Stuttgart/Mannheim. In Plauderlaune war bei den Rhein-Neckar Löwen nach der 28:32-Derby-Pleite beim TVB Stuttgart verständlicherweise niemand, aber Spielmacher Andy Schmid nutzte immerhin die Gelegenheit, noch kurz ein paar Worte mit seinem Schweizer Nationalmannschaftskollegen Samuel Röthlisberger vom TVB zu wechseln. Die Verabschiedung war entsprechend herzlich, Schmid selbst machte sich danach allerdings äußerst nachdenklich auf die paar Meter Richtung Mannschaftsbus und auf den Heimweg.
Wer den Regisseur der Badener kennt, der weiß, wie sehr ihn solche historischen Tiefschläge – die Löwen hatten seit 2015 das erste Mal überhaupt gegen die Stuttgarter verloren – beschäftigen. Die durchaus vorhandene personelle Not wollte Schmid dann auch gar nicht erst gelten lassen. „Wir sollten keine Alibis suchen. Es passt momentan nichts zusammen, Ich fühle mich leer, weil das unangenehm und peinlich ist“, sagte der 37-Jährige.
Nur Tollbring und Groetzki in Form
„Wir müssen in den nächsten fünf, sechs Wochen bis zum Saisonende nochmal alles reinzulegen, aber es fällt momentan schwer, daran zu denken, weil das echt weh tut“, meinte der Denker und Lenker des badischen Angriffsspiels, der am Montag wie der Rest des geprügelten Löwen-Rudels mit der nächsten schlechten Nachricht zurechtkommen musste: Die Wadenverletzung, die sich Nationalspieler Jannik Kohlbacher in der Stuttgarter Porsche Arena zugezogen hatte, stellte sich als Zerrung heraus. Beim nächsten Heimspiel gegen den HC Erlangen am Samstag (20.30 Uhr, SAP Arena) werden die Löwen also ohne den Dreh- und Angelpunkt an der gegnerischen Sechs-Meter-Linie auskommen müssen, damit Kohlbacher zumindest beim Final Four der European League eine Woche später wieder mitwirken kann. Besserung von der Bank, wo am Sonntag gleich drei Nachwuchskräfte Platz nehmen mussten, ist also kaum zu erwarten.
Umso extremer fiel in Stuttgart ins Gewicht, dass auch die verbliebenen Stammkräfte einen gebrauchten Tag erwischten. Nur die Flügelspieler Patrick Groetzki und Jerry Tollbring kamen auf Top-Werte in der Chancenverwertung, im Rückraum ging dagegen nichts. Am Ende standen dort, wo sonst das Spiel gemacht wird, bei 31 Versuchen nur elf Treffer – eine verheerende Statistik bei den eigenen Ansprüchen.
Diesen hinken die Badener laut Schmid „meilenweit“ hinterher, Trainer Martin Schwalb, der das Coaching einmal mehr komplett seinem Nachfolger Klaus Gärtner überließ, verwies mit einer gehörigen Portion Galgenhumor sogar auf eine Art Etikettenschwindel. „Bei uns fehlen zwei, drei Schlüsselspieler, worunter die Qualität leidet. Da steht dann noch Rhein-Neckar Löwen drauf – es ist aber nicht mehr drin“, meinte der scheidende Coach, schob aber nach: „Das ist nicht die Ausrede für alles. Die Kombination hat’s gemacht.“ Auch Schwalb wusste, dass es die Verbliebenen eigentlich besser können. Doch die wirkten gehemmt, ohne Selbstvertrauen, waren wie Lukas Nilsson angeschlagen oder kamen in improvisierten Formationen in der Defensive oder im Angriff nie zurecht.
„Da fehlen dann auch die Automatismen“, sagte Schwalb. Und Gärtner führte im Nachgang das Kreisspiel an, wo im Sieben gegen Sechs sogar Mait Patrail einspringen musste. „Das spielen wir dann mit ihm und Ymir Gislason, der im Angriff bislang kein Faktor war. Das merkt man auch. Daran müssen wir arbeiten“, sagte Gärtner, der auf die Saisonziele Final Four in eigener Halle und die Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb verwies.
Hoffnung auf Rückkehrer
„Wir müssen das über die Ziellinie kriegen, jetzt Kräfte sammeln und gegen Erlangen einfach ein besseres Spiel machen“, gab der künftige Chef die ersten Durchhalteparolen aus und hofft auf die Rückkehr weiterer Optionen. Bis zum Final Four am 22./23. Mai stehen hier Romain Lagarde, Ilija Abutovic, Jesper Nielsen und sogar Mikael Appelgren auf der Liste – aber alle mit einem dicken Fragezeichen versehen.
Auch deshalb wird sich das aktuell letzte Aufgebot der Badener gehörig steigern und an Plan C arbeiten müssen, um einen weiteren Absturz zu verhindern, der weitere Fragen aufwerfen würde. Die Derby-Niederlage legte jedenfalls schonungslos offen, wie es um die Rhein-Neckar Löwen im Mai 2021 bestellt ist. „Das ist eine sehr prekäre Lage“, legte auch Schmid den Finger nochmals in die Wunde: „Alles, was zum Erfolg führen kann, lassen wir vermissen. Das muss man ganz ehrlich so sagen – und das ist ganz schön bitter.“
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