Berlin. Seit bald 16 Jahren steht Angela Merkel an der Spitze der Bundesregierung. Die vier Legislaturperioden – drei davon mit der SPD und eine mit der FDP als Koalitionspartner der Union – waren geprägt von vielen Krisen – auch europäischen. Es gab aber auch wichtige Weichenstellungen. Einige Beispiele:
Klima/Energie/Umwelt
Im Jahr 2007 wird die ehemalige Umweltministerin zur „Klimakanzlerin“. Deutschland hat damals den Vorsitz der G8-Staaten (heute G7) inne, Merkel macht den Klimaschutz zu einem Hauptanliegen. Auf dem Gipfel in Heiligendamm ringt sie US-Präsident George W. Bush einen Kompromiss ab. In Erinnerung geblieben sind die Bilder von ihr und Umweltminister Sigmar Gabriel mit roten Jacken vor schmelzendem Eis in Grönland kurz nach dem Gipfel.
Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima am 11. März 2011 vollzieht Merkel eine Kurswende in der Atompolitik. Zuvor hatte ihre Regierung noch eine Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke durchgesetzt. Bereits drei Tage nach der Katastrophe in Japan beschließt das Kabinett den schrittweisen Ausstieg aus der Nutzung der Kernkraft. Ende 2022 soll das letzte deutsche Atomkraftwerk vom Netz gehen. Auch aus der Kohleverstromung steigt Deutschland bis 2038 aus. Auf ihrer letzten Sommerpressekonferenz räumt Merkel ein, es sei in Deutschland und vielen Ländern der Welt „nicht ausreichend viel passiert“, um die Erderwärmung auf möglichst nah an 1,5 Grad zu begrenzen.
Flüchtlingskrise
Als im Jahr 2015 Hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland kommen, zeigt Merkel Mitgefühl. Ihr Satz „Wir schaffen das“ war Ausdruck dessen. Mit ihrer Willkommenspolitik macht sich die Kanzlerin aber auch viele Feinde. „Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land“, sagt Merkel. Ihr Kurs bringt zugleich der bis dahin als euroskeptisch aufgetretenen Alternative für Deutschland (AfD) massiven Zulauf und das Verhältnis zur Schwesterpartei CSU fast zum Bruch. Erst Merkels Nachfolgerin im Parteivorsitz, Annegret Kramp-Karrenbauer, kann die Risse wieder kitten.
Finanzkrise/Eurokrise
Die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers löst im Herbst 2008 eine weltweite Finanzkrise aus, auch in Deutschland bekamen Kreditinstitute Probleme. Die Hypo Real Estate wird verstaatlicht, der Staat beteiligt sich zudem an der Commerzbank.
Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück versichern, die Spareinlagen seien sicher. Merkel bemüht in dem Zusammenhang das Bild einer schwäbischen Hausfrau, die wisse, dass man nicht über seine Verhältnisse leben könne. Bald wird aus der Finanzkrise auch eine Krise des Euro, der südeuropäische Länder, insbesondere Griechenland, in Schwierigkeiten bringt. Mit stringenten Sparforderungen und neuen Regelungen halten die Kanzlerin und die EU dagegen. „Scheitert der Euro, scheitert Europa“, warnt Merkel. In der Phase gründet sich die Alternative für Deutschland (AfD), damals vor allem als Anti-Euro-Partei. 2020 kommt es noch einmal zu einem Kurswechsel Merkels.
Zur Finanzierung der immensen Lasten zur Bewältigung der Corona-Pandemie erklärt sich Merkel bereit, im großen Stil europäische Schulden zu akzeptieren. Eine Revolution für die deutsche Kanzlerin, die in der Eurokrise strikt gegen eine Schulden- und Transferunion Kurs gehalten hatte.
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