Energie

Wärmewende in Mannheim: Nun äußern sich OB und MVV-Chef

Der Fernwärmeausbau in Mannheim ist beschlossen. Aber was heißt das? Die beiden Hauptverantwortlichen sprechen über den Fernwärmeausbau in Mannheim, spezielle Förderungen für Hausbesitzer und steigende Energiepreise

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Martin Geiger
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Rund 60 Prozent der hiesigen Haushalte heizen mit Fernwärme. In zehn Jahren sollen es 75 Prozent sein. © Thomas Tröster

Mannheim. Herr Specht, mit der nun beschlossenen kommunalen Wärmeplanung hat Mannheim ein Konzept, wie alle Gebäude bis 2040 klimaneutral beheizt werden könnten. Welche Bedeutung hat dieser Schritt für die Stadt?

Christian Specht: Das ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Klimaneutralität unserer Stadt, die wir ab 2030 erreichen wollen: Einmal für die Bürgerinnen und Bürger, denen wir vielfältige Angebote für bezahlbare Wärme machen. Aber auch für Unternehmen ist dieser Schritt wichtig, weil wir ihnen damit eine attraktive Perspektive bieten. Deshalb ist die Wärmeplanung nicht nur für die Ökologie relevant, sondern auch für die Ökonomie.

Herr Müller, auf Ihrer Internetseite kann man seit Kurzem prüfen, ob man einen Fernwärmeanschluss bekommen kann – und wenn ja, wann. Wie viele Zugriffe haben Sie seither gehabt?

Georg Müller: Wir hatten schon in den ersten beiden Tagen nach dem Gemeinderatsbeschluss mehr als 700 Anfragen beim Verfügbarkeitscheck. Das zeigt das hohe Interesse. Unser Check informiert nicht nur über Fernwärme, sondern auch über die dezentralen Wärmeangebote und leitet zu dem für das jeweilige Gebiet empfohlenen Angebot weiter.

Christian Specht



  • Christian Specht (CDU) ist am 9. Juli im zweiten Wahlgang zum Oberbürgermeister von Mannheim gewählt worden.
  • Der 57-jährige Jurist ist zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der MVV.
  • Zuvor war er Erster Bürgermeister und als Dezernent zuständig für Finanzen, Beteiligungsvermögen, IT sowie Sicherheit und Ordnung.

Die MVV hat gesagt, sie schafft maximal 10 000 neue Fernwärmeanschlüsse bis 2035. Hätten Sie gerne mehr gehabt, Herr Specht?

Specht: Die MVV hat sich zum Ziel gesetzt, die Zahl der Neuanschlüsse pro Jahr zu vervierfachen – von 250 auf 1000. Das ist schon ein Riesenschritt. Das muss man sich mal vor Augen halten! Denn für jeden einzelnen Anschluss muss man eine Straße öffnen, die Leitung verlegen, hat Verkehrsthematiken, die Baulogistik, aber auch die Installationslogistik. Das ist echter Stadtumbau, der auch mit Unannehmlichkeiten einhergehen wird – das muss man ehrlich sagen. Aber wir wollen die Stadt zukunftsfähig machen, und deswegen bin ich froh, dass wir nicht irgendwelche politischen Zahlen vorgegeben haben, sondern das machen, was wir uns auch zutrauen. Und wenn das gelingt, hätten von den etwa 50 000 Gebäuden in Mannheim 30 000 Fernwärme: Damit liegen wir bundesweit ganz weit vorne.

Herr Müller, warum liegt die Grenze bei 10 000? Steht zu wenig Wärme zur Verfügung – oder liegt es an den Handwerkerkapazitäten?

Müller: Wir müssen dabei das Zusammenspiel von mehreren Faktoren berücksichtigen: Zum einen diejenigen, die Herr Specht bereits genannt hat. Darüber hinaus auch: Wie ist die Verdichtungssituation im jeweiligen Netzgebiet? Welche Kapazität hat eine Transportleitung? Wie groß ist die Wärmenachfrage in einem Gebiet? Und funktioniert die Netzhydraulik, also können wir die Wärme da gesichert hinbringen? Aus all dem sind die 10 000 entstanden, die wirklich ambitioniert sind. Einen Mangel an grüner Wärme, um das klar zu sagen, gibt es nicht.

Georg Müller



  • Georg Müller ist seit 2009 Vorstandsvorsitzender der MVV.
  • Sein Vertrag ist 2023 um bis zu fünf Jahre verlängert worden.
  • Geboren wurde er 1963 in Höxter in Nordrhein-Westfalen.
  • Vor seiner Zeit in Mannheim hat er als Rechtsanwalt in Düsseldorf gearbeitet, ehe er zum Energiekonzern RWE wechselte. 

Wie soll der Ausbau nun ablaufen? In welchen Gebieten fangen Sie an, welche sind als Letzte dran?

Müller: Wir fangen da an, wo schon Transportleitungen und Verteilnetze liegen – wo wir also nur die Gebäude anschließen müssen. Wir nennen das Verdichtung. In diesen Gebieten werden wir verstärkt dafür werben, dass sich noch mehr Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen für die Fernwärme entscheiden. Der zweite Schritt – den wir parallel beginnen werden, der aber etwas länger dauert – ist der Ausbau, also da, wo wir neue Leitungen legen müssen.

Wo wird’s da losgehen?

Müller: Das kann ich Ihnen heute noch nicht präzise sagen, weil es wesentlich vom Interesse der potenziellen Kundinnen und Kunden abhängt: Je mehr Menschen und Unternehmen in den geeigneten Gebieten Beratungen vereinbaren und sich für Fernwärme entscheiden, desto schneller werden wir in die Detailplanung einsteigen. Wenn sich dann ein Ausbau abzeichnet, werden wir natürlich alle Einwohner in diesem Bereich informieren. Wir brauchen jeweils eine hinreichende Anzahl von Interessierten, so dass wir möglichst straßenzugweise vorgehen können.

Wie hoch muss diese sein? Die Hälfte der Hausbesitzer? Mehr?

Müller: Das kann man nicht abstrakt beantworten, weil es vom jeweiligen Netzgebiet abhängt: In einer kurzen Straße reichen vielleicht 15 Interessierte, in einer langen Straße aber nicht – deshalb wäre es falsch, sich auf eine Zahl zu versteifen. Und wenn es irgendwo einen Großkunden gibt, sieht die Lage noch einmal anders aus.

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Aber wenn in den Ausbaugebieten die Fernwärmeanschlüsse noch unter dem Vorbehalt stehen, dass es genügend Interesse gibt, dann schafft die Wärmeplanung doch gar nicht die Klarheit, die sie eigentlich schaffen soll, oder?

Specht: Sie schafft Orientierung. Das ist ein Rahmenplan, der sich jetzt Stück für Stück entwickelt.

Müller: Eine verbindliche, hausspezifische Planung für die ganze Stadt kann es doch gar nicht geben. Das System muss beweglich bleiben, damit es so effizient wie möglich wird. Darum wird der Plan auch regelmäßig, zum Beispiel alle fünf Jahre, fortgeschrieben, um stets neue Erkenntnisse einfließen zu lassen.

Bleibt es dabei, dass es keinen Anschlusszwang geben wird? Oder kann sich das ändern, wenn zu wenig Bürger Fernwärme wollen?

Specht: Nein, das kann ich ausschließen: Wir schreiben nichts vor. Wir wollen aber alle mitnehmen und allen ein Angebot machen. Deshalb möchte ich betonen, dass wir uns auch um diejenigen kümmern werden, die absehbar keine Fernwärme bekommen können. Ihnen werden wir verstärkt Fördermöglichkeiten anbieten, so dass für alternative Lösungen wie Wärmepumpen bis zu 70 Prozent Förderung möglich ist. Es wird also neben der Fernwärme auch sehr gute andere Lösungen geben.

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Martin Geiger
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Vor allen Dingen für diese Haushalte dürfte sehr interessant sein, wann der Gemeinderat sogenannte Wärmenetzgebiete ausweist – denn erst ab dann greift in Mannheim das „Heizungsgesetz“. Wann geschieht das?

Specht: Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten zunächst einmal die Entwicklung beobachten – und dann sehen wir weiter.

Müller: Hinter Ihrer Frage steckt ja noch eine zweite, nämlich wie lange man in Mannheim noch Öl- und Gasheizungen einbauen darf. Und dazu würde ich gerne Folgendes ergänzen: Alle, die jetzt noch auf diese Technologien setzen, müssen sich darüber im Klaren sein, dass zwar die Anschaffungskosten womöglich geringer sind, die Betriebskosten aufgrund der CO2-Bepreisung aber absehbar steigen werden. Und deshalb bezweifle ich stark, dass Öl- und Gasheizungen auf die gesamte Lebensdauer betrachtet günstiger sein werden als erneuerbare Lösungen.

Wenn wir schon bei den Preisen sind: Wie wird sich der der Fernwärme entwickeln?

Müller: Ganz genau wird Ihnen das niemand beantworten können. Zwei Dinge lassen sich aber sagen: Im Vergleich zu heute wird der Fernwärmepreis steigen, weil Investitionen notwendig sind. Er würde aber auch steigen, wenn wir gar nichts machen würden – weil sich die CO2-Abgaben erhöhen. Dennoch wird die Fernwärme auch in Zukunft konkurrenzfähig mit alternativen Beheizungsmethoden bleiben. Das ist das Zweite, was ich versprechen kann.

Wie viel Geld investieren Sie denn in den Ausbau der Fernwärme?

Müller: Einen dreistelligen Millionenbetrag. Genauer lässt es sich momentan nicht sagen.

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Wie froh sind Sie als Oberbürgermeister, dass der städtische Etat dadurch nicht belastet wird? Manch andere Städte müssen zig Millionen Euro zuschießen...

Specht: Die kluge Politik der Stadt Mannheim in den letzten Jahrzehnten hat uns diese komfortable Ausgangssituation beschert. Jetzt zeigt sich, dass es richtig war, unseren Energieversorger nicht komplett zu verkaufen, sondern die Mehrheit zu behalten. Ebenso richtig war es, Geld im Unternehmen zu belassen und nicht alles herauszuquetschen. Davon profitieren wir nun.

Die MVV hat versprochen, ab 2030 nur noch Fernwärme zu erzeugen, die als klimaneutral gilt. Wie läuft die Umstellung? Dem Zertifikat auf Ihrer Internetseite zufolge waren Sie 2022 gerade mal bei 12,5 Prozent erneuerbarer Energie.

Müller: Wir werden bis Ende des Jahres mit der neuen Phosphorrecycling-Anlage, der Anbindung des Biomassekraftwerks und den Besicherungsanlagen die zweite Stufe abgeschlossen haben. Damit können wir schon bis zu 60 Prozent der Fernwärme aus grünen Quellen liefern. Und für die dritte Stufe haben wir mehrere Optionen – etwa Geothermie, weitere Flusswärmepumpen, eine Biomethan-Anlage und weitere industrielle Abwärme. Für welche wir uns entscheiden werden, steht noch nicht fest. Sicher bin ich mir aber, dass wir 2030 zu 100 Prozent grüne Fernwärme haben werden.

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Eigentlich wollten Sie Ende 2022 die Standorte für die bis zu drei gemeinsam mit der EnBW geplanten Geothermie-Anlagen im Raum südlich von Mannheim präsentieren. Wann wird es soweit sein?

Müller: Die Untersuchung des Untergrunds hat länger gedauert. Ich denke aber, dass wir noch in diesem Jahr soweit sind, dass wir über konkrete Standorte reden können.

Sie haben zudem mit dem Karlsruher Unternehmen Vulcan einen Vertrag geschlossen, dass dieses Ihnen ab 2025 Wärme für 25 000 bis 35 000 Haushalte liefern wird. Die Wärme soll aus bis zu drei Geothermie-Anlagen kommen, die Vulcan im Großraum Mannheim bauen will. Aber auch hier sind die Standorte weiter offen. Ist es noch realistisch, dass Vulcan den Vertrag einhält?

Müller: Der Vertrag ist so abgefasst, dass wir Wärme übernehmen, sobald Vulcan liefern kann.

Wie wohl ist es dem Oberbürgermeister bei dem Gedanken, dass künftig theoretisch bis zu sechs Geothermie-Anlagen in Mannheim stehen könnten?

Specht: Die Geothermie kann eine große Rolle bei der Wärmewende spielen. Und die ersten Bilder, die wir von den Untersuchungen gesehen haben, zeigen, dass es im Oberrheingraben Vorkommen gibt – auch unter unserer Stadt. Das kann eine Riesenchance sein, weil es eine zuverlässige, grundlastfähige und klimaneutrale Wärmequelle ist. Darum bin ich froh über diese Option, die andere Standorte in Deutschland nicht haben. Das ist auf jeden Fall ein Vorteil.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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