Mannheim. Lydia Frotscher schaut derzeit ständig auf den Wetterbericht. „Es hilft schon, wenn es nachts wenigstens ein bisschen ab- kühlt“, so die Gärtnerische Leiterin der Bundesgartenschau, „dass die Pflanzen nicht so unter Stress stehen“. Bei höherer Luftfeuchtigkeit sei die Verdunstung geringer, ein paar Wolken seien „besser als heiß und wolkenlos“, und ein bisschen Regen würde „wenigstens den Staub von den Blättern waschen“. Aber mit mehr als einem bisschen Regen ist in den nächsten Tagen nicht zu rechnen. „Ich stelle mich darauf ein, dass es heiß bleibt“, sagt Lydia Frotscher. Daher muss das Spinelli-Areal bewässert werden.
Aber es darf nicht einfach jeder einen Wasserhahn aufdrehen. „Wir haben dafür einen strengen Stundenplan, wer wann bewässert“, betont Christian Lerch, der Bereichsleiter Parkanlage und Infrastruktur der Bundesgartenschaugesellschaft. Die Wassermenge ebenso wie der Wasserdruck sind nämlich auf dem weitläufigen früheren Kasernenareal streng begrenzt.
Gefördert wird das Wasser aus zwei Tiefbrunnen im südlichen Bereich der Feudenheimer Au. Da gab es bei den Planungen zwar immer mal wieder Sorgen, vor allem der Kleingärtner, dass bei einer Bewässerung der Bundesgartenschau der Grundwasserpegel sinkt. Der sei aber „erstaunlich stabil“, so Lerch, weil an anderer Stelle – etwa durch die Industrie – zuletzt weniger Grundwasser gefördert worden sei.
Zwei Tiefbrunnen
Aus den Brunnen wird das kühle Nass in das 4300 Quadratmeter umfassende, riesige Becken im Süden der Au geleitet. Eine 60 Zentimeter dicke Schicht aus einem sandigen Substrat sowie die Wurzeln von 50 000 Schilfpflanzen sorgen dort für natürliche Reinigung, holen Eisen und Phosphor-Überreste aus dem Wasser. Aus dem Becken fließt es durch den neu angelegten Bachlauf entlang der Au zu dem ebenso neu angelegten See. Er dient als Wasserreservoir für die Bewässerung des Spinelli-Areals.
Freilich gilt aus ökologischen Gründen eine von der Naturschutzbehörde festgelegte, strikte Obergrenze, wie viel aus dem Boden beziehungsweise dem See gepumpt werden darf. Das ist auf 600 Kubikmeter pro Tag begrenzt und entspricht genau der Menge, die bei der multimedialen Wassershow „Aquanario – World of Watertainment“ im Mai 2017 im Ehrenhof vom Schloss in das Becken passte. Nicht eingeschlossen ist dabei das Trinkwasser für Gastronomie und Trinkbrunnen – aber eben das komplette sogenannte Brauchwasser zum Gießen. „Das bedeutet, dass sich nicht einfach jeder ständig bedienen kann“, erklärt Christian Lerch. Menge und Zeitfenster werde eben per Stundenplan vorgegeben.
Man kann Pflanzen auch erziehen.
„Darauf müssen sich die Gärtner einstellen“, sagt Lydia Frotscher, „das sind eben die Zeichen der Zeit“ – schon im Sinne der Ökologie und Nachhaltigkeit. „Man kann Pflanzen auch erziehen“, verweist sie auf das Beispiel der Dahlien, die derzeit auf Spinelli auf 1000 Quadratmetern Fläche für eine farbenfrohe Pracht sorgen. Anfangs sind sie nachts eine Stunde lang bewässert worden. „Wir haben dann ausprobiert, auf 40 Minuten zu gehen“, so Frotscher, die Gartenbaumeisterin und Gartenbautechnikerin ist. Die Wurzeln würden sich dann mehr strecken, um das Wasser im Boden zu erreichen, und auf Dauer würde das die Pflanzen widerstandsfähiger machen, erläutert sie. „Das funktioniert auch im Privatgarten“, so ihr Tipp.
Teils nachts, mal tagsüber mit unterirdischen Leitungen, teils am frühen Morgen oder abends, wenn keine Besucher mehr da sind – auf dem Buga-Gelände wird daher zu völlig unterschiedlichen Zeiten bewässert. Die Betriebe hätten sich daran erst gewöhnen müssen, erzählt Lerch – insbesondere jene Firmen, die auch schon bei anderen Gartenschauen im Einsatz waren, wo es keine solch strengen Vorgaben gegeben habe.
In Mannheim sind die großflächigen Rosenbeete alle mit Wasserleitungen versehen, die – per Zeitschaltuhr gesteuert – unterirdisch feine Tröpfchen abgeben. Das funktioniert tagsüber. Auch einige Beete des Wechselflors haben solche Rohre. „Wo wir von oben bewässern, dann nur spät abends oder in den frühen Morgenstunden“, so Lydia Frotscher, „damit das Wasser nicht gleich wieder verdunstet“.
Teilweise passiert das durch Mitarbeiter von Gartenbaufirmen mit dem Schlauch, etwa bei einigen der Wechselflorbeete oder Bäumen. Teilweise sind – per Ausschreibung – Gartenbauunternehmen ermittelt worden, die mit sechs Traktoren und Tankanhängern auf dem Areal unterwegs sind. Etwa 4000 Liter fasst solch ein rollendes Riesenfass. Zusätzlich setze man noch einen Landwirt aus der Region als Verstärkung ein, ergänzt Lerch. An einigen Stellen sind zudem versenkbare Rasensprenger fest installiert, oder es werden mobile Rasensprenger aufgestellt.
Das gilt etwa für das Multifunktionsfeld im westlichen Teil von Spinelli, eine Art Sportplatz. Im Westen des Buga-Areals werden sonst nur die Bäume, die ja noch anwachsen müssen, sowie die Blumenbeete mit Wasser versorgt. Am Anfang habe man auch noch den mit Rasen bedeckten sogenannten „Gedeckten Gang“, also die Aufschüttung zur Straße am Aubuckel hin, bewässert, „damit das Gras dort anwächst und nächstes Jahr wieder kommt, aber jetzt lassen wir das“, so Lerch. Auch die Aussaatmatten in der Schräge zum Beton-Kunstwerk „Conversio“ werden gespritzt, „aber nur, bis sie besser eingewachsen sind“.
Schwierig für die Gärtner war, dass Hitze und Trockenheit genau in dem Moment kamen, als sie auf den gesamten Wechselflorflächen die verwelkten Frühlingspflanzen entfernten und durch Sommerblumen ersetzten. „Da mussten wir anfangs jeden Tag gießen, aber sobald die Wurzeln ziehen, machen wir das nur noch zwei Mal in der Woche“, sagt Frotscher. Für die auf dem Gelände verteilten Pflanzkübel, die per Tankwagen angefahren werden, habe sich ihr Kollege Dominik Kühn etwas einfallen lassen, nämlich einen Einsatz aus Kunststofffolie: „Da sickert das Wasser dann langsam in die Erde, so hält es der Boden länger.“
Intensivere Pflege
Intensiver kümmern sich die Bewässerungstrupps zudem um die Flächen an der Seilbahnstation („Damit die ankommenden Besucher einen guten Eindruck haben“), die Beete im Willkommensbereich, an Spielplätzen sowie um die Ausstellungsbeiträge im Experimentierfeld, etwa den Gemüseanbau.
Reine Rasen- und Wiesenflächen werden indes nicht bewässert. Die sind daher sehr schnell braun geworden, „und das bleibt auch so, das gehört sich so“, stellt Lerch mit Blick auf Naturschutz-Auflagen sowie den Nachhaltigkeits-Gedanken klar. Das gilt etwa für mindestens zwei Drittel der „Weiten Mitte“, also des naturbelassenen Teils des Spinelli-Areals. Schädlich sei das für die Pflanzen nicht, ergänzt Lydia Frotscher. Sie lebten weiter: „Die samen trotzdem aus und erholen sich im Herbst wieder“, ist sie sicher.
Dass die braunen Flächen nicht jedem gefallen, ist den Buga-Vertretern bewusst. „Wir wissen, dass wir den Besuchern da etwas zumuten“, so Lerch, aber als Ausgleich gebe es die herrlichen Rosenbeete und den grünen Luisenpark – denn im Luisenpark kommt das Wasser aus dem Neckar beziehungsweise dem Kutzerweiher. Dabei habe sie mit viel mehr Beschwerden gerechnet, räumt Frotscher ein: „Aber die Leute sind verständnisvoller als befürchtet“. Doch vielleicht habe sich einfach die Erkenntnis durchgesetzt, hofft sie, „dass das heute nicht mehr in die Zeit passt, ständig zu spritzen“.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Bewässerungsstrategie bei der Buga: Ungewohnt – doch sinnvoll