Das Wichtigste in Kürze
- Mannheim wird in diesem Jahr 90 Millionen Euro weniger an Gewerbesteuer einnehmen als geplant.
- Dadurch rauscht die Liquidität der Stadtkasse deutlich ins Minus.
- Die ohnehin geplanten Sparvorgaben dürften jetzt noch härter werden.
Mannheim. In der Vergangenheit war es meist ein Routine-Tagesordnungspunkt: Die Stadtverwaltung informiert den Gemeinderat über die Entwicklung der Finanzen im ersten Halbjahr. Doch dieses Mal steckten in dem 30-Seiten-Papier für die Sitzung des Hauptausschusses extrem alarmierende Nachrichten: Die ohnehin schon schlechte Finanzlage der Stadt Mannheim hat sich in den ersten sechs Monaten noch schlechter entwickelt als von der Verwaltung angenommen. Die Situation sei „besorgniserregend“. Das wird auch Auswirkungen haben auf die vom Karlsruher Regierungspräsidium (RP) zum Jahresbeginn auferlegten Sparmaßnahmen. Die dürften jetzt noch drastischer ausfallen.
Höhere Ausgaben vor allem durch neue Kita-Plätze
„Wir stehen vor deutlich gestiegenen finanziellen Herausforderungen.“ Finanzbürgermeister Volker Proffen (CDU) formulierte es noch vergleichsweise nüchtern, als er den Bericht im Hauptausschuss vorstellte. Der Grund für die schlechte Entwicklung liegt vor allem in der lahmenden Wirtschaft. Die bisherigen Einnahmen bei der Gewerbesteuer, die in Mannheim ansässige Unternehmen zahlen müssen, lägen „sehr deutlich“ hinter dem zurück, von dem die Stadtverwaltung ausgegangen sei, so der Kämmerer. Bei der bisherigen Entwicklung ist zu erwarten, dass es am Ende 350 Millionen Euro sein werden. Geplant hatte man mit rund 90 Millionen mehr. Zur Einordnung: Mannheim wird in diesem Jahr Einnahmen und Ausgaben in einer Größenordnung von jeweils rund 1,7 Milliarden Euro haben.
Mit den geringeren Einnahmen gibt es gleichzeitig auch höhere Ausgaben als vorgesehen - unter anderem beim wichtigen Thema Kinderbetreuung. Stadtverwaltung und freie Träger haben auf die Betreuungsnot reagiert und zuletzt rund 1000 zusätzliche Plätze geschaffen. Das schlägt sich im Haushalt nieder. Allein an die freien Träger – sie bekommen städtische Unterstützung für den Bau und Betrieb von Kitas - werden rund 25 Millionen Euro mehr überwiesen als geplant. Auch bei den Erziehungshilfen für Familien in schwierigen Situationen muss die Stadt zwölf Millionen Euro mehr ausgeben als vorgesehen.
Verluste auch bei städtischen Tochtergesellschaften
Das alles werde dafür sorgen, dass das Gesamtergebnis für 2025 deutlich schlechter ausfallen wird als angenommen, sagte Proffen. Eigentlich war die Verwaltung von minus sieben Millionen Euro ausgegangen. Läuft die Entwicklung allerdings so weiter, wird man zum Jahresende bei einem Minus von rund 88 Millionen Euro landen. Noch nicht berücksichtigt seien hier mögliche Abschreibungen auf Beteiligungen, wo laut dem Bericht weiteres Ungemach droht. Insbesondere beim Nationaltheater (minus drei Millionen Euro), bei der Stadtpark-Gesellschaft (minus sechs Millionen) und beim für Brücken und Straßen zuständigen Eigenbetrieb Stadtraumservice (minus elf Millionen) ist demnach mit deutlichen Verlusten zu rechnen.
Für die Entwicklung der sogenannten liquiden Eigenmittel der Stadt – bei einer Privatperson wäre es das, was sie für den täglichen Bedarf auf dem Girokonto hat, ohne den Dispo in Anspruch nehmen zu müssen – hat dieses schlechtere Ergebnis gravierende Folgen: Ging die Haushaltsplanung noch von einem Plus von 4,2 Millionen Euro aus, wird man mit der bisherigen Entwicklung nun bei rund minus 196 Millionen Euro landen.
Gerade diese liquiden Eigenmittel sollte die Stadt aber eigentlich wieder erhöhen. Das war im Januar die Auflage des RP. Bis 2028 soll Mannheim wieder auf eine Mindestliquidität von plus 33 Millionen kommen. So ergab sich die Sparvorgabe von jährlich 57 Millionen bis 2028.
Proffen: „Wir müssen nochmal nachlegen, um das Ruder rumzureißen“
Um das umzusetzen, arbeitet die Verwaltung derzeit wie berichtet in enger Abstimmung mit dem Gemeinderat an einem Sparkonzept mit dem Namen „Zukunftshaushalt“. Für 2025 sind alle fünf Dezernate im Rathaus aufgefordert, zwei Prozent ihrer Ausgaben strukturell und dauerhaft einzusparen. In den folgenden Jahren wird das aufaddiert auf drei Prozent. Im Oktober will die Stadtspitze die konkreten Pläne vorstellen.
Viele Vertreter aus dem sozialen Bereich und aus der Kulturszene machen sich bereits große Sorgen wegen drohender Kürzungen. Wenn die Liquidität jetzt noch viel tiefer ins Minus rauscht, dann werden die ursprünglich geplanten Einsparungen von 57 Millionen Euro pro Jahr bei Weitem nicht mehr reichen. Das stellte auch der Kämmerer klar: „Wir müssen nochmal nachlegen, um das Ruder rumzureißen.“ Auch die Möglichkeit eines Nachtragshaushaltes sei zu prüfen.
Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) sagte nach Proffens Vortrag, die aktuelle finanzielle Situation sei „eine der schwersten, die wir in den letzten 20 Jahren hatten“. Es sei wichtig gewesen, dass Stadt und Gemeinderat bei der Planung des aktuellen Haushalts so manche vorgesehene Investition wie das Kulissenlager fürs Nationaltheater oder den Bau einer neuen Stadtbibliothek gestrichen hätten. Jetzt gehe es darum, gemeinsam weitere Einsparmöglichkeiten zu beschließen, damit die Stadt Mannheim nicht unter die Rechtsaufsicht des RP komme. „Wir müssen weiter selbst entscheiden können.“
Die anschließende Diskussion im Ausschuss war geprägt von großer Ernüchterung, von möglichen Fehlern in der Vergangenheit und von konkreten Sparvorschlägen. „Die Lage ist noch dramatischer als erwartet“, sagte etwa Birgit Reinemund (FDP). Von einem „finanziellen Abgrund“ sprach Chris Rihm (Grüne).
Rihm stellte deshalb für die Grünen nicht nur das geplante Kultur- und Sportzentrum in Wallstadt infrage, sondern auch gleich das Nationaltheater („Wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen, das Nationaltheater überfordert den städtischen Haushalt und ist nicht mehr darstellbar“). Ähnlich sieht das auch Einzelstadtrat Julien Ferrat (Die Mannheimer).
„Sollen wir die Sanierung einstellen und eine Ruine haben?“
Reinhold Götz (SPD) betonte, man werde jetzt manche harte Entscheidung treffen müssen. „Aber wir müssen immer überlegen, was das für Auswirkungen auf die Zukunft hat.“ Mit Blick aufs Nationaltheater sagte er an Rihm gerichtet: „Sollen wir die Sanierung einstellen und eine Ruine haben? Sollen wir die Oper abschaffen?“ Die anstehenden Entscheidungen seien „nicht so einfach“.
Schon in den vergangenen Jahren sei „die abflauende Konjunktur“ zu sehen gewesen, sagte Claudius Kranz (CDU). Viele Projekte in den von der damaligen rot-rot-grünen Mehrheit beschlossenen Haushalten seien nicht durchfinanziert gewesen. Deshalb habe seine Fraktion auch zwei dieser Haushalte abgelehnt. Dass sich der Grüne Rihm jetzt als großer Mahner präsentiere, findet Kranz „schäbig“. „Wir haben seit Jahren über unsere Verhältnisse gelebt, getragen von einer rot-rot-grünen Mehrheit“, betonte auch Reinemund.
„Willkommen in der neuen Wirklichkeit“, kommentierte Christopher Probst (Mannheimer Liste) die Lage. Jetzt gelte es, zu sparen. „Damit wir auch künftig noch die Handlungsfreiheit haben, elementare Dinge durchzuführen wie zum Beispiel die Sanierung der Brücken.“ Heinrich Koch (AfD) findet, eine „verfehlte Energiepolitik“ sei schuld an der schlechten Konjunktur.
Für Dennis Ulas (Linke) ist die „seit Jahrzehnten strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen“ ein wichtiger Grund für die jetzige Lage. Auch bei der Sanierung des Nationaltheaters habe Mannheim „viel zu wenig Unterstützung von Bund, Land und umliegenden Kommunen bekommen“. Die Debatte übers Geld – sie wird die Mannheimer Kommunalpolitik in den nächsten Monaten bestimmen.
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