Schwerpunktkontrolle

Wie die Stadt Mannheim jetzt gegen unzulässige Wahlplakate vorgeht

Sie sind in der Stadt nicht zu übersehen: Wahlplakate. Der Mannheimer Ordnungsdienst am Dienstag in der Innenstadt kontrolliert, ob sie an der richtigen Stelle hängen. Welche Verstöße es gab

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Steffen Mack
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Yakub Butt und Akram Kronauer kontrollieren in der Kunststraße Wahlplakate, die unzulässigerweise auf der rechten Seite in Fahrtrichtung hängen. © Christoph Blüthner

Mannheim. Ein illegal aufgehängtes Plakat hat Volker Proffen eigenhändig entfernt. Eines seiner CDU. „Das war eine Art Amtshilfe“, erzählt er dem „MM“. Seine Partei habe ihn gebeten, ob er das für sie in seiner Straße übernehmen könne. Er konnte. An diesem sehr sonnigen Dienstagmittag hat Proffen keinen Zwicker dabei.

Seine vier Kollegen vom Ordnungsdienst - Harald Born sowie die Uniformierten Markus Dietz, Akram Kronauer und Jakub Butt - auch nicht. Sie machen nur, was sie auch sonst tun: an unzulässigen Stellen hängende Plakate fotografieren. Dann werden die Verantwortlichen angeschrieben und bekommen 24 Stunden Zeit, jene Wahlwerbung zu entfernen. Andernfalls droht ihnen ein kostenpflichtiges Entfernen durch den Stadtraumservice. In der Theorie zumindest, aber dazu später mehr.

Verstöße werden dokumentiert und die Verantwortlichen benachrichtigt. © Christoph Blüthner

Proffen begrüßt auf dem Paradeplatz eine Medienschar zur Schwerpunktkontrolle. Er sei in seiner Mittagspause hier, „um mir persönlich ein Bild zu machen“. Es handle sich ja um ein Thema, das viele Menschen umtreibe. Allerdings seien Wahlplakate auch wichtig für die Demokratie und in Teilen der Welt nicht selbstverständlich. Selbst hier „hat man früher Menschen geköpft, wenn sie Flyer verteilt haben“. Das stimmt bestimmt, aber zu jener Zeit war das Wort „Flyer“ in Deutschland vermutlich weniger geläufig.

Dann geht es los, auf Journalistenwunsch direkt in die Kunststraße. Beim Einbiegen vor dem Stadthaus fällt gleich ein CDU-Plakat auf, das verdächtig nahe an der Kreuzung zur Breiten Straße hängt. Das seien niemals die vorgeschriebenen 15 Meter Mindestabstand, bestätigt Dietz vom Ordnungsdienst. Aber der Großteil der Gruppe ist schon nach links abgebogen. „Da finden wir auch noch mehr als genug“, lacht er.

Die Schwerpunktkontrolle hat sich offenbar vorab herumgesprochen

Er behält Recht. Eigentlich sind in Kunststraße und Fressgasse Plakate nur auf der linken Seite in Fahrtrichtung erlaubt. Aber auch rechts hängen jede Menge. Die ersten sind von der Wählerinitiative „DIE MANNHEIMER“, der FDP und der Linken. Im weiteren Verlauf folgen noch andere Parteien.

Wobei sich die seit Längerem feststehende Schwerpunktkontrolle in der Lokalpolitik augenscheinlich bei einigen rumgesprochen hat. So hingen etwa vergangene Woche auf der rechten Seite in der Fressgasse reichlich Plakate einer CDU-Bewerberin, die jetzt alle weg sind. Dafür prangt an einigen jener Stellen nun ein offensichtlich nicht informierter SPD-Stadtrat.

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Auch prominente Bundespolitiker sieht man an unzulässigen Orten, so Sahra Wagenknecht mit ihrem neuen Bündnis. Und an einer Stichstraße zu den Planken prangt gar der Bundeskanzler, die SPD wirbt mit ihm und Spitzenkandidatin Katarina Barley zur Europawahl.

Allerdings trifft Olaf Scholz da ausnahmsweise keine Schuld. Überhaupt könnten die Abgebildeten in der Regel nichts dafür, wenn die unzähligen ehrenamtlichen Helfer falsch plakatierten, betonen Born und Proffen. Der Ordnungsdezernent, seit vergangenem Sommer im Amt und vorher sehr aktiv in Christian Spechts Oberbürgermeister-Wahlkampf, musste damals selbst einige von den eigenen Leuten aufgehängte Plakate wieder entfernen lassen, wie er bestätigt.

Müssen die Parteien für falsch aufgehängte Plakate zahlen? 

Vor jeder Wahl werden die Parteien allerdings eingehend vom Ordnungsamt über die Regeln informiert. Da gelingt die interne Weitergabe offenbar unterschiedlich gut.

Diesmal sorgte bereits für Ärger, dass schon vor der Sechs-Wochen-Frist einige Plakate hingen. Diese Verstöße bleiben komplett ohne Folgen, wie Born auf Nachfrage einräumt. Denn Bußgelder sieht die städtische Plakatierungsrichtlinie nicht vor. Ende 2020 wurde darin nur die Möglichkeit aufgenommen, vom Stadtraumservice entfernte Plakate in Rechnung zu stellen. Dies geschah bei der Landtagswahl 2021 ganze fünf Mal. Verlangt wurden jeweils 73,20 Euro. Abhängig ist die Summe laut Born vom jeweiligen Aufwand.

Eine Auswertung über Verstöße bei der OB-Wahl liegt noch nicht vor

Anlass für leichte Verschärfungen der Richtlinie war die Kommunalwahl 2019, bei der das Ordnungsamt 2644 Verstöße registrierte. Bei der Landtagswahl im Frühsommer 2021 wurden nur noch 388 erfasst, bei der Bundestagswahl ein halbes Jahr später sogar lediglich 178 Verstöße.

Bei der OB-Wahl vor einem Jahr könnte die Zahl - persönlicher Eindruck - wieder nach oben gegangen sein. Doch eine Auswertung liegt noch nicht vor. Die zuständige Stelle müsse erst wieder besetzt werden, so Stadtsprecherin Désirée Leisner.

Die bisher im laufenden Wahlkampf entdeckten Verstöße schätzt Born auf 50 bis 60. Die zu früh aufgehängten Plakate nicht eingerechnet, die würden gar nicht erfasst.

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Beschädigte Plakate werden vom Ordnungsdienst im Regelfall ebenfalls ignoriert. „Wir gehen davon aus, dass da die Parteien selbst ein Auge drauf haben“, sagt Dietz. Besonderes Augenmerk haben er und seine Kollegen auf die Verkehrssicherheit gefährdende Wahlwerbung, wenn etwa die Sicht auf Schilder verstellt ist oder der Mindestabstand von einem halben Meter zum Fahrbahnrand nicht eingehalten wird.

Die Planken immerhin sind, wie vorgeschrieben, frei von Wahlplakaten. Hier hätten sie auch noch nie welche gesehen, berichten Dietz, Kronauer und Butt. Sie deuten es nur höflich an, aber man merkt schon: In der Mannheimer Innenstadt hat der Ordnungsdienst durchaus noch größere Herausforderungen als an unzulässigen Orten hängende Plakate.

Zum Abschluss geht es noch auf den Marktplatz. Dort sind Plakate ebenfalls verboten, es finden sich jedoch einige am westlichen Rand. Auch die werden fotografiert und später beanstandet. Dann ist die Schwerpunktkontrolle vorbei.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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