Handball - Die Rhein-Neckar Löwen sind nach dem Offenbarungseid in Nürnberg auf dem besten Weg zur schlechtesten Saison seit dem Aufstieg 2005

Alarmierender Absturz: Rhein-Neckar Löwen historisch schlecht

Von 
Marc Stevermüer
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Am sechsfachen Torschützen Uwe Gensheimer lag es nicht, dass die Löwen beim HC Erlangen untergingen. An allen anderen schon. © Binder

Nürnberg. Draußen war es frostig - und auch die Stimmung in der Nürnberger Arena unterkühlt. Zumindest bei den Rhein-Neckar Löwen, die am Mittwochabend in der Handball-Bundesliga ja nicht nur beim HC Erlangen verloren. Denn wenn es „lediglich“ das gewesen wäre, hätte man fast noch damit leben können - was übrigens auch schon etwas aussagt. Doch zum Abschluss einer an Tiefpunkten ohnehin schon nicht gerade armen Hinrunde, in der noch das Nachholspiel gegen die Füchse Berlin fehlt, ließ der einst stolze zweifache deutsche Meister noch einen Offenbarungseid folgen: Mit 26:36 (14:18) unterlagen die Löwen, die nicht deshalb chancenlos waren, weil der HCE sie mit spielerischer Eleganz vorführte, sondern weil die Badener selbst zusammenklappten wie ein angeknackster Liegestuhl. Was die peinliche Vorstellung nur noch schlimmer machte.

„So geht es nicht“

„Ich habe keine Erklärung, wir haben hier komplett die Kontrolle verloren“, versuchte Trainer Klaus Gärtner zwar, den kollektiven Zusammenbruch irgendwie zu analysieren oder zu erläutern. Doch ihm fehlten schlichtweg die Worte für das zuvor Gesehene: „Diese Leistung ist inakzeptabel. Ich kann mich nur bei allen Fans entschuldigen, die sich das anschauen mussten. Wie wir uns präsentiert haben, das ist eine Riesenenttäuschung. Sich so gehen zu lassen, das ist schwierig, so geht es nicht.“ Übrigens: Mit mindestens zehn Toren Differenz verloren die Löwen bis zur Schmach von Nürnberg in den vergangenen zehn Jahren über alle Wettbewerbe gesehen nur fünfmal: Einmal in der Champions League, als die zweite Mannschaft im polnischen Kielce antrat, sowie gegen die Spitzenteams SG Flensburg-Handewitt, HSV Hamburg und THW Kiel in Liga und Pokal. Doch eine Topmannschaft, das ist der HC Erlangen keinesfalls. Die Löwen allerdings auch nicht mehr.

Niedergang in Zahlen

Höchste Niederlagen seit 2011

28. November 2012: Löwen – Kiel 17:28 (Bundesliga).

14. Dezember 2013: Hamburg – Löwen 38:25 (Bundesliga).

23. Dezember 2015: Kiel – Löwen 31:20 (Bundesliga).

8. April 2017: Löwen – Flensburg 23:33 (Pokal).

24. März 2018: Kielce – Löwen 41:17 (Champions League, Löwen traten mit der zweiten Mannschaft an).

22. Dezember 2021: Erlangen – Löwen 36:26 (Bundesliga).

Punkteschnitt und Plätze seit 2013

Saison 12/13: 1,59 Punkte (3. Platz am Saisonende)

Saison 13/14: 1,74 (2.)

Saison 14/15: 1,75 (2.)

Saison 15/16: 1,75 (1.)

Saison 16/17: 1,79 (1.)

Saison 17/18: 1,62 (2.)

Saison 18/19: 1,47 (4.)

Saison 19/20: 1,31 (5.)

Saison 20/21: 1,32 (5.)

Saison 21/22: 0,86 (12.), 18 Partien noch offen.

Sechs bis sieben Punkte zu wenig

Nach dem beschämenden Untergang im Frankenland stecken die Mannheimer vor dem Rückrunden-Auftakt gegen die TSV Hannover-Burgdorf am Montag (19.05 Uhr) tief im Tabellen-Mittelfeld fest, sieben Punkte beträgt bereits der Rückstand auf den Tabellenfünften HSG Wetzlar, der mit ein paar Millionen Euro weniger arbeiten muss. Die Mittelhessen setzen das wenige Geld aber offenbar sinnvoller ein. Trotzdem können die Löwen in dieser Saison noch für ein Superlativ sorgen - vermutlich werden sie es sogar. Denn längst ist die mieseste Bundesliga-Ausbeute seit dem Aufstieg 2005 keine Drohkulisse mehr, sondern ein sich sehr konkret abzeichnendes Szenario. Schon jetzt sind die Badener historisch schlecht - und das finale Fiasko lässt sich nur noch verhindern, wenn am Ende mehr als die 38 Zähler aus der Saison 2005/2006 herausspringen. Sprich: Die Mannheimer müssten in den 18 ausstehenden Partien noch 25 Punkte und somit 1,39 Zähler im Schnitt holen. Doch wer glaubt daran? Momentan sind es magere 0,86.

„Wir haben sechs bis sieben Punkte zu wenig und uns diesen Umstand selbst zuzuschreiben“, sagte Gärtner und dachte dabei an die in letzter Sekunde verschenkten Zähler beim Bergischen HC, in Melsungen, gegen Leipzig oder an die „Spiele, die wir holen müssen“. Zum Beispiel beim Abstiegskandidaten Stuttgart.

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Realitätsferne Träumereien

Andererseits betonte der Trainer schon vor dem ersten Spieltag konsequent, dass man mit einer ehrlichen und kritischen Selbsteinschätzung an die Saison herangehen müsse. Er widersprach damit indirekt Träumereien von Rang drei, die etwa Sportkoordinator Oliver Roggisch („Wir tun Klaus Gärtner auch keinen Gefallen, wenn wir jetzt von ihm verlangen, im Sommer 2022 vor Kiel oder Flensburg oder sogar vor beiden zu stehen. Das ist nicht realistisch. Platz drei aber schon. Und zwar mit weniger Rückstand auf die Spitze.“ Interview mit dieser Redaktion im Mai 2021) sowie der Aufsichtsratsvorsitzende Lars Lamadé („In der Bundesliga müssen wir jetzt ein Zeichen setzen. Der Anspruch ist und bleibt: Top drei.“ Aussage am 30. September 2021 in den Badischen Neuesten Nachrichten nach dem Europapokal-Aus) formulierten. Beide ignorierten das große Kader-Durcheinander, das Gärtner die Arbeit jetzt ebenso erschwert wie seine zweite Aufgabe neben dem Trainerjob: Krisenmanager.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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