Mannheim. Alles beginnt vor fast genau 16 Jahren mit einer Roten Karte. Im September 2007 spielen die Rhein-Neckar Löwen in der Handball-Bundesliga beim HSV Hamburg und liegen zehn Sekunden vor dem Abpfiff mit 27:28 zurück, als die Mannheimer einen Siebenmeter zugesprochen bekommen. In diesem Augenblick wendet sich der damalige Trainer Iouri Chevtsov an einen gewissen Patrick Groetzki und gibt dem damals 18-Jährigen einen Auftrag mit auf den Weg, an den sich der Rechtsaußen noch sehr gut erinnert.
Profi-Karriere von Groetzki beginnt mit einer roten Karte
„Iouri sagte: ,Wenn wir das Tor machen, verhinderst du das Hamburger Anspiel.’ Mariusz Jurasik verwandelte damals den Strafwurf, ich befolgte Iouris Anweisung und bekam dafür die Rote Karte. So ist eben die Regel, aber Hamburg konnte nicht mehr angreifen, wir hatten einen Punkt sicher und der Trainer war zufrieden“, wirft Groetzki einen pragmatischen Blick zurück auf sein Bundesliga-Debüt, wenngleich er zugibt: „Für die Mannschaft war es zwar gut, was ich gemacht habe. Aber für mich persönlich war es schon sehr bitter, im ersten Spiel eine Rote Karte zu bekommen.“
Für die Mannschaft war es zwar gut, was ich gemacht habe. Aber für mich persönlich war es schon sehr bitter, im ersten Spiel eine Rote Karte zu bekommen.
Bis zum heutigen Tag ist es übrigens seine einzige Hinausstellung. Damals lässt sich zweifelsohne noch nicht absehen, welch großartige Karriere der gebürtige Pforzheimer anschließend hinlegt. Er wird nach nur einjähriger Anlaufzeit Stammspieler und Leistungsträger bei den Löwen, schafft schon 2009 den Sprung in die deutsche Nationalmannschaft, wird später Kapitän und Rekordspieler des Vereins, dem er in all den Jahren die Treue hält.
Groetzki bestreitet am Samstag sein 500. Handball-Spiel
Am Samstag (19 Uhr/live bei Dyn) in der Partie beim Bergischen HC bestreitet der Rechtsaußen sein 500. Bundesligaspiel für die Mannheimer. Fünfhundert! Was für eine Marke. Was für ein Meilenstein. Mehr Identifikation geht nicht. Oder anders ausgedrückt: Der Name Groetzki geht längst als Synonym für Treue und Loyalität durch.
Allerdings ist sein Verbleib in all den Jahren nicht immer selbstverständlich. Denn für Groetzki gibt es immer mal wieder Angebote von anderen Vereinen. Auch aus dem Ausland. Doch am Ende entscheidet er sich stets für einen Verbleib. Weil das Gesamtpaket stimmt, zu dem ausdrücklich das Privatleben gehört.
„Manch einer meiner Mitspieler muss ins Flugzeug steigen und einen großen Aufwand betreiben, um seine Familie zu treffen. Das muss ich nicht“, sagt der bodenständige Groetzki. Seine Eltern wohnen immer noch in Birkenfeld bei Pforzheim. Ein kurzer oder gar spontaner Besuch? Alles kein Problem!
Sein Papa Christoph ist es auch, der vor vielen Jahren den ersten Vertrag seines Sohnes Patrick bei den Löwen unterschreibt. Der Junior ist noch nicht volljährig, Vater und Sohn kommen damals gemeinsam in die Geschäftsstelle in Östringen, die es längst nicht mehr gibt. Für Groetzki geht in diesem Augenblick zwar ein Traum in Erfüllung, gleichzeitig denkt er aber nicht zwingend an die große Profikarriere.
Bodenständigkeit und Treue
Der talentierte Handballer will erst einmal nur sehen, ob seine Qualitäten wirklich ausreichen und wie weit es für ihn gehen kann. Dass es für ihn fast keine Grenze gibt, zeigt sich danach allerdings recht schnell.
Beim Trainingsauftakt im Juli 2007 steht der Rechtsaußen aber erst einmal im Schatten der Stars. Christian Schwarzer, Oliver Roggisch und Henning Fritz verstärken den Verein. Sie sind die WM-Helden, die wenige Monate zuvor Gold gewannen und fortan die Löwen nach oben führen sollen. Fast alles dreht sich um sie. Groetzki kennt die Mitspieler bis dahin nur aus dem Fernsehen. Doch nun sitzt er mit ihnen in einer Kabine. Der junge Rechtsaußen schaut zu ihnen auf.
16 Jahre später ist es genau dieser Groetzki, der bewundert wird. Weil das einstige Talent hart gearbeitet und viel aus sich gemacht hat, ja sogar zu einem Idol mit einer extremen Besonderheit reifte. Denn als einziger Spieler ist er an sämtlichen bisherigen Titelgewinnen des Vereins beteiligt.
Groetzki mittlerweile ein Star der Rhein-Neckar Löwen
Mit dem Sieg im EHF-Pokal beginnt 2013 die Erfolgsgeschichte. Es folgen zwei deutsche Meisterschaften (2016, 2017), zwei DHB-Pokalsiege (2018, 2023) und drei Supercuptriumphe (2016, 2017, 2018). Allein deshalb gehört Groetzki schon zu den größten Spielern des Vereins. Doch das Wirken dieses Profis geht weit über die reine Trophäensammlung hinaus. Weil er den Club in all den Jahren als Persönlichkeit prägt und entwickelt. Was ihn schon jetzt zu einer Legende macht.
Als er bei den Löwen vor einem Jahr von den Mannschaftskollegen zum Kapitän gewählt wird, erfüllt ihn das mit Stolz. Dem Amt an sich misst er allerdings keine allzu große Bedeutung bei, weil Groetzki seine Meinung auch zuvor immer geäußert hat. Er braucht dafür keinen Extra-Status, sondern spricht Dinge an. Und zwar ohne ein „Mega-Lautsprecher“ zu sein, wie er betont. Was einerseits stimmt und er andererseits auch nicht sein muss.
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Seit einem Jahr Kapitän bei den Rhein-Neckar Löwen
Es gibt ein Sprichwort in den USA, demzufolge der Lauteste in einem Zimmer der Schwächste ist. Groetzki scheint das zu beherzigen. Ihm geht es nicht darum, sich polternd Gehör zu verschaffen, sondern im richtigen Augenblick das Richtige zu sagen. Mal ganz abgesehen davon, dass der Löwen-Kapitän ohnehin als eine natürliche Autoritätsperson durchgeht, die noch dazu mit einem guten Gespür ausgestattet ist.
Der 34-Jährige gilt als eine Art Seismograph. Er merkt schnell, wie es seinen Mitspielern geht, hat ein offenes Ohr, steht mit Rat und Tat zur Seite. Das bewundern sie bei den Löwen – und im deutschen Nationalteam, für das er bislang an sieben Weltmeisterschaften teilgenommen hat. Auch das ist ein Rekord. Allerdings einer, den er ebenfalls nicht überbewerten will. Was typisch für Groetzki ist. Er definiert sich über die Mannschaft. Und seit einigen Jahren vor allem über seine Familie.
Einige sind mit 25 Jahren in ihrer Persönlichkeit weiter. Bei mir hat es ein bisschen länger gedauert, bis ich meine Mitte gefunden habe.
Er sei zuletzt noch einmal als Persönlichkeit gereift, sagt der 34-Jährige. Wozu zweifelsohne seine Frau Jenny und die gemeinsamen drei kleinen Kinder beigetragen haben. „Einige sind mit 25 Jahren in ihrer Persönlichkeit weiter. Bei mir hat es ein bisschen länger gedauert, bis ich meine Mitte gefunden habe“, meint Groetzki und betont, dass seine Familie den „Blickwinkel auf die Sache“ – also den Handball – verändert habe: „Ich bin so viel mit den Kindern beschäftigt, dass ich mir kaum Gedanken über Handball machen kann.“
Groetzki zeigt seit langer Zeit konstante Leistungen
Die Folge: Der Linkshänder fühlt sich frei von Druck und Erwartungshaltungen, von der Last, irgendjemandem noch irgendetwas beweisen zu müssen. Er macht sein Ding und zeigt seit langer Zeit konstant überragende Leistungen.
Die vergangene Saison beendet der Löwen-Kapitän mit 139 Toren und einer Trefferquote von 76 Prozent. Es verwundert daher kaum, dass ihn Nationalmannschaftskollege Rune Dahmke bei der WM im Januar als „Nähmaschine“ bezeichnet, weil Groetzki so zuverlässig funktioniere. Daran ändert sich seitdem nichts. Ach nee, doch. Er wurde noch besser. Seine Bilanz in dieser Spielzeit: 20 Treffer in drei Partien, eine Trefferquote von 91 Prozent. Das ist Weltklasse!
Ehrgeiz von Groetzki ist ungebrochen
Groetzki spielt und spielt und spielt. Und er trifft und trifft und trifft. Erledigt seinen Job. Auf dem Feld. Neben dem Feld. Als Anführer. Als Ansprechpartner. Nach der Verletzung von Uwe Gensheimer ist er momentan sogar der Älteste im Löwen-Team, auch wenn ihm das erst beim Blick in die Kabine bewusst werde, wie der Kapitän sagt. „Dann sehe ich, was los ist.“
Tief in seinem Innersten wird der Vernunftmensch Groetzki wissen, dass er gewiss noch nicht alles mitgemacht, die meisten Spiele in seiner Karriere aber schon bestritten hat. Längst befindet er sich im letzten Abschnitt seiner Laufbahn. Vielleicht sogar im Genießermodus, auch wenn der Ehrgeiz ungebrochen ist.
Sein Vertrag bei den Löwen endet 2026. Bis dahin kann er noch viel erleben. Oder auch gewinnen. Nur eine Rote Karte wird vermutlich nicht mehr dazukommen.
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