Mannheim. Es ist Mittwoch, der 21. Oktober 2015, 2.05 Uhr. Eine Anwohnerin in der Relaisstraße alarmiert die Polizei: Flammen schlagen aus dem historischen Gebäude, das als Altes Relaishaus bekannt ist. Binnen Minuten sind die Feuerwehren vor Ort. Doch die Gewalt der Flammen ist übermächtig, Dachstuhl und hölzerne Innentreppe brennen wie Zunder. Erst am Mittag heißt es „Feuer aus!“. Wie durch ein Wunder kommt in dem dicht bebauten Quartier nachts, da alles schläft, kein Mensch zu Schaden. Das historische Gebäude aber ist hin.
Bald wird klar: Hier waren Brandstifter am Werk. Der 46-jährige Eigentümer kommt vor Gericht. Die Anklage fordert elf Jahre Haft, am Ende werden es acht – wegen „besonders hoher krimineller Energie“, wie es in der Urteilsbegründung heißt. Geldgier habe ihn veranlasst, das Haus in Brand zu setzen – um so die Versicherungssumme, eine halbe Million Euro, zu kassieren und damit ohne lästige Denkmalschutzauflagen einen attraktiven Neubau zu finanzieren. Der Angeklagte wird in eine Haftanstalt in der Pfalz überstellt, aus der er inzwischen seit einigen Jahren entlassen ist.
Eigentümer lässt Ruine verkommen, Stadt muss einspringen
Um den Erhalt seiner Immobilie, aus dem Jahre 1771 stammend und unter Denkmalschutz stehend, kümmert er sich nicht, weder während der Haft noch nach seiner Entlassung. So gammelt die Ruine des historischen Bauwerks seit zehn Jahren vor sich hin, ist nahezu ungeschützt jeder Witterung ausgesetzt. Zerfetzt flattert derzeit zum Beispiel jene Plastikfolie im Wind, die ein Eindringen von Wasser in das Gebäudeinnere verhindern sollte.
Denn rudimentäre Sicherungsmaßnahmen gibt es in der Tat, jedoch von Seiten der Stadt Mannheim, auf Grund der gesetzlichen Verkehrssicherungspflicht. Immerhin steht die Ruine unmittelbar am Fußgängerweg. Gerüste und Wasserbehälter sorgen dafür, dass die wackeligen Wände nicht einstürzen, ein Zaun, dass niemand die Ruine betritt.
Für diese Maßnahmen sind in den zurückliegenden Jahren nach aktuellen Angaben der Stadt Kosten in Höhe von rund 180.000 Euro aufgelaufen und verloren. Steuergelder wohlgemerkt. Denn: „Der Eigentümer hat diese weder beglichen, noch konnten die Forderungen erfolgreich vollstreckt werden“, beklagt Corinna Hiss, die Sprecherin des zuständigen Baubürgermeisters Ralf Eisenhauer.
Oberbürgermeister und Parteien beklagen negative Auswirkungen
Diese Entwicklung lässt alle mit ihr Befassten fassungslos zurück. Denn: „Das Alte Relaishaus ist identitätsstiftend für die Menschen in Rheinau und ganz Mannheim – ein echtes Baudenkmal“, bringt Oberbürgermeister Christian Specht die Bedeutung des Gebäudes auf den Punkt: „Dass der Eigentümer sein Gebäude aus Geldgier durch Brandstiftung schwer beschädigt hat, ist eine echte Schande“, beklagt der Rathauschef.
Die politischen Parteien erkennen darüber hinaus die negativen Auswirkungen auf den Stadtteil. „Die CDU-Fraktion sieht das Alte Relaishaus weiterhin als städtebauliches und soziales Problem für Rheinau“, formuliert deren Fraktionschef Claudius Kranz am deutlichsten: „Das Umfeld leidet unter der Vermüllung.“ Dies alles sei besonders deshalb bedauerlich, da die Stadt in den letzten Jahren viel in die Attraktivierung der Rheinau investiert habe, ergänzt SPD Fraktionschef Reinhold Götz.
Insolvenzverfahren bietet einen neuen Ansatz
„Die rechtlichen Eingriffsmöglichkeiten auf die in Privathand befindliche Immobilie sind begrenzt und weitgehend ausgeschöpft“, erläutert Stadt Sprecherin Hiss. „Die Stadt Mannheim ist unterschiedlichsten Ansätzen nachgegangen, den baulichen Missständen entgegenzutreten, leider ohne Erfolg.“
Doch seit einziger Zeit gibt es einen neuen Ansatz: Auf Betreiben der Stadt wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Grundstückseigentümers eröffnet. „Der Eigentümer ist formell Grundstückseigentümer, kann über die Immobilie aber nicht verfügen“, erläutert Adnan Werning vom Baudezernat: „Die Verfügungsgewalt liegt beim Insolvenzverwalter.“ Mit ihm stehe die Stadt in Kontakt: „Ziel ist der Erhalt des Gebäudes.“
OB und CDU sehen keine Finanzierungsmöglichkeit für Kauf
Für Kaufverhandlungen besteht jedoch ohnehin ein grundsätzliches Problem: „In der aktuellen kommunalen Finanzkrise sehe ich wenig finanziellen Spielraum, das Alte Relaishaus als Stadt zu kaufen und zu restaurieren“, bekennt der Oberbürgermeister: „Áuch weil es bisher kein tragfähiges Konzept für eine kommunale Nutzung gibt.“
Rückendeckung bekommt der Rathauschef für seine Linie von mehreren Fraktionen. „Vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage der Stadt sehen wir derzeit keinen realistischen Spielraum für einen städtischen Erwerb und eine Restaurierung des Bauwerks aus rein kommunalen Mitteln“, macht CDU Fraktionschef Claudius Kranz unmissverständlich klar: „Ein Ankauf und eine komplette Wiederherstellung würden erhebliche Investitionen erfordern, die aktuell kaum darstellbar sind.“
Nahezu wortgleich argumentieren die Grünen: „Angesichts der angespannten Haushaltslage sehen wir derzeit kaum finanzielle Möglichkeiten für einen Ankauf durch die Stadt“, sagt deren Rheinauer Stadträtin Alice van Scoter. Und auch FDP Fraktionschefin Birgit Reinemund betont: „In der aktuellen Haushaltsnotlage ist kein Geld da für Ankauf und Restaurierung des Alten Relaishaus.“.
SPD und AfD für Kauf und Restaurierung durch die Stadt
Anders dagegen sieht die SPD den Fall Relaishaus: „Wir sind der Meinung, dass es zielführend wäre, seiner historischen und gesellschaftlichen Bedeutung Rechnung zu tragen und den Erwerb zu forcieren“, argumentiert Fraktionschef Reinhold Götz: „Dies wäre auch ein wichtiges Signal an die Rheinauerinnen und Rheinauer. Eine anschließende Sanierung müsste aber aufgrund der Haushaltslage zeitlich gestreckt werden.“
„Ein Ankauf auch in der aktuell schwierigen Haushaltslage seitens der Stadt muss möglich sein“, meint auch Linke-Stadtrat Dennis Ulas, „beispielsweise durch die Mittel für Grundstücksankäufe.“
Ähnlich sieht es die AfD: „Wir sehen Spielraum für einen Erwerb durch die Stadt“, sagt deren Fraktionschef Jörg Finkler und geht sogar noch weiter: „Wir streben eine vollständige Restaurierung an, die den barocken Charakter erhält.“ Dies setze aber ene „Neupriorisierung im Haushalt voraus“.
Von den Freien Wählern „Mannheimer Liste“ liegt noch keine Stellungnahme vor.
CDU, Grüne und OB setzen auf private Investoren
Und wenn doch keine Finanzierung durch die Stadt möglich ist? Die CDU favorisiert „die aktive Suche nach Drittmitteln, Förderprogrammen und Partnern, bevor die Stadt größere eigene Finanzverpflichtungen eingeht“, wie ihr Fraktionschef Kranz betont. Auch die Grüne van Scoter schlägt Kooperationen mit der Denkmalpflege, Fördermittel, Stiftungen oder private SponsorInnen vor.
Das sieht Christian Specht ähnlich: „Hier können private Investoren freier agieren und“, diese konkrete Nutzung schwebt dem Oberbürgermeister vor, „das Alte Relaishaus zum Beispiel wieder zu einem beliebten Restaurant mit Biergarten und Nebenräumen für Feiern machen.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Verschwindet das Alte Relaishaus, wäre das kein Drama