Mannheim. Vorschulische Kinderbetreuungsprojekte sind sehr wichtig, keine Frage. Aber nächsten Donnerstag geht es im Hauptausschuss des Mannheimer Gemeinderats nur um Erhalt und Ausbau zweier Angebote, die in Sandhofen sowie auf der Rheinau bereits bestehen. Sonst finden sich auf der Tagesordnung nur Beschlussvorlagen, die mehr oder weniger Formalia sind, keine gewichtigen Themen. Das ist ungewöhnlich.
Auf Anfrage an alle Fraktionen kritisiert die linke Mehrheit, vor der Kommunalwahl am 9. Juni sei das Programm im Gemeinderat deutlich verschlankt. Dabei gebe aus Sicht der SPD nicht wenige „entscheidungsreife bis überfällige“ Projekte, so der Fraktionsvorsitzende Reinhold Götz. Die Grünen sehen das genauso, wie seine Kolleginnen Stefanie Heß und Nina Wellenreuther schreiben. Mehrfach hätten sie erfolglos bei der Verwaltung nachgehakt. Die LI.PAR.Tie hat laut ihrem Chef Dennis Ulas den Eindruck, „dass bestimmte Themen nicht mehr in dieser Wahlperiode behandelt werden sollen“. Auch wenn ihn niemand namentlich nennt, ist klar, auf wen die Kritik abzielt: Oberbürgermeister Christian Specht.
Bürgerlich-konservatives Lager stellt sich geschlossen hinter Specht
Rückendeckung bekommt der Christdemokrat von jenen drei Parteien, für die er kandidiert hat. FDP-Fraktionschefin Birgit Reinemund weist darauf hin, bis zuletzt hätten sie im Gemeinderat auch über Gewichtiges entschieden, etwa Flüchtlingsunterbringung und Stärkung der Wirtschaft über verkaufsoffene Sonntage. Zudem „sind wir als Ehrenamtliche froh“, wenn nicht mehr jede Sitzung gerade des Ausschusses für Umwelt und Technik - für Verkehrs- und Bauprojekte zuständig - fünf bis sechs Stunden dauere.
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Kein neues Phänomen sieht CDU-Fraktionsgeschäftsführer Matthias Sandel. In diesem Frühjahr laufe wieder die interne Haushaltsaufstellung in Ämtern und Fachbereichen. „Wahrscheinlich deshalb kommen in dieser Zeit eher weniger Vorlagen in die Ausschüsse.“ Das sei unter Spechts SPD-Vorgänger Peter Kurz nicht anders gewesen.
Durchschnittliche Dauer ihm Wahljahr-Vergleich diesmal kürzer
Holger Schmid, der Fraktionschef der Mannheimer Liste, argumentiert: Wenige Wochen vor der Kommunalwahl sei doch verständlich, „wenn der Gemeinderat jetzt keine weitreichenden Beschlüsse mehr fasst oder neue Projekte auf den Weg bringt“. Das solle der am 9. Juni neu zu Wählende tun, der in den nächsten fünf Jahre die Verantwortung trage und alles finanzieren müsse.
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Doch ein Vergleich mit vergangenen Kommunalwahlen zeigt, dass es beim ausgedünnten Programm schon Unterschiede gibt. So dauert im Schnitt eine Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Technik seit Jahresbeginn 130 Minuten (siehe Grafik). Bis zu den Wahltagen 2009, 2014 und 2019 waren es durchschnittlich 152 Minuten. Der Hauptausschuss tagt diesmal mit 180 zu 204 Minuten ebenfalls kürzer als im Durchschnitt der drei zurückliegenden Wahljahre. Und am auffälligsten ist das Gefälle beim Gemeinderat mit 98 zu 153 Minuten.
Dazu erklärt Spechts Sprecher, Schwankungen beim Umfang der Tagesordnungen gebe es immer mal wieder. Aktuell arbeite die Stadtverwaltung mit Hochdruck an Vorlagen zu zahlreichen Themen, mit denen sich die gemeinderätlichen Gremien zeitnah befassen würden.
Linke Mehrheit listet zahlreiche noch ausstehende Projekte auf
SPD, Grüne und LI.PAR.Tie haben Bitte des "Mannheimer Morgen" indes konkrete Projekte genannt, die ihrer Ansicht nach entscheidungsreif bis überfällig sind: Neubau der Stadtbibliothek in N 2, Weiterentwicklung Klimaschutzplan, städtischer Vereinsbeauftragter, Masterplan Mobilität, Weiterverfahren mit der Lupinenstraße, Bebauung Collini-Center, Vorlage der Buga-Zwischenbilanz, Nachnutzung Spinelli, Zentrum für Umwelt, Freizeit und Spiel in der U-Halle, in Käfertal geplante Moschee.
Auf manche dieser Punkte geht Spechts Sprecher näher ein. So sei die Anschubfinanzierung des Klimaschutzaktionsplans neu strukturiert und erhöht worden. Zudem habe der Gemeinderat kürzlich („für Mannheim als eine der ersten Städte“) eine kommunale Wärmeplanung beschlossen. Zur Stärkung des ehrenamtlichen Engagements werde gerade ein Maßnahmenpaket erarbeitet und noch vor der Sommerpause vorgelegt. Es beinhalte auch einen Vereinsbeauftragten, so der Rathaussprecher. Bei der Weiternutzung von Spinelli habe die Verwaltung ja beim Regierungspräsidium eine gute Lösung erreicht. An einem Konzept für die U-Halle werde intensiv gearbeitet. Noch sei die Buga-Gesellschaft mit dem Rückbau des Experimentierfelds beschäftigt. Daher könne auch noch keine finanzielle Bilanz der Gartenschau gezogen werden. Weitere Projekte seien noch nicht entscheidungsreif, andere bedürften noch der Bürger- oder Gemeinderatsbeteiligung.
Moschee in Käfertal-Süd diesmal nur im nicht-öffentlichen Teil
AfD-Fraktionschef Jörg Finkler teilt mit, er habe ein gewisses Verständnis dafür, dass der scheidende Gemeinderat nun keine weitreichenden finanziellen Entscheidungen - wie den „fragwürdigen“ Neubau der Stadtbibliothek - mehr treffe und das dem neuen überlasse. Allerdings würden kontroverse Themen nicht mehr ausreichend diskutiert. „Zum Beispiel beim Bau der umstrittenen Moschee in Käfertal sollten die Sorgen der Bürger im öffentlichen Teil berücksichtigt werden.“
Dieses Thema wurde, obwohl Specht dazu ja sogar einen Dialogprozess mit der Bürgerschaft gestartet hatte, zuletzt nur im nicht-öffentlichen Teil behandelt. Hierzu heißt es von Spechts Sprecher, das sei bei Bebauungsplänen und beantragten Veränderungssperren die im Ausschuss übliche Vorgehensweise. Im Gemeinderat werde das Ganze dann wieder öffentlich behandelt.
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