Das Wichtigste in Kürze
- Jede zweite Brücke in Mannheim ist in einem sehr schlechten Zustand
- Die Stadt hat eine Liste veröffentlicht mit den dringendsten Sanierungsfällen.
- In den nächsten Jahren wird das mehrere hundert Millionen Euro kosten
Mannheim. Für diesen Donnerstag hat die Stadt Mannheim die Presse an die Straßenbahnrampe eingeladen, die vom Schlosspark auf die Konrad-Adenauer-Brücke führt. Die sogenannte Stelzenbrücke ist seit einem Jahr gesperrt, weil Risse im Stahl des Spannbetons festgestellt wurden. Im Moment wird sie saniert, am Donnerstag wollen die Verantwortlichen über den Verlauf der Arbeiten und den Termin einer möglichen Öffnung informieren. Doch diese Brücke ist nur eine von rund 100 in ganz Mannheim. Und viele von ihnen sind in einem ähnlich bedenklichen Zustand, wie es die Stelzenbrücke war. Das steht in einer Vorlage der Stadtverwaltung, die am Donnerstag auch Thema im zuständigen Gemeinderatsausschuss ist. Die Botschaft ist alarmierend – auf die Stadt werden in den kommenden Jahren demnach mehrere hundert Millionen an Sanierungskosten zukommen. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie ist der Zustand der Brücken in Mannheim?
Schlecht. Das jedenfalls ist die Bilanz in der Info-Vorlage. Ein großer Teil der Brücken ist zwischen 50 und 70 Jahre alt. Sie werden regelmäßig auf ihre Stand- und Verkehrssicherheit geprüft und bekommen dann je nach Zustand eine Note zwischen eins und vier. In Mannheim haben knapp 53 Prozent aller Brücken eine Note zwischen drei und vier. Mehr als die Hälfte davon, nämlich 33 Prozent, liegt sogar zwischen 3,5 und vier. Zum Vergleich: Im gesamten Bereich der deutschen Bundesfernstraßen liegt der Anteil mit Noten zwischen 3,5 und vier bei gerade einmal 0,4 Prozent, in Baden-Württemberg bei rund zehn Prozent. In der Info-Vorlage ist von einem „erheblichen Investitionsstau“ die Rede. Sanierungen seien aber nicht nur wegen des Alters der Brücken und der früher oft verwendeten Baustoffe von geringer Qualität nötig. Sondern auch wegen der extremen Belastung der Brücken vor allem durch schwere Lastwagen. Beim Bau sei man früher von viel geringeren Verkehrslasten ausgegangen, als man sie heute hat.
Bei welchen Brücken ist der Handlungsbedarf am dringendsten?
Die Stadtverwaltung nennt in der Vorlage gleich mehrere: Neben der BBC-Brücke, für die ja gerade ein Neubau entsteht, sind es der Kurt-Schumacher-Brückenzug sowie die Konrad-Adenauer-Brücke und verschiedene mit ihr verbundene Zufahrten. Außerdem Jungbusch-, Kurpfalz-, Diffené- und Kammerschleusenbrücke sowie die Brücke über das Zellstoffgleis, die Brücke der B36 über die Rheintalbahn und der Voltasteg, eine Fußgänger- und Radfahrerbrücke. Letztere soll vollständig abgerissen werden.
Was ist am Kurt-Schumacher-Brückenzug zu machen?
Er soll parallel zum Neubau der Hochstraße Nord in Ludwigshafen „grundhaft instandgesetzt werden“, heißt es in der Vorlage. Ein bereits in Auftrag gegebenes Gutachten soll klären, was genau zu tun ist und wie viel das Ganze kostet. Bis Anfang kommenden Jahres soll es vorliegen. Aktuell habe man zudem Schäden an der zum Brückenzug gehörenden Mühlauhafenbrücke näher untersucht. „Hier müssen kurzfristig Sicherungsmaßnahmen ausgeführt werden“, so die Stadtverwaltung. Konkreteres wird dazu in der Vorlage nicht genannt. Die Schumacher-Brücke stammt aus dem Jahr 1972.
Wie sieht‘s mit der Konrad-Adenauer-Brücke aus?
Bei der 1959 gebauten Querung sind laut der Vorlage Arbeiten im Bereich des sogenannten Schrammbordes in Fahrtrichtung Mannheim notwendig. Die Planungen dazu liefen, die Arbeiten sollen „voraussichtlich in 2026“ erfolgen. Diese Maßnahme, so die Stadtverwaltung, diene aber lediglich „dem Erhalt des Betriebes bis zum Ersatzneubau“. Bei den Zufahrten zur Brücke von Mannheim aus gibt es nicht nur an der Straßenbahnrampe Schäden, sondern auch an der Pkw-Zufahrt aus der Bismarckstraße. Die müsse „zurückgebaut und eine Neuordnung der Verkehrsführung herbeigeführt werden“, heißt es dazu in der Vorlage ebenfalls relativ unkonkret.
Und mit der Kurpfalzbrücke?
Sie ist aktuell für Lastwagen mit mehr als 29 Tonnen gesperrt, weil bei der kürzlich erfolgten Erneuerungen der Übergangskonstruktionen „erhebliche Schäden im Widerlagerbereich auf der Neckarstadtseite“ festgestellt wurden. Deshalb, so die Stadtverwaltung, würden an der Brücke in den nächsten Jahren „umfangreiche Baumaßnahmen“ notwendig. Bis dahin wird die Sperrung für die schweren Lkw bleiben.
Was ist das Problem an der Diffenébrücke, die auf die Friesenheimer Insel führt?
Die Kippbrücke kann seit Anfang des Jahres nicht mehr geöffnet werden. Der Grund: Defekte in der Anlagentechnik, die noch aus dem Ursprungsjahr stammt. Die gesamte Anlagentechnik, also die Hydraulikkomponenten und die Steuerung, müsse erneuert werden, heißt es in der Vorlage. Die Stadt befinde sich dazu im Austausch mit der Hafengesellschaft.
Muss sich die Stadt auf weitere Schäden gefasst machen?
Das ist sehr wahrscheinlich, und zwar aus mehreren Gründen: Der für Risse anfällige Spannstahl ist in vielen Brücken in Deutschland aus den 1950er bis 1980er Jahren verbaut. In Mannheim sind nicht nur BBC- und Stelzenbrücke betroffen, sondern auch die Brücke über das Zellstoffgleis, die Straßenbahnrampe über die westliche Riedbahn im Schlossgarten und die Zufahrten E7/F7 zur Hafenstraße und zur Kurt-Schumacher-Brücke.
Bei Brücken, die vor den 1980er Jahren gebaut wurden, gibt es darüber hinaus noch deutschlandweit ein anderes Schadensbild: Nämlich das Phänomen, dass der verwendete Stahl vereinfach gesagt Beulen bildet. Das könnte laut der Vorlage bei folgenden Bauwerken der Fall sein: den beiden Rheinbrücken, der Jungbusch-, der Bunsenstraßen- und der Kammerschleusenbrücke sowie der Brücke Lauffener Straße über den Neckarkanal und der Brücke Hermsheimerstraße über die B37. „Die Ergebnisse dieser Untersuchungen können noch nicht abgeschätzt werden“, so die Stadtverwaltung. „Eventuell ergeben sich daraus, analog zur Kurpfalzbrücke, weitere Eingriffe in den Verkehr. Mittelfristig werden daraus Ertüchtigungs- und Ersatzneubaumaßnahmen notwendig.“
Und dann steht da auch noch ein durchaus pikantes Detail in der Vorlage: Wegen Personalengpässen konnte und kann die Stadt nicht alle Brücken im vollen, von der entsprechenden DIN-Norm vorgegeben Umfang prüfen. Man habe sich auf „die verkehrsbedeutenden Brücken“ konzentriert. „Bei weniger kritischen Objekten erfolgt zunächst noch eine reduzierte Überwachung.“ Inzwischen seien auch zwei zusätzliche Ingenieure dafür eingestellt worden.
Was werden die ganzen Sanierungen kosten?
Eine genaue Zahl ist hier schwer zu nennen – auch weil ja noch nicht klar ist, was am Ende alles saniert werden muss. Aber in der Vorlage stehen schon erste Beträge. Allein für die Sanierung der Brücken nennt die Verwaltung einen Bedarf von jährlich 15 Millionen Euro für die nächsten zehn Jahre. Die Kosten für die beiden Rheinbrücken sind hier allerdings nicht dabei. Für die Sanierung der Schumacher-Brücke wird eine Summe von 60 Millionen Euro genannt, für den Neubau der Adenauer-Brücke gar 300 Millionen Euro. Gemeinsam mit der Stadt Ludwigshafen ist dazu eine „Projektgesellschaft Rheinbrücken“ geplant.„Der Finanzbedarf in dieser Größenordnung kann nur mit Bundes- und Landesunterstützung geleistet werden“, heißt es in der Vorlage. „Insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass diese Infrastruktur neben der überregionalen Verkehrsfunktion auch eine wichtige Zubringerfunktion für die beiden Landeshäfen und die ansässige Industrie hat.“
Auch bei ihren eigenen Brücken hofft die Stadt Mannheim „auf ein Höchstmaß an Mitteln“ aus der Bund-Länder-Förderung und dem Bundes-Sondervermögen für Infrastruktur. Ziel ist es, bis 2030 ein „Kompetenzteam Brückenbau“ aufzubauen, das sich vor allem auch um die Einwerbung von Fördergeld kümmern soll.
Was sagt die für die Brücken zuständige Bürgermeisterin zu dem Bericht?
„Die Lage spiegelt die bundesdeutsche Situation wider, in der viele Bauwerke aus den 1960er und 1970er Jahren aufgrund ihres Alters und der damit verbundenen Materialermüdung mit erheblichen Tragwerksdefiziten konfrontiert sind“, erklärt Dezernentin Diana Pretzell (Grüne), die seit 2021 im Amt ist. Die Stadt Mannheim habe „bereits Maßnahmen ergriffen, um den bestehenden Mängeln entgegenzuwirken und die Tragfähigkeit unserer Bauwerke zu sichern“. Mit Blick auf die anstehenden „großvolumigen Sanierungen“ wolle sie sich „persönlich“ für Fördermittel von Bund und Land einsetzen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Der Zustand von Mannheims Brücken ist ein Desaster