Mannheim. Bis 2030 will Mannheim klimaneutral werden, also den Ausstoß an Treibhausgasen um mindestens 80 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren. Das ist eine große Herausforderung: Das zeigt die CO2-Bilanz für das Jahr 2021, die die Stadt vor Kurzem veröffentlicht hat.
Wie viel Treibhausgas ist 2021 in der Stadt ausgestoßen worden?
Insgesamt waren es 2,7 Millionen Tonnen - also etwa zwei Prozent mehr als 2020. Das bedeutet, dass erstmals seit 1990 der stete Rückgang der klimaschädlichen Gase unterbrochen worden ist und die Emissionen wieder angestiegen sind.
Was sind die Gründe für den Anstieg?
Nach Angaben von Benjamin Gugel vom Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu), der die Bilanz erstellt hat, liegt das vor allen Dingen an der Stromproduktion. Diese wird bundesweit betrachtet und auf die einzelnen Kommunen heruntergebrochen. Und im Jahr 2020 wurde relativ gesehen mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt als 2021. Während der Anteil damals bei rund 41 Prozent lag, waren es im Jahr davor etwa 45 Prozent. Dieser Umstand sei hauptsächlich dafür verantwortlich, dass 2021 in Mannheim zwar insgesamt betrachtet 0,5 Prozent weniger Energie verbraucht worden ist - der Treibhausgasausstoß jedoch um ungefähr zwei Prozent stieg.
Welche Rolle spielt das Grosskraftwerk Mannheim dabei?
Gar keine. Denn für die CO2-Bilanz wird nicht die reale Stromproduktion in der Stadt betrachtet, sondern der bundesweite Strommix - und daraus der Anteil für Mannheim berechnet. Dieses Verfahren soll sicherstellen, dass die Bilanzen der Kommunen vergleichbar sind.
Gibt es noch weitere Gründe für den Anstieg der Emissionen?
Ja, die Corona-Pandemie hat natürlich auch hier einiges auf den Kopf gestellt. Bedingt durch die ganzen Schutzmaßnahmen ist der Treibhausgasausstoß, der umgerechnet in CO2-Einheiten angegeben wird, 2020 überproportional gesunken. Vor allen Dingen im Verkehrssektor hat sich das ausgewirkt. 2021 waren schon wieder mehr Menschen unterwegs, so dass in diesem Bereich etwa zwei Prozent mehr CO2 angefallen sind. Und dieser „Normalisierungseffekt“ wird sich wahrscheinlich fortsetzen. Denn verglichen mit den Vor-Corona-Zahlen waren die Verkehrsströme 2021 immer noch um 14 Prozent reduziert.
Was bedeutet das für die Gesamtentwicklung?
Seit 1990, das stets als Referenzjahr herangezogen wird, ist der CO2-Ausstoß in Mannheim damit um etwa 38 Prozent gesunken. Damit verpasst die Stadt ihr Klimaziel, wonach bis 2020 eine Minderung um 40 Prozent vorgesehen war. Zwischenzeitlich schien dieses zwar erreicht. Doch im Nachhinein mussten die Daten für den Industriebereich korrigiert werden. Dadurch sank in der 2020er-Bilanz die CO2-Einsparung von 41 auf 39 Prozent.
Was heißt das für Mannheims Klimaschutzplan?
Dass es noch einiges zu tun gibt. Will die Stadt ab 2030 als klimaneutral gelten, müssen die Emissionen gegenüber 1990 um 80 Prozent sinken. Der Rest dürfte durch Ausgleichsmaßnahmen, etwa Aufforstungen, kompensiert werden.
Welche Besonderheiten gibt es in Mannheim?
Auffällig beim Treibhausgasausstoß ist der relativ hohe Anteil von Industrie und Gewerbe: Zusammen sind diese Bereiche für mehr als die Hälfte der Emissionen verantwortlich. Das spiegelt die spezielle Wirtschaftsstruktur der Stadt wider.
Wie bewerten die Verantwortlichen die Daten?
Umweltbürgermeisterin Diana Pretzell (Grüne) zeigt sich sehr zufrieden: „Die Zahlen belegen, dass wir 2020 und 2021 schon den richtigen Weg gegangen sind.“ Das gebe „Rückenwind“ für alle weiteren Maßnahmen: „Im Vergleich zu vielen anderen Städten ist Mannheim auf dem richtigen Weg unterwegs.“ Auch Georg Pins, Abteilungsleiter für Klimaschutz bei der Stadt, wertet den Wiederanstieg nicht als großen Rückschlag: „Mannheim hat schon viele Schritte im Vergleich zu 1990 gemacht, wenngleich noch viele weitere zu gehen sind.“
Warum gibt es noch keine neueren Zahlen?
Weil es ganz schön lange dauert, bis alle Daten zur Verfügung stehen, die man braucht, erklärt ifeu-Experte Gugel. Darum könne die CO2-Bilanz erst mit einem Verzug von etwa 18 Monaten erstellt werden. Gugel hat seinen Bericht im Oktober vorgelegt, die Stadt hat ihn im Januar veröffentlicht.
Was gibt es beim Lesen der Bilanz zu beachten?
Die Bereiche Industrie und Gewerbe werden alleine anhand der Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschieden: Alle Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten zählen zur Industrie. Der Stadt werden die Emissionen der Verwaltung, aber auch von Schulen und Kitas sowie der Verwaltungsgebäude der kommunalen Gesellschaften wie MVV oder GBG zugerechnet. Größter Verbraucher hierbei ist das Klinikum.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Mannheims Klimabilanz taugt nicht zum Schulterklopfen