Mannheim. Hat ein früher in Mannheim tätiger Zahnarzt wegen Provisionen gesunde Kauwerkzeuge beschliffen und teure keramische Einlagefüllungen, sogenannte Inlays, eingesetzt, obwohl es keinen medizinischen Grund dafür gab? Um diesen Vorwurf geht es bei einem Prozess vor dem Mannheimer Landgericht. Auf der Anklagebank sitzen ein 57-jähriger Zahnarzt und dessen 52-jährige Ehefrau.
Die Staatsanwaltschaft legt gefährliche Körperverletzung zur Last. Betrugsvorwürfe sind aufgrund von Verjährung weggefallen. Die Vorfälle liegen nämlich 14 und 15 Jahre zurück. Laut den Ausführungen von Oberstaatsanwalt Hofmann haben sich die 15 angeklagten Behandlungen stets ähnlich abgespielt – und zwar vor dem Hintergrund, dass der angestellte Entlastungsassistent, beziehungsweise frei angedockte Zahnarzt, vom Praxisinhaber pro eingesetztem Spezial-Inlay eine Provision von jeweils 65 Euro erhielt.
Weitere zehn Euro Prämie bekam, jeweils in bar, die als zahnmedizinische Fachkraft auftretende, aber lediglich angelernte Mitarbeiterin. Beiden, inzwischen verheiratet, wird vorgeworfen, kariöse Befunde vorgetäuscht und als Argument für Füllungen im Cerec-Verfahren als Selbstzahlerleistung genutzt zu haben.
In manchen Mündern sollen mehr als ein Dutzend gesunder Zähne für die unnötige Behandlung präpariert worden sein. In einigen Fällen, so die Anklage, seien Inlays trotz medizinischer Gegenanzeige erfolgt oder eine gebotene Wurzelbehandlung unterlassen worden.
Prozess gegen ehemaligen Mannheimer Arzt: Verteidigung möchte Einstellung des Verfahrens gegen Bußgeld erreichen
Dazu will das Gericht Betroffene befragen. Die Vernehmung eines inzwischen verstorbenen Patienten verliest der Vorsitzende Richter Joachim Bock: Der Patient gab zu Protokoll, dass bei ihm 14 Zähne als kariös diagnostiziert wurden. Mit dem Hinweis, er könne die dringend empfohlenen Inlays auch in Raten zahlen, sei er regelrecht unter Druck gesetzt worden. Ein anderer Zahnarzt habe hingegen lediglich an drei Zähnen Schadstellen gefunden, von denen zwei kleine nur beobachtet werden sollten.
Zur Sprache kommt, dass die beiden Angeklagten in jener großen Neckarauer Praxis tätig waren, die für Schlagzeilen sorgen sollte. „Behandlungen und Patienten erfunden?“, titelte 2012 der „MM“ und berichtete, dass ein Zahnarzt, dessen Praxismanagerin und ein Geschäftsmann wegen Betrugs angeklagt wurden. Aufgeflogen waren fingierte Honorarforderungen sowie einträgliche Leasing-Tricks rund um zahnmedizinische Geräte und EDV-Ausstattung.
Wie der einst dort beschäftigte und nun auf der Anklagebank sitzende Zahnarzt vorträgt, habe er seinerzeit mit einer Anzeige wegen Abrechnungsbetrugs die Ermittlungen ins Rollen gebracht. Vermutlich ist dabei auch die hohe Zahl eingesetzter Keramik-Inlays verbunden mit Provisionen aufgefallen. Bis zu 45 soll der Entlastungsassistent pro Monat eingesetzt haben.
Wegen überlanger Verfahrensdauer – ein 2019 gestarteter Prozess „platzte“ wegen einer Richtererkrankung – möchte die Verteidigung für die inzwischen am Bodensee lebenden und dort eine eigene Praxis betreibenden Mandanten eine Einstellung gegen Bußgeld erreichen. 50.000 plus 20.000 Euro wurden schon einmal vom Gericht vorgeschlagen, aber von den Angeklagten angesichts ihrer Schulden abgelehnt.
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