EU-Modellstadt

Warum Mannheim am Klimaziel scheitern könnte

Als erste deutsche Stadt hat Mannheim von der EU das offizielle Siegel Klimaneutralitäts-Modellstadt 2030 bekommen. Dennoch droht die Kommune, ihr ambitioniertes Ziel zu verfehlen. Das sind die Gründe

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Martin Geiger
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Mannheim. Mannheim hat als erste deutsche Kommune im Rahmen seiner Modellstadt-Aktivitäten von der EU das Qualitätssiegel für seine Klimaschutzbemühungen bekommen. Doch was heißt das? Ein Überblick.

Welches Siegel hat Mannheim da genau bekommen?

Genant wird es „Mission Label“, es ist also das offizielle Qualitätssiegel der EU-Mission „100 klimaneutrale und intelligente Städte“.

Und was besagt diese Auszeichnung?

Sie bescheinigt der Kommune, dass sie bisher alle Anforderung der EU-Modellstadt-Initiative erfüllt hat. Das bedeutet: Mannheim hat einen nachvollziehbaren und überprüften Plan vorgelegt, wie es bis 2030 klimaneutral werden könnte. Dieser wird auch Stadt-Klima-Vertrag genannt.

Kommentar Die EU stößt ihre Modellstadt Mannheim vor den Kopf

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Martin Geiger
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„Wir haben es in kürzester Zeit geschafft, die erforderlichen Maßnahmen für unsere ambitionierten Klimaziele und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene klar zu benennen und sie mit einer ersten Investitionsstrategie zu hinterlegen“, sagt Oberbürgermeister Christian Specht (CDU). Hausaufgaben gemacht. Man könnte es auch so zusammenfassen: Mannheim hat seine Hausaufgaben gemacht.

Was war die Modellstadt-Initiative noch mal?

Es ist eine sogenannte Mission der EU: Diese hat europaweit 100 Städte gesucht, die bis 2030 klimaneutral werden wollen. Sie sollen Vorreiter sein, um herauszufinden, wo Chancen und Hürden bei dieser historisch einmaligen Transformation liegen. 362 Städte hatten sich beworben, am Ende sind neben Mannheim acht weitere Städte aus Deutschland ausgewählt worden, unter anderem Heidelberg.

Wie sieht Mannheims Plan für die Klimaneutralität aus?

Er umfasst mehr als 200 Seiten und besteht im Wesentlichen aus drei Teilen: einem Art Rahmen, der die Randbedingungen beschreibt; zweitens den geplanten Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes, wie sie bereits im Klimaschutzaktionsplan der Stadt festgehalten sind; und drittens einer ersten Investitionsstrategie.

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Was steht in diesem Finanzierungsplan drin?

So ganz genau weiß man das nicht, weil das Konzept nicht öffentlich zugänglich ist. Besonders konkret scheint es aber nicht zu sein, denn Agnes Schönfelder, die bei der hiesigen Verwaltung die EU-Modellstadt-Aktivitäten leitet, sagt: „Wie viel die Umsetzung der Maßnahmen wirklich kostet, wissen wir nicht. Wir haben so eine Schätzung nirgendwo gemacht.“ Andere Kommunen hätten das ebenso wenig. Auch woher das Geld kommen soll, scheint noch offen, denn Schönfelder betont: „Wir brauchen jetzt von der nationalen und der EU-Ebene maßgeschneiderte Investmentvorschläge.“

Weiß man denn gar nicht, wie viel Geld nötig wäre, um die Stadt klimaneutral zu machen?

Konkret sagen kann das niemand. Es lässt sich maximal schätzen oder unter Annahme gewisser Bedingungen grob berechnen. Der frühere Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) bezifferte die Kosten im vergangenen Jahr auf einen zweistelligen Milliardenbetrag. Die Klimaschutzinitiative Germanzero hat 2021 einen Gesamtinvestitionsbedarf von 18,5 Milliarden Euro errechnet. Diese Zahlen fassen jedoch private und öffentliche Ausgaben zusammen. Das heißt, die Stadt selbst müsste davon lediglich einen Anteil aufbringen. Genannt werden hier oft ungefähr 15 Prozent.

Was bringt die Auszeichnung Mannheim nun?

Vor allen Dingen die Anerkennung, dass die Stadt sich Mühe gibt und die Pläne seriös sind. Finanzielle Vorteile sind damit aber noch nicht verbunden: Zwar geht die EU davon aus, dass das Siegel die Chancen der Stadt erhöht, bei nationalen sowie EU-eignen Förderprogrammen erfolgreich zu sein. Konkrete Zusagen sind damit jedoch nicht verbunden.

Was bedeutet das jetzt für die Finanzierung?

Vereinfacht gesagt: Sie ist völlig offen. Der für den Green Deal der EU zuständige Vize-Präsident der Kommission, Maros Sefcovic, verweist in einer Mitteilung auf andere Akteure: „Die Städte brauchen Unterstützung von ihren nationalen und regionalen Regierungen sowie den Unternehmen, Investoren und Innovatoren vor Ort“, lässt er sich zitieren. „Ich lade alle ein, zusammen mit den Städten zu prüfen, wie sie sich dabei einbringen können.“

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Der geschäftsführende Leiter der EU-Kommission in Deutschland, Renke Deckarm, konkretisiert: „Da stehen jetzt keine konkreten Geldgeber hinter dem Label, aber die Überlegung wäre, dass zum Beispiel Stiftungen die Arbeit an Klimaschutzprojekten unterstützen. Zudem kann eine erfolgreiche begonnene Transformation ein Zeichen an produzierende Unternehmen sein, Investitionen in der Region zu tätigen.“

Und wie geht die Stadt nun mit der Situation um?

Sie versucht weiter, Unterstützung zu bekommen. Denn klar ist: Aus eigener Kraft kann sie niemals bis 2030 klimaneutral werden. Erstens kann sie nur etwa ein Drittel ihrer CO2-Emissionen selbst beeinflussen. Und zweitens hat sie nicht das Geld dafür. So sagt Umweltbürgermeisterin Diana Pretzell (Grüne): „Daher setzen wir uns aktuell auf EU- und nationaler Ebene dafür ein, Mannheim als Pilotstadt für die Umsetzung einer Investmentstrategie für das Klimaziel 2030 zu positionieren.“ Soll heißen: Die Kommune will quasi Modellstadt der Modellstädte werden, um einen Finanzierungsweg aufzuzeigen.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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