsen

  • Nikolaj Jacobsen wurde am 22. November 1971 im dänischen Viborg geboren.
  • Er war von 2014 bis 2019 Trainer des Handball-Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen und wurde mit dem Club 2016 und 2017 Meister.
  • 2018 folgte der Pokalsieg. Dreimal (2017, 2018, 2019) holte der Däne mit den Badenern den Supercup.
  • Seit 2017 trainiert der dreifache Familienvater die dänische Nationalmannschaft, mit der er 2019 und 2021 Weltmeister wurde. Es folgte jeweils die Wahl zum Welttrainer des Jahres 2019 und 2021. Bei den Olympischen Spielen 2021 holte er mit den Dänen Silber.
  • Mit dem THW Kiel wurde Jacobsen als Spieler dreimal Meister.

In Deutschland konnten Sie sich frei und meistens unerkannt bewegen, in Dänemark ist das schwieriger. Wie gehen Sie damit um?

Jacobsen: Ich habe mich daran gewöhnt und für mich ist es kein Problem, hier und dort mal ein Foto zu machen oder ein Autogramm zu schreiben. Ich kann ja selbst entscheiden, ob ich zu Hause bleibe oder nicht.

Sie sind mit Ihrer Tochter zum Tinderbox- Festival nach Odense gefahren. Warum machen Sie das, obwohl Sie wissen, dass viele Sie dort erkennen?

Jacobsen: Solch ein Festival gehört für mich zum Leben dazu. Ich gehe da gerne hin. Ich war mit ein paar Kumpels dort. Meine Tochter hat ihre Handball-Freundinnen mitgebracht, die ich übrigens auch mal trainiert habe. Ein paar Stunden am Tag hatten wir Spaß zusammen. Ansonsten haben die Mädchen ihr Ding und ich mein Ding gemacht. Ich liebe Musik und mag im Sommer gerne auch mal ein Bier, wenn ich frei habe. Dann nehme ich es gerne in Kauf, dass ich viele Fotos auf solch einem Festival machen muss.

Spielen Ihre Kinder noch alle Handball?

Jacobsen: Freja spielt nicht mehr, sie hatte vor ein paar Jahren eine Verletzung. Sille ist bei Aarhus GF in der 2. dänischen Liga aktiv und hat ein Jurastudium aufgenommen. Linus spielt in der C-Jugend bei GOG in Gudme.

Ist der prominente Papa für Ihre Kinder ein Problem?

Jacobsen: Ich glaube, dass Linus manchmal die Aufmerksamkeit genießt. Manchmal würde er aber auch ganz gerne seinen Papa nur für sich alleine haben – und das geht nicht, wenn wir zusammen zum Handball gehen. Als Familie stehen wir eigentlich nicht gerne im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Das wollten wir noch nie. Ganz lässt sich das natürlich nicht verhindern, aber ich bin der Meinung, dass meine Kinder auch alles gut einordnen und damit umgehen können. Und wenn wir ehrlich sind, kennen sie es ja auch gar nicht anders. Sie sind damit groß geworden.

Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren

Sie sind seit 2019 ausschließlich Nationaltrainer, waren zuvor fünf Jahre Bundesligacoach bei den Rhein-Neckar Löwen und haben ein Jahr in Doppelfunktion beide Mannschaften betreut. Fehlt Ihnen das Tagesgeschäft, der Nervenkitzel Bundesliga?

Jacobsen: Ich bin sehr glücklich darüber, wie alles gerade ist. Man darf ja nicht vergessen: Ich war etwas mehr als ein halbes Jahr weg bei den Löwen – und dann kam Corona. Da hatte ich zwar mehr Zeit, konnte aber kaum etwas unternehmen. Jetzt hat sich fast alles normalisiert. Wir können mehr unternehmen, rausgehen, Freunde und Familie besuchen. Das gefällt mir.

Wie haben Sie rückblickend die Zeit in Erinnerung, als Sie die Löwen und die Nationalmannschaft parallel trainiert haben?

Jacobsen: Das eine Jahr Doppelbelastung war sehr heftig. Damals sah der Spielplan auch noch anders aus. Wir haben regelmäßig donnerstags in der Liga und samstags auswärts in der Champions League gespielt. Das war anstrengend, einfach zu viel. Jetzt sind es zwar immer noch viele Spiele, aber die Champions League wird unter der Woche ausgetragen und in der Liga kann man dann sonntags spielen. Das ist besser. Und deswegen habe ich mit der Bundesliga auch noch nicht abgeschlossen. Für mich ist aber relativ klar: Den dänischen Nationaltrainer und den Vereinstrainer Nikolaj Jacobsen wird es nicht zeitgleich bei einem deutschen Champions-League-Teilnehmer geben. Ich glaube nicht, dass ich die Arbeit bei dieser Doppelbelastung so meistern kann, wie ich das möchte.

Wie gehen Sie ganz persönlich mit Enttäuschungen um?

Jacobsen: Ich weiß von meiner Mannschaft und mir, dass wir gemeinsam immer alles tun werden, um erfolgreich zu sein. Zuletzt ist uns das manchmal oder sogar ein wenig häufiger ganz gut gelungen. Aber es gibt immer Turniere, bei denen es einfach nicht wie gewünscht läuft. Das war in der Vergangenheit so, das ist jetzt so und das wird auch in der Zukunft so sein. Das weiß ich und damit kann ich umgehen. Das muss ich auch. Denn ansonsten kann ich in diesem Job nicht erfolgreich sein.

Schweden wird eine riesengroße Rolle spielen.
Nikolaj Jacobsen Ex-Löwen Coach

Die Dänen sind einer der großen Titelfavoriten bei der jetzigen WM. Welche Mannschaften können Ihrem Team gefährlich werden?

Jacobsen: Schweden wird eine riesengroße Rolle spielen. Diese Mannschaft ist Europameister, hat noch dazu den Heimvorteil. Mit Spanien und Frankreich muss man rechnen. Und dann muss ich ehrlich sagen: Schauen wir uns mal die Isländer an. Das ist eine Mannschaft mit sehr vielen richtig guten Spielern, von denen man sehr viel erwarten kann. Nehmen wir uns dazu, sind das die fünf größten Medaillenanwärter. Norwegen und Ägypten können vielleicht überraschen.

Und was ist für die Deutschen drin?

Jacobsen: Sie haben eine sehr spannende Mannschaft mit einem erfahrenen Trainer, was ich für eine gute Mischung halte. Ich glaube aber, dass es noch ein wenig dauern wird, bis dieses Team richtig weit bei einem Turnier kommen kann. Vielleicht überraschen mich die Deutschen aber. Das fände ich gut.

Warum?

Jacobsen: Für den ganzen Handball ist es von großer Bedeutung, dass die Deutschen eine erfolgreiche Nationalmannschaft haben. Deutschland ist die wichtigste Handballnation in Europa und entsprechend wichtig für die ganze Sportart.

Mehr zum Thema

Interview

Nach extremen Urteilen: Löwe Knorr spricht exklusiv über die Handball-WM

Veröffentlicht
Von
Marc Stevermüer
Mehr erfahren
Handball

So könnte es zu einem Duell Löwen gegen Andy Schmid kommen

Veröffentlicht
Von
Marc Stevermüer
Mehr erfahren
Handball

Der Wahnsinn der Rhein-Neckar Löwen in Lissabon

Veröffentlicht
Von
Nils Bastek
Mehr erfahren

Wenn Sie schon von einer spannenden deutschen Mannschaft sprechen. Was trauen Sie Spielmacher Juri Knorr in den nächsten Jahren zu?

Jacobsen: Juri bringt alles mit. Er ist ein moderner Handballer, hat einen guten Blick fürs Spiel, ein starkes Eins-gegen-eins, ist schnell auf den Beinen und selbst torgefährlich. Und auch wenn er bei den Rhein-Neckar Löwen nicht so viel in der Abwehr spielt, kann man ihn da auch hinstellen. Er hat jetzt viel Verantwortung bei den Löwen und spielt in einer Mannschaft, die in dieser Saison nicht den ganz großen Druck hat, weil die zurückliegenden ein, zwei Jahre nicht so gut waren. Das tut auch ihm gut, wenn er nun etwas freier spielen kann.

In der Bundesliga gibt es momentan eine breite Spitzengruppe. Das war zu Ihrer Zeit als Löwen-Trainer noch anders…

Jacobsen: ... und ich finde diese Entwicklung richtig gut, das macht Spaß. Jetzt sind es fünf Mannschaften – vielleicht irgendwann sechs. Melsungen müsste es eigentlich hinbekommen, auch da ganz oben mitzuspielen. Die finanziellen Voraussetzungen dafür sind auf jeden Fall da. Und dann ist das doch super für die Liga und die Fans. Jetzt ist jedes Spiel noch wichtiger. Berlin verliert in Minden. Das sind Punkte, die dann am Ende sehr, sehr schmerzen können. Denn die Vergangenheit hat doch gezeigt: Fast alle Meisterschaften werden in solchen Spielen weggeschmissen.

Was trauen Sie den Löwen zu?

Jacobsen: Schwer zu sagen. Sie haben das bislang sehr gut gemacht und mit viel Tempo gespielt. Und sie haben davon gelebt, immer eine gute Torwartleistung gehabt zu haben. Wenn Joel Birlehm und Mikael Appelgren es schaffen, dieses hohe Niveau auch in der Rückrunde zu halten, kann es unter die ersten Drei gehen.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

Thema : Rhein-Neckar Löwen

  • Rhein-Neckar Löwen Rhein-Neckar Löwen bald auch mit Team in Frauen-Bundesliga?

    Auf die HSG Bensheim/Auerbach kommt ein Hallenproblem zu. Vielleicht sind die Rhein-Neckar Löwen die Lösung. Gespräche laufen. Der Stand der Dinge.

    Mehr erfahren
  • Rhein-Neckar Löwen Kassenwart Kohlbacher: Die Rhein-Neckar Löwen fürchten ihn

    Löwen-Trainer Maik Machulla lobt Leistung und Führungsqualitäten von Jannik Kohlbacher. Einen Namen macht sich der Kreisläufer aber nicht nur als Spieler.

    Mehr erfahren
  • Rhein-Neckar Löwen Dank David Späth: Rhein-Neckar Löwen besiegen Minden

    Die Rhein-Neckar Löwen gewinnen 28:24 gegen GWD Minden. Sie brauchen aber eine Galaleistung ihres Torhüters. Trainer Machulla wird deutlich.

    Mehr erfahren

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen