Am Tag danach ist die Aufregung groß. Dass auf Spinelli zum Schutz von Haubenlerchen und anderen bedrohten Tierarten 15 bis 18 der insgesamt rund 80 Hektar eingezäunt werden sollen, sorgt für Unverständnis bis Empörung. So war das schon am Dienstag im Konversionsausschuss, als Buga-Geschäftsführer Michael Schnellbach davon berichtete. FDP-Fraktionschefin Birgit Reinemund untermauerte ihre Kritik später auf Facebook, seit Jahren habe man von einem offenen Grünzug mit hoher Freizeit- und Aufenthaltsqualität erzählt. Ihr Post endet mit der Frage: „Hat Ex-OB Kurz den Gemeinderat und die Bevölkerung da bewusst angelogen?“
Aber davon, dass dafür 15 bis 18 Hektar eingezäunt werden müssen, steht darin nachweislich nichts. Das hätten wir auch nicht vereinbart.
Auf Anfrage betont der im August aus dem Amt geschiedene Oberbürgermeister indes: „Der Vertrag, den die Stadt 2019 mit der Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten (BIMA) und dem Regierungspräsidium geschlossen habe, schreibe zwar eine Wiederansiedlung der Haubenlerche und deren Schutz vor. „Aber davon, dass dafür 15 bis 18 Hektar eingezäunt werden müssen, steht darin nachweislich nichts. Das hätten wir auch nicht vereinbart.”
Regierungspräsidium soll Vorgabe für Schutz von Haubenlerche ausgeweitet haben
Nach „MM“-Informationen war in jenem Vertrag nur von einem Zehn-Meter-Schutzradius um Brutstätten die Rede. Im Juni 2021 soll das Regierungspräsidium jedoch die Vorgabe deutlich ausgeweitet haben. Nun ging es um jeweils zwei Hektar große Brutreviere.
An einen solchen Vorgang könne er sich nicht erinnern, sagt Kurz. Aber von einer derartigen Dimension - also einer Gesamtfläche von 15 bis 18 Hektar - habe er noch nie gehört, sonst hätte er sofort darauf reagiert. „Das wäre selbstverständlich ein Thema für den Gemeinderat gewesen, vor allem aber hätte ich mit dem Regierungspräsidium darüber gesprochen, wie sich das anders gestalten lässt“, so der Sozialdemokrat.
Auf die Frage, ob es sich bei der neuen Vorgabe um eine Vertragsänderung oder eine Anweisung des Regierungspräsidiums gehandelt habe und mit wem sie bei der Stadt kommuniziert wurde, kann ein Rathaussprecher am Mittwoch auf die Schnelle nicht antworten. Er sagt aber Aufklärung zu.
Haubenlerche in Mannheim früher so häufig wie Spatzen
Näheres zu Haubenlerchen kann die städtische Expertin Katrin Back erklären. Die Bodenbrüter bräuchten eine höchstens zur Hälfte geschlossene Vegetation und Brachflächen mit Sandböden. „Auf Spinelli wird daher für sie eine Drei-Felder-Landwirtschaft betrieben: Wintergetreide, Sommergetreide, Brache.“
Traditionell gehörten Haubenbrüter nach Mannheim, betont Back. Früher seien sie so häufig wie Spatzen gewesen, aber durch den Wegfall geeigneter Brutgebiete immer weniger geworden. „Heute stehen sie auf der Roten Liste der am stärksten vom Aussterben bedrohten Arten.“ Das letzte Brutpaar sei hier 2017 gesehen worden.
Plan B für Haubenlerche auf Spinelli: Jungtiere in Großvoliere aufziehen
In der jüngeren Vergangenheit wurden indes drei einzelne Vögel auf Spinelli und Feudenheimer Au gesichtet. Dass mache zwar Hoffnung, sagt Back. Es könne sich aber auch nur um Durchzügler handeln.
Paul Hennze, Vorsitzender des Naturschutzbundes in Mannheim, hat mit dem Regierungspräsidium schon einen Plan B erörtert: Jungtiere auf Spinelli zu bringen und in einer Großvoliere aufzuziehen.
Schutz für die Haubenlerche: Verschiedene Möglichkeiten
Zur Art der Zäune sagt Hennze, da gebe es unterschiedliche Möglichkeiten. In Walldorf, wo in der Brutzeit sogar ein Hausarrest für Katzen gilt, seien sie bis zu zwei Meter hoch. Ein bis 1,20 Meter hoher, über den Schnellbach spekulierte, funktioniere nur, wenn die Vierbeiner mit speziellen Vorrichtungen oben am Überklettern gehindert würden. Aber man könne auch mit Mischformen arbeiten: niedrigen Zäunen am Wegesrand und hohen direkt um Brutstätten. Hennze ist vor allem wichtig, „dass jetzt kein Religionskrieg ausbricht, sondern wir vernünftig miteinander reden“. Gefragt sei eine Schutzform, die auch auf Bedürfnisse der Menschen Rücksicht nehme. Wolfgang Schuy, Vorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz, findet, dass der Mensch „hier zurückstecken“ müsse. Man habe das Habitat, also den Lebensraum, für Haubenlerchen geschaffen und wolle ja, dass sie sich ansiedelten. Zu diesem Zweck könne der Bereich auf Spinelli seiner Meinung nach auch schon dann abgesperrt werden, wenn noch keine Tiere konkret gesichtet worden seien.
Der Schutzzweck auf Spinelli sei Naturschützern zwar von Anfang an wohlbekannt gewesen, so Schuy. Dass dazu derartig großflächige Absperrungen vereinbart wurden, habe man indessen „nicht ausdrücklich gewusst“. Wenn man den Artenschutz ernst nehmen wolle, müsse man diese Verträge nun aber auch einhalten.
Haubenlerche auf Spinelli von Katzen vertrieben?
Die für Haubenlerchen vorgesehenen Flächen liegen größtenteils westlich der Völklinger Achse, dem direkten Weg zwischen Feudenheim und Käfertal-Süd. Ein zwei bis drei Hektar großer Teil befindet sich auch auf dem Buga-Experimentierfeld, östlich des Kirchengartens, südlich der Weinbar. Für den Bereich gibt es einige Nutzungsideen.
Im Ausschuss wies Schnellbach auch auf ein Kuriosum hin. So habe die BIMA, nachdem die US-Armee das Gelände geräumt habe, 2013/14 auch Katzenschützern einen Schlüssel gegeben. Damit die sich um die von den Soldaten zurückgelassenen Tiere und weitere Streuner kümmern konnten. Demnach könnten die vom Menschen wohlgenährten Fressfeinde damals dafür gesorgt haben, dass die seinerzeit letzten Haubenlerchen verschwanden.
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