Mannheim. Seine erste Gartenschau hat Karl-Heinz Hedemann 1953 gesehen. „Planten un Blomen“, sagt er. Klingt nach „Plata o Plomo“, dem Spruch, mit dem der kolumbianische Drogenboss Pablo Escobar angeblich die Wahl zwischen Schmiergeld und einer Kugel ließ. „Planten un Blomen“ indes ist Plattdeutsch für „Pflanzen und Blumen“. So heißt die Parkanlage in Hamburg, in der Hedemann mit 17 Jahren auf der Internationalen Gartenbauausstellung war. Seither ist er das, was man Neudeutsch „Hardcore-Fan“ nennt.
Wenn der 86-Jährige beim Treffen auf Spinelli all die Gartenschauen runterrattert, die er gesehen hat, wird einem fast schwindelig. 20 sind es mindestens, oder? Hedemann schüttelt den Kopf. „Schreiben Sie 15. Wir wollen nicht übertreiben!“
Bisher nur einen Tag verpasst
Seit 1961 lebt der gebürtige Oldenburger in Mannheim, wo er nun nach 1975 erneut eine Bundesgartenschau intensiv miterlebt. Seit der Eröffnung am 14. April sei er jeden Tag hier gewesen, erzählt Hedemann. „Nur am 28. April nicht, da hat es die ganze Zeit geregnet und gewittert.“ Daher habe er auf die Anreise aus Neckarau besser verzichtet.
Bei aller Begeisterung sieht er jedoch einige Punkte kritisch. Seine Verbesserungsvorschläge mailt er in hoher Frequenz an die Verantwortlichen, aber auch an den „MM“. Daher nun ein gemeinsamer Besuch. Der Eingangsbereich sei in Ordnung, befindet Hegemann. Bei den großen roten Buchstaben solle man das A und das O aber besser nicht zum Wechseln hintereinanderstellen, sondern so, dass es mal „A, Monnem!“ und mal „O, Mannem!“ heiße. Und was hält er von „The Länd“, mit dem Baden-Württemberg für sich wirbt? „Kasperltheater“, sagt er nur.
U-Halle unfreundlich für Rollatoren
Als Nächstes bleibt der 86-Jährige in der U-Halle an den Stufen stehen, die durchs Wasser führen. Für Menschen mit Rollator sei das nichts. Man müsse einen großen Umweg machen. War die Buga 2019 in Heilbronn, für die Hedemann ebenfalls eine Dauerkarte hatte, in puncto Barrierefreiheit besser? „Damals brauchte ich noch keinen Rollator, da habe ich nicht darauf geachtet.“
Aber auch so zeigt sich Hedemann sehr beweglich. Ein Stück neben den Stufen hebt er den Rollator schnell hoch und läuft einfach durch den Schotter am Rande einer Grünfläche hinüber. Das Angebot, ihm zu helfen, weist er entrüstet zurück.
Wie gut eine Buga beim Stammpublikum ankommt, hängt laut Hedemann von drei Faktoren ab. Der erste sei „Blumen, Blumen, Blumen“, der zweite die Gastronomie und der dritte seien sanitäre Anlagen. In diesen Disziplinen präsentiere sich Mannheim „hervorragend“. Mit den Blumen kenne sich zwar nicht so gut aus, sagt Hedemann. Aber beim Gang entlang der Blütenpracht weist er seinen da gänzlich ahnungslosen Gesprächspartner auf besondere Tulpen hin: „Das muss eine neue Züchtung sein.“ So entdecke er hier jeden Tag etwas Neues. Auch die Ausstellungen rundherum schaue er sich nach und nach alle an. „Nur nicht die mit erhobenem Zeigefinger, wie für veganes Essen.“
Drei Leibgerichte auf Spinelli
Hedemann isst hier am liebsten im Weingarten-Restaurant Salat-Bowl mit Räucherlachs (15,50 Euro) sowie in der Spinelli Kitchen Roulade oder Gulasch mit Spätzle (je 16,50 Euro). Die Preise findet er einer Buga angemessen. Vor allem gehe es schnell, und das Personal sei sehr freundlich. Eine bessere Gastronomie habe er noch auf keiner Gartenschau erlebt. An diesem Tag wird er im Biergarten am i-Punkt-Grün von Bedienung und Wirt herzlich begrüßt.
Und warum sind die sanitären Anlagen ein Erfolgsfaktor? Die müssten für ältere Menschen nicht nur ausreichend vorhanden, sondern auch sauber sein, weiß er. Das klappe hier ebenfalls super. Aber obwohl die Buga 2023 in den wichtigsten Kategorien so gut abschneidet, siedelt er sie unter allen besuchten Gartenschauen nur im Mittelfeld an. Der Grund: „Total besucherfeindlich.“
Unter anderem bemängelt er eine „falsche Aufteilung“ auf dem Spinelli-Gelände, vieles sei speziell für Menschen mit eingeschränkter Mobilität zu abgelegen. Weil die es ohnehin nicht lange auf der Buga aushielten, solle man auch Zeit-, am besten Abendkarten anbieten, wie in Heilbronn. Dort hätten Dauerkartenbesitzer zudem für Bus und Bahn (nur bei Tageskarten inbegriffen) Kinder-Fahrscheine nutzen können.
Stempel für Wiedereintritt ein Witz
Mit diesen und weiteren Verbesserungsvorschlägen stößt der 86-Jährige bisher nur auf taube Ohren. Aber immerhin in einem Punkt habe seine Kritik offensichtlich gewirkt, freut er sich: Auf Spinelli und im Luisenpark (für den hat er immer schon eine Dauerkarte) weisen jetzt Hinweisschilder an Ausgängen darauf hin, dass man zum Wiedereintritt einen Stempel braucht. Doch im digitalen Zeitalter sei das gleichwohl ein Witz, findet der Ingenieur.
Er hat auch kein Verständnis dafür, dass unter 15-Jährige nur in Begleitung Erwachsener kommen dürfen. Damit wolle man wohl die Besucherzahl hochtreiben sowie mit jungen Eltern den Altersdurchschnitt senken. In der Tat wirkt das Publikum, so Hedemann, für eine Gartenschau erstaunlich jung. Was ihn sehr beeindruckt: „Selbst bei schlechtem Wetter sieht man nur fröhliche Gesichter.“ Der 86-Jährige, der auch gern Verwandte oder Bekannte aus anderen Städten herumführt, hat noch einen besonderen Höhepunkt vor sich: Seinen 87. Geburtstag will er mit Sekt in der Seilbahn feiern. Und an der sei wirklich alles perfekt.
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