Christoph Oeldorf beschert seinem Vater Werner, dem langjährigen Rathaus-Chef in Hirschberg, das wohl schönste Geschenk zu seinem 75. Geburtstag: Der Sohn gewinnt die Bürgermeisterwahl in Schriesheim, und das bereits in der ersten Runde mit mehr als 56 Prozent völlig eindeutig. Seine wichtigste Mitbewerberin, Grünen-Stadträtin Fadime Tuncer, erreicht 42 Prozent. Die beiden anderen, Helmut Oelschläger und Samuel Speitelsbach, landen abgeschlagen, spielen keine Rolle.
Sonntag, kurz vor 18 Uhr. Normalerweise steigt aus diesem Anlass eine Wahlparty im Rathaus. Corona macht das natürlich unmöglich. Dennoch erhalten die Bürger die Gelegenheit, den Eingang der Stimmbezirksergebnisse live zu verfolgen, nur eben draußen. Zwei große Bildschirme werden an die Fenster des Bürgerbüros geschoben, so dass sie vom Festplatz aus sichtbar sind.
Eine Minute vor 18 Uhr öffnet eine Mitarbeiterin der Stadt ein letztes Mal den Rathaus-Briefkasten: sechs rote Couverte, die letzten Briefwahlen dieses Tages. Jetzt kann die Auszählung beginnen.
„Hochrechnung“ aus Ursenbach
Bei Bundestags- und Landtagswahlen gibt es mit Schließung der Wahllokale im Fernsehen eine Prognose. Hier natürlich nicht. Die erste Hochrechnung für Schriesheimer Wahlen bildet traditionell das Ergebnis aus Ursenbach. Punkt 18.08 Uhr trifft es ein: 70 Prozent für Oeldorf, 26 für Tuncer. Ursenbach ist zwar klein, aber das Ergebnis zu eindeutig. Und so wird Oeldorf die Führung den Abend über nicht mehr abgeben.
Inzwischen steigt die Zahl der Interessierten vor dem Rathaus. Auch Landtagsabgeordneter Uli Sckerl ist vor Ort. Wenig erfreut registriert der Grünen-Politiker, wie ein Wahlbezirk nach dem anderen den Vorsprung Oeldorfs vergrößert. Und das nicht nur mit Stimmen aus dem Wahllokal in der Strahlenberger Schule in der Altstadt, die schon immer eher konservativ ausfallen, sondern auch aus dem „Ludwigstal“, in dem die Bürger aus den Häusern unterhalb der Burg wählen.
Um 18.28 Uhr sind zehn von 19 Stimmbezirken ausgezählt. Und es steht wie betoniert 55 zu 43 für Oeldorf. Auch um 18.33 Uhr, als 15 von 19 fertig sind, hat sich daran nichts geändert, nur die absoluten Zahlen steigen: Der Unterschied zwischen beiden beträgt schon 500 Stimmen.
Am Ende werden die Briefwahlstimmen ausgezählt. Fast eine Stunde quälenden Wartens vor Ort. Und der Spekulationen: Wem nutzt die Briefwahl? „Bei Kommunalwahlen kommt dies eher der CDU zu Gute“, weiß ein ehemaliger Stadtrat. Und wenn nicht: Hat Tuncer noch eine Chance, das Blatt zu wenden?
Christoph Oeldorf ist bereits seit geraumer Zeit auf dem Platz, umringt von seinen Unterstützern, traut dem Frieden aber noch nicht recht, wehrt deren frühzeitige Gratulationen ab. Auch Fadime Tuncer kommt aus der Weinscheuer Majer herüber.
Um 19.22 Uhr ist es dann so weit: Auf der Treppe des Neuen Rathauses platziert Stadt-Sprecherin Larissa Wagner einen Mikrofonständer. „Fast wie nach einer Papstwahl“, feixt ein journalistischer Kollege. „Fehlt nur noch der Rauch“, ergänzt ein anderer. Es ist an CDU-Fraktionschef Michael Mittelstädt, Vertreter des noch immer in Quarantäne befindlichen Bürgermeisters Hansjörg Höfer, das vorläufige amtliche Endergebnis zu verkünden.
„Es war ein zu großen Teilen fairer Wahlkampf“, formuliert Mittelstädt vieldeutig, bevor er dessen Ergebnis offiziell verkündet: „Christoph Oeldorf: 56,27 Prozent“. Unter den mittlerweile zahlreichen Besuchern auf dem Festplatz brandet lauter Beifall auf. Sogar einzelne „Wunderbar!“-Rufe sind zu hören. „Damit haben wir einen Kandidaten, der mit absoluter Mehrheit gewählt ist“, fügt er hinzu. Und nochmals Beifall.
„Ein Klos fällt von mir ab“
Mittelstädt bietet beiden Kandidaten an, das Wort zu ergreifen, nur Oeldorf macht davon Gebrauch. „Guten Abend“, sagt er fast ein wenig verlegen und dankt den Anwesenden für ihre „Anteilnahme“. Ungeachtet dieser seltsamen Wortwahl ist bei ihm und seinen Anhängern von Trauer natürlich nichts zu spüren: „Ein Klos fällt von mir ab“, sagt er.
Und es folgen jene Sätze, die zu allen Zeiten und an allen Orten von Wahlsiegern gesprochen werden: Dass er Schriesheim „gemeinsam mit allen“ gestalten wolle. „Doch jetzt lassen wir es erst einmal krachen“, sagt der 43-Jährige, der in Schriesheim für seine Fähigkeit, an Mathaisemarkt zu feiern, bekannt ist. Der Ort dafür, das Gästehaus Hauser, liegt ja direkt am Festplatz.
Doch zuerst gibt es kein Halten mehr, der Reigen der Gratulationen beginnt. Die Freiwillige Feuerwehr unter ihrem Kommandanten Oliver Scherer ist in Uniform angetreten, um ihrem künftigen Dienstherrn ihre Referenz zu erweisen. Nun kann Oeldorf wirklich sicher sein: Er ist es – Bürgermeister von Schriesheim.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Eindeutiges Wahlergebnis in Schriesheim!