Sozialatlas

Wandel in Mannheim: Migration bringt Wohnungsmarkt unter Druck

Welche Stadtteile Mannheims gelten als sozialstrukturell auffällig? Wo ist der demografische Wandel besonders zu spüren? Wie wirken sich globale Trends auch in Mannheim aus? Thorsten Riehle präsentiert den neuen Sozialatlas

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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66 Prozent der Mannheimer wohnen in sozial unauffälligen Wohngebieten. © Bernhard Zinke

Mannheim. Den frisch gedruckten vierten Sozialatlas der Stadt Mannheim präsentiert Thorsten Riehle als Fachdezernent. Er habe aber schon als Stadtrat die Vorgängerexemplare intensiv als Informationsquelle genutzt, betont er bei einem Pressegespräch im Stadthaus.

Tabellen, Grafiken und Begleittexte samt optisch hervorgehobener Kernbotschaften dokumentieren, was sich im Großen, aber auch im Kleinen, nämlich auf Ebene der 38 Stadtteile, seit 2021 – und damit seit Veröffentlichung des letzten Übersichtswerkes – getan hat. Bürgermeister Riehle macht „eine Dynamik“ aus, die sowohl mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie wie mit dem Zustrom von Menschen aus dem Kriegsgebiet Ukraine zu tun hat.

Kommentar Der Mannheimer Sozialatlas liefert wichtige Erkenntnisse

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Waltraud Kirsch-Mayer
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Der Sozialatlas belegt: Was weltweit passiert, fordert nicht nur Regierungen, sondern auch die Kommunalpolitik heraus. Beispielsweise bringen Flucht und Migration in Mannheim den ohnehin angespannten Wohnungsmarkt zusätzlich unter Druck – insbesondere in Stadtteilen, wo die Mieten (noch) einigermaßen günstig sind.

Armut hat auch in Mannheim eine räumliche Dimension

In dem Kapitel über Zuwanderung aus Südosteuropa lautet nicht von ungefähr eine dick gedruckte Botschaft: „Bezahlbarer Wohnraum – Wichtiger Baustein zur Integration“. Weil Wohnraum aber mehr als rar ist, wohnen viele aus Bulgarien und Rumänien stammende Menschen in der Neckarstadt-West, dem Jungbusch und der Innenstadt – und damit in Stadtteilen, die ohnehin als belastet gelten.

Auch Armut hat „eine räumliche Dimension“. Und die unterfüttert der Sozialatlas mit Daten und Tabellen. Während beispielsweise im Niederfeld, in Wallstadt, der Oststadt und Feudenheim jene Quote von Menschen, die auf Mindestsicherung, also Sozialleistungen angewiesen sind, sich unter fünf Prozent bewegt, liegt diese auf der Hochstätt, in Schönau-Nord und der westlichen Neckarstadt um ein Vielfaches höher – bis zu 29,2 Prozent. Manchmal springen Farben mehr als Zahlen ins Auge.

Ist der Mannheimer Stadtteil Franklin ein sozialer Brennpunkt?

In sattem wie hellem Grün präsentieren sich 20 Stadtteile in der Typisierung von „sozialstrukturell (eher) unauffällig“. Hingegen ploppen zwölf Stadtteile in Orange und Rot auf und gelten damit als „(eher) auffällig“. Immerhin lebt in den sozial unauffälligen und den durchschnittlichen Wohngebieten mit 66 Prozent die deutliche Mehrheit aller Mannheimerinnen und Mannheimer. Aber ein Drittel der Stadtbevölkerung – und das ist nicht wenig – wohnt dort, wo sich vielfältige Probleme ballen.

Bekanntlich ist es mit Statistiken so eine Sache, weil isolierte Zahlen leicht in die Irre führen können. Dass der neue Stadtteil Franklin bei der Typisierung in fünf Farben mit warnendem Orange ins Auge sticht, verwundert beim ersten Hinschauen.

Der Leiter des Fachbereichs Arbeit und Soziales, Jens Hildebrandt, klärt auf, dass hier, insbesondere im Bereich „Columbus“, viele Menschen leben, die aus der Ukraine geflüchtet sind. Sie beziehen zwar Sozialleistungen, verfügen aber zum großen Teil über berufliche Abschlüsse, die jedoch in Deutschland oftmals nicht anerkannt werden.

Als das größte Hemmnis, Frauen aus der Ukraine in Jobs zu vermitteln, bezeichnet Hildebrandt das Fehlen von Betreuungsmöglichkeiten der Kinder. Dennoch liege die Mannheimer Integrationsquote von Frauen und Männern, die vor dem Angriffskrieg aus ihrer Heimat geflohen sind, deutlich höher als im Bundes- und Landesmittel.

Der demografische Wandel in Mannheim

Dass die Gesellschaft altert, hat schon in früheren Sozialatlas-Ausgaben beschäftigt. Zunehmend reift jedoch die Erkenntnis, dass es auch jung gebliebene Alte gibt, selbst unter Hochbetagten, aber gleichwohl die Zahl jener zunimmt, die auf begleitende Hilfe angewiesen sind.

Was dies bedeutet, wird in dem „Mannheimer Modell Vogelstang“ ganz konkret ausgelotet. Neben neuen Formen eines aufsuchenden Pflegemanagements soll nicht aus dem Blick geraten, dass viele Männer und Frauen eine hohe Motivation haben, sich nach der Pensionierung oder wenn die Kinder aus dem Haus und Enkel auch schon wieder groß sind, sich ehrenamtlich zu engagieren. Und nicht wenige Ältere wollen auch über den Renteneintritt hinaus arbeiten. „Weshalb es die Jobbörsenstruktur zu nutzen gilt“, wie der Sozialatlas nahe legt.

Die Zunahme von Einpersonenhaushalten zeichnet sich seit Jahren ab. Inzwischen trifft dies in Mannheim auf jeden zweiten Haushalt zu – was häufig mit Singles als Ausdruck individualisierter Lebensformen verknüpft wird.

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Allerdings gibt es auch die „schicksalsbedingten“ Singles, wenn im Alter ein (Ehe-)Partner stirbt. In Mannheim wohnt mehr als ein Drittel (36,6 Prozent) aller über 65-Jährigen allein – Tendenz steigend. In manchen Stadtteilen, wie der Schwetzingerstadt, gilt dies sogar für mehr als die Hälfte der Senioren-Altersgruppe.

Die Vereinzelung hat Folgen: Vereinsamung. Und der sollte rechtzeitig mit wohnortnahen Angeboten vorgebeugt werden, lautet die Empfehlung. Schließlich gelingt Kontakteknüpfen nicht von heute auf morgen, insbesondere im Alter.

An dem Sozialatlas haben viele mitgewirkt. Tobias Korn und Milena Etges-Steidlinger erläutern nicht nur Medienvertretern die Zahlen samt Befunde, sondern auch im anschließenden Fachausschuss des Gemeinderates. Das 240-Seiten-Werk steht unter www.mannheim.de/sozialatlas als Download zur Verfügung und ist als gedruckte Version bei der Sozialplanung des Fachbereichs Arbeit und Soziales erhältlich.

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