Kommentar Zur Bedeutung des Namibia-Abends: Es ist Zeit für ein Zeichen

In Rheinau-Süd sind vier Straßen nach deutschen Kolonialverbrechern benannt - noch. Sie sollen umbenannt werden. Das findet Reporter Konstantin Groß richtig. Aber es geht ihm noch nicht weit genug

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Konstantin Groß
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Die Umbenennung der nach Kolonialverbrechern benannten Straßen in Rheinau-Süd bewegt die Menschen vor Ort, aber nicht nur dort. Viel ist bei den Anwohnern, die sich als „Betroffene“ begreifen, die Rede von Änderungen in Ausweisen und auf Visitenkarten, von der Notwendigkeit leicht schreib- und aussprechbarer neuer Namen, von eigenen Emotionen und Traditionen. Die historisch wirklich Betroffenen jedoch, also die Nachfahren der von besagten Kolonialverbrechern Unterdrückten und Ermordeten, die spielen bislang kaum eine Rolle.

Insofern war die jetzige Veranstaltung wertvoll. Sachlich und doch engagiert warb sie für ihr Anliegen: bei der Neubenennung diese wirklich Betroffenen nicht zu vergessen. Schade nur, dass augenscheinlich gerade jene fehlten, die nach wie vor die Notwendigkeit der Umbenennung nicht erkennen mögen oder können.

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Zumal der Prozess der Neubenennung ins Stocken gerät. Von der für Ende 2023 versprochenen Bürgerabstimmung über die neuen Namen ist wenig zu hören. Weder Stadtverwaltung noch Gemeinderat scheinen vor der Kommunalwahl im Sommer 2024 Lust zu haben auf dieses Thema – auch, ja gerade die Vorkämpfer für die Umbenennung: weder SPD und Grüne, dank ihrer Bundes-Ampel ohnehin im Sinkflug, noch Linke, deren Bundespartei sich gerade selbst zerlegt. Für die CDU war das alles ohnehin nie ein Herzensthema und ihr Ja zur Umbenennung in ihrer Klientel mehrheitlich ungeliebt; auch sie will sich die Chancen, die sie dank vieler netter Namen auf ihrer Liste zu haben glaubt, nicht vermiesen. Im Höhenflug dagegen die AfD. Und was die von der Sache hält, ist ja wohl klar. Eher unwahrscheinlich also, dass es auch nach der Wahl 2024 im Rat noch eine Mehrheit für neue Straßennamen mit antikolonialistischer Botschaft geben wird.

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Insofern ist der zuständige Dezernent Ralf Eisenhauer (SPD) gefordert, sich jetzt zu rühren. Nötig wäre auch ein Wort der christlichen Kirchen, sowohl vor Ort als auch auf Stadtebene. Auch sie tragen Verantwortung: Wie in Lateinamerika, so waren auch in Afrika Gewehr und Peitsche stets von Kreuz und Bibel begleitet. Ein Wort der Mannheimer Kirchen in der jetzigen Debatte hätte großes Gewicht – gerade im Milieu der Umbenennungsskeptiker.

Der jetzige Abend hat gezeigt: Bei den neuen Namen geht es um Prinzipielles: Sind wir bereit, bei der Neubenennung ein Zeichen zu setzen, ein antikoloniales, ein menschliches. Es ist Zeit dafür.

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