Schriesheim. Viele Kommunen befinden sich derzeit in Etatberatungen. Die Rahmenbedingungen sind schwierig genug. Für Ladenburg, Hirschberg, Dossenheim und Wilhelmsfeld grätscht nun auch noch eine unangenehme Vorweihnachtsüberraschung dazwischen: Diese Kommunen sollen für die Sanierung des Kurpfalz-Bildungszentrums in Schriesheim bezahlen - insgesamt ein sechs- bis siebenstelliger Betrag. Die Stadt Schriesheim ist rechtlich jedoch gezwungen, so vorzugehen.
Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg mit weitreichender Bedeutung
Das Ganze folgt nämlich aus einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg in Mannheim vom 6. Dezember 2022. Obwohl also fast genau zwei Jahre alt, ist es in der Öffentlichkeit kaum bekannt - erst recht nicht in seiner weitreichenden Bedeutung für die interkommunale Zusammenarbeit und die kommunalen Haushalte.
Das Urteil kam zustande, weil die Stadt Geislingen vor Gericht ging, um eine Beteiligung ihrer Umlandgemeinden an der Sanierung ihrer Realschule zu erreichen. Dieses Ansinnen erachtete der Verwaltungsgerichtshof als gerechtfertigt. Neu an seinem Urteil war zweierlei: Zum einen, dass die Pflicht zur Mitfinanzierung nicht nur bei Neubauten, sondern auch für Sanierungen gilt. Und dass diese Pflicht nicht erst ab einem Auswärtigen-Schüleranteil von 50, sondern bereits ab 30 Prozent greift.
Schulzentrum in Schriesheim: 51,5 Prozent der Schüler kommen aus dem Umland
Und da kommt Schriesheim gleich in zweifacher Weise ins Spiel. Seit fünf Jahren wird sein Kurpfalz-Bildungszentrum nämlich aufwendig saniert. Die Gesamtkosten betragen 21,5 Millionen Euro. Nach Abzug der Zuschüsse in Höhe von 9,4 Millionen bleiben an der Stadt selbst also rund zwölf Millionen Euro hängen.
Doch die Schriesheimer machen lediglich 48,5 Prozent der Schüler im Schulzentrum aus. 51,5 Prozent kommen von außerhalb. An der Spitze stehen die Hirschberger mit fast 22 Prozent, die Dossenheimer mit rund 21 Prozent, die Wilhelmsfelder mit 4,3 und die Ladenburger mit etwas mehr als einem Prozent.
Ihre Heimatgemeinden sind nun gezwungen zu zahlen. „Es steht nicht im Ermessen der Stadt, eine Kostenbeteiligung anzustreben und durchzusetzen oder es zu lassen“, heißt es in der Verwaltungsvorlage für die Ratssitzung vom vergangenen Mittwoch: „Sie ist haushaltsrechtlich gehalten, die Kostenbeteiligung zu verfolgen. Bei der Ausgestaltung hat sie nur begrenzte Spielräume. Sie kann nicht zuwarten.“
Die Berechnung folgt strengen Vorgaben und ist auch sonst kompliziert. So werden Gemeinden, die zur Gesamtschülerzahl weniger als ein Prozent beitragen, nicht herangezogen; ihren Anteil trägt Schriesheim. In Rechnung gestellt werden dürfen auch nur Investitionen für den reinen Schulbetrieb, also nicht für Musikschule und Stadtbibliothek, die sich ebenfalls im Schulzentrum befinden. Abgezogen werden zudem fünf Prozent „Standortvorteil“; er ist vorgesehen, weil ein Bildungszentrum mit weiterführenden Schularten ja auch einen Standortvorteil für eine Wohngemeinde darstellt.
Bleiben also 92,21 Prozent der zwölf Millionen Euro Sanierungskosten, die auf die Umlandgemeinden umgelegt werden können. Im Falle von Hirschberg also zu exakt 21,69 Prozent. Man kann sich leicht ausrechnen, was das für diese kleine Gemeinde bedeuten kann.
Anfallende Rechnungen innerhalb von acht Wochen zu zahlen
Und das auch nicht irgendwann. Die Verwaltungsvorlage vom Mittwoch macht klar, dass „die Beteiligung sofort oder jedenfalls zeitnah anzustreben“ ist. Konkret sieht die Stadt vor, dass Kosten für bereits erledigte Arbeiten im Schulzentrum „binnen eines Zeitraums von sechs Monaten zu erstatten“ sind, künftig anfallende Kosten sogar „innerhalb von acht Wochen“. Mit Kulanz dürfen die Umlandgemeinden nicht rechnen: „Eine zeitliche Streckung ist nicht geboten und im Ergebnis auch nicht zulässig“, sagt die Vorlage. Ach ja: Sollten sich die Umlandgemeinden weigern, dann folgt als letztes Mittel „die sogenannte Zwangsphase, in der die Rechtsaufsichtsbehörde eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung verbindlich festzusetzen hätte.“
„Ein nicht ganz angenehmes Thema beim Blick auf interkommunale Zusammenarbeit“, bekennt Schriesheims Bürgermeister Christoph Oeldorf in der Ratssitzung am Mittwochabend. Gerade, wenn im Nachhinein hohe Summen zu entrichten sind. Aber durch das Gerichtsurteil sei man eben dazu gezwungen.
Für Verhandlungen mit den Umlandgemeinden gab der Rat am Mittwoch einstimmig grünes Licht. Einigen war jedoch nicht völlig wohl dabei: „Das Thema birgt doch gewissen interkommunalen Sprengstoff“, bekennt der Grüne Bernd Molitor. Zudem sei Manches noch unklar: Betrifft die Erstattung auch die Container, die nicht aus dem Vermögens- (also dem Investitions-)Haushalt beschafft wurden, sondern über den laufenden Verwaltungshaushalt?
„Durchaus positiv“ findet dagegen Bernd Hegmann die neue Lage. Allerdings verweist der Freie Wähler darauf, dass nun auch Ladenburg entsprechende Forderungen für seine Merian-Realschule stellen kann. „Von der Sanierung profitieren alle Kinder aus allen Gemeinden“, betont Patrick Schmidt-Kühnle (SPD), auch als Gesamtelternbeirats-Vorsitzender, „insofern ist es berechtigt, dass die Kosten geteilt werden.“ Die Bürgermeister der Nachbargemeinden „wissen, was auf sie zukommt“, meint Wolfgang Renkenberger. Und so ist der FDP-Mann sicher, dass es mit ihnen „nicht allzu blutig wird“.
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