Mannheim. Frau Hamann, in der Kunststraße können sich Menschen auf Parklets sportlich betätigen. Nun hat die Stadt mitgeteilt, dass die Parklets wieder abgebaut werden - um sie eventuell an anderen Orten anzubieten. Was halten Sie als Vorsitzende des Sportkreises Mannheim von diesen Stationen?
Sabine Hamann: Im Grundsatz finde ich es sehr gut, dass die Stadt Sportangebote unterbreitet. Das ist mir wichtig festzuhalten. Es ist wichtig, mit Angeboten, zum Beispiel mit den Sportboxen im Unteren Luisenpark, auf das Themenfeld Sport hinzuweisen. Die Parklets scheinen mir an dieser Stelle der Stadt aber nicht sehr gut platziert gewesen zu sein. Bei der einen oder anderen Gelegenheit hatte es ja geheißen, die Parklets sollten auf den Vereinssport aufmerksam machen: Menschen, die in der Stadt diese Sportangebote wahrnehmen, sollen animiert werden, in einen Verein zu gehen. Ich habe als Funktionärin allerdings bislang noch aus keinem Verein gehört, dass jemand aufgrund der Parklets Kontakt aufgenommen hätte. Ich hatte das Angebot in seiner Form an den gewählten Orten für nicht wahnsinnig gelungen gehalten, und dies scheint ja nun bei der Stadt inzwischen ähnlich gesehen zu werden.
Aufruf zur Meldung ehrenamtlicher Bürger
- Die Stadt Mannheim bittet ehrenamtliche Bürgerinnen und Bürger, die in Sportvereinen aktiv sind, sich zu melden, um sie zu honorieren. Wie die Stadt mitteilt, werden die Ehrenamtlichen zu einem Kinovormittag mit Sportbürgermeister Ralf Eisenhauer am Sonntag, 18. Dezember, um 11 Uhr eingeladen.
- Alle Vorsitzenden, Trainerinnen und Trainer, Übungsleiterinnen und Übungsleiter, Schieds- oder Kampfrichter und auch alle Helfenden, die sich bei unentgeltlichen Arbeitseinsätzen im Rahmen von Vereinsfesten, Fahrdiensten oder Sportveranstaltung engagieren, werden dazu aufgerufen, sich unter mannheim-bewegen.de zu melden. Die gemeldeten Personen werden inklusive einer Begleitperson zu dem Kinovormittag eingeladen. Der Fachbereich Sport und Freizeit der Stadt steht für Rückfragen unter der Rufnummer 0621/ 2934004 zur Verfügung.
Hätte man mit den Parklets, statt sie nun abzubauen, den Vereinen helfen können?
Hamann: Flächen bereitzustellen, in denen über Sport und Sportvereine informiert wird, ist sicherlich gut und sinnvoll. Nur müssen dort dann aber auch Informationen über die Sportvereine zu finden sein. Sei es, dass man beispielsweise einen QR-Code oder eine Tafel an den Parklets anbringt, die zu einer Vereinsübersicht führt, wie zum Beispiel zum Sportstättenatlas. Man könnte auch die Wände der Parklets mit Werbung oder Abbildungen aus den Vereinen füllen, zum Beispiel die Namen aller Vereine in Graffiti sammeln. Konkrete Informationen über die Wege in die Vereine vorzufinden, wäre auf jeden Fall das Mindeste gewesen, um das Konzept weiterzudenken.
Chefin des Sportkreises
- Sabine Hamann wurde 1965 in Mannheim geboren.
- Die promovierte Erziehungswissenschaftlerin ist seit 2018 Sportkreisvorsitzende, zuvor war sie dessen stellvertretende Vorsitzende.
- Sie ist Mitglied im Präsidium des BSB, sachkundige Einwohnerin im Sportausschuss des Gemeinderats, sitzt im Beirat des MRV Amicitia und war bis 2020 die 2. Vorsitzende des Mannheimer Regattavereins. Hamann selbst kommt vom Rudersport.
Hat die Stadt mit dem Sportkreis über die Einführung und die gewollte Wirkung der Parklets vor deren Einführung gesprochen?
Hamann: Stadt und Sportkreis sprechen viel miteinander, und wir tauschen uns intensiv aus. Ganz aktuell zum Beispiel, wenn es um Wassertemperaturen in den Bädern oder Raumtemperaturen in den Hallen geht. Diese Dinge tragen wir eigentlich immer gemeinsam, und wir wissen das konstruktive Miteinander sehr zu schätzen. Über die Parklets haben wir aber nicht gesprochen.
Hätten Sie sich ein Gespräch vor Einführung gewünscht?
Hamann: Schwer zu sagen. Ich hätte die Parklets in ihrer jetzigen Form ungern mittragen wollen, weil ich vom Standort wenig überzeugt war. Wenn ein Gespräch dazu geführt hätte, hilfreiche Informationsmaterialien im Sinne der Vereine anzubringen, wäre es sinnvoll gewesen, hierüber mal zu sprechen.
Wie nehmen Sie als Vorsitzende des Sportkreises die Situation der Mannheimer Vereine wahr?
Hamann: Als sehr, sehr schwierig. Hinter uns liegen die beiden Pandemiewinter, die die Sportvereine arg gebeutelt haben. Zum einen in Bezug auf die Mitglieder, deren Zahl zurückgegangen ist. Das hat finanzielle Einbußen zur Folge gehabt. Zum anderen haben die Vereine ein massives Problem, Ehrenamtliche zu gewinnen. Viele von ihnen können ihre Angebote nicht mehr vollumfänglich befriedigen, weil schlicht und ergreifend die Personen fehlen. Die Vereine merken, dass Ehrenamtliche fehlen, und müssen deshalb öfter auf Hauptamtliche zurückgreifen, wofür sie aber Geld brauchen.
Jetzt kommt die Energiekrise dazu.
Hamann: Richtig. Wir haben sehr viele Hilferufe von Vereinen bekommen, die uns darauf aufmerksam gemacht haben, wie stark die finanziellen Auswirkungen sind. Wenn eines in den Vereinen im Moment nicht da ist, dann ist das Geld, das in den Budgetplanungen nicht mitbedacht war. Wir sprechen bei den Energiekosten von hohen Summen. Viele Vereine schreiben uns, dass sie nicht wüssten, wie sie den Winter oder das Frühjahr, in dem die Rechnungen kommen, überleben sollen.
Um ein Gefühl dafür zu bekommen, von welchen Summen wir bei den Energiekosten sprechen: Haben Sie ein Beispiel, um das zu veranschaulichen?
Hamann: Die Summe hängt natürlich zunächst einmal davon ab, was angeboten wird. Ein Schachverein braucht weniger Energie als ein Verein, bei dem Sportlerinnen und Sportler in Umkleiden duschen und eine große Halle unterhalten werden muss, oder ein Schwimmverein, der ein eigenes Becken heizen muss. Uns hat der Vorsitzende eines größeren Vereins aus dem Norden in einer Mail aufgelistet, welche Kosten anfallen und wie hoch diese sind. Für den Gasverbrauch hat der Verein bislang immer etwa 30 000 Euro bezahlt. Wenn man jetzt von einer Verdreifachung der Kosten ausgeht, sind das 90 000 Euro. Das sind gigantische Zahlen. Wo soll das Geld herkommen? Sollen Vereine die Beiträge der Mitglieder erhöhen, die selbst jeden Euro umdrehen müssen? Das wird dazu führen, dass sie austreten. Wir dürfen als Sportkreis nicht vergessen, dass die Energiepreise nicht nur Vereine, sondern jeden privaten Haushalt betreffen.
Sie nehmen die Politik in die Pflicht.
Hamann: Der organisierte Sport ist eine Selbstverpflichtung eingegangen, und die Vereine versuchen, die 20 Prozent Energiekosten einzusparen, wie es der DOSB (Deutsche Olympische Sport-Bund) fordert. Das wird auf Dauer aber nicht reichen. Klar, die Politik hat Schutzschirme und Rettungspakete angekündigt. Dass die Vereine und Verbände ins dritte Entlastungspaket im September nicht aufgenommen wurden, hat uns entsetzt und enttäuscht, gerade nach den Pandemiewintern. Das war frustrierend und ein Zeichen mangelnder Wertschätzung. Der Sport ist gemeinwohlorientiert und vereint viele Menschen. Wenn man daran denkt, was der Vereinssport allein für Integration oder auch Inklusion leistet, ist es ernüchternd, dass die Politik ihn anscheinend für so wenig relevant hält. Ein wichtiges und überfälliges Signal war der Beschluss des Bundeskanzlers mit den Regierungschefs der Länder vom 2. November zur Energiepreisbremse, mit dem ausdrücklich auch Vereine entlastet werden sollen. Wichtig wäre, dass die nun noch in die von der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossene Härtefallregelung einbezogen und über das Wirtschaftsstabilisierungsprogramm entlastet werden.
Wie viele Mails von Vereinen haben Sie bekommen und - viel wichtiger - was antworten Sie?
Hamann: Zum Sportkreis Mannheim, zu dem ja auch der Rhein-Neckar-Kreis zählt, gehören 450 Vereine. Schätzungsweise 15 bis 20 Prozent haben sich bereits an uns gewandt. Wir antworten, dass wir die Dinge aufnehmen und in unseren Gremien weiterkommunizieren. Wir wollen mit den Vereinen und den Kooperationspartnern Hilfsmöglichkeiten entwickeln. Ein wichtiger Partner ist da der Badische Sportbund Nord (BSB), mit dem wir in intensivem Austausch sind. Wir bringen uns bei der Stadt ein, die die Sportförderrichtlinien neu konzipiert. Wir sprechen auch mit Energieanbietern über Sondertarife für Vereine. Der Einbezug der Vereine in den Beschluss zur Gaspreisbremse ist sicherlich auch ein Erfolg der Kommunikation der verschiedenen Ebenen des organisierten Sports mit der Politik. Das sind Dinge, die wir den Vereinen mitteilen.
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Gibt es aus Mannheim heraus Kontakt zur Bundespolitik?
Hamann: Mehrere Vereine, auch aus unserem Sportkreis, haben als Reaktion auf das letzte Rettungspaket, in dem der organisierte Sport nicht auftauchte, einen offenen Brief unterschrieben. Wir haben mit dem BSB und dem LSV (Landessportverband) gemeinsam darauf gedrungen, dass es darauf eine Antwort gibt. Von der SPD-Bundestagsfraktion ist eine Antwort gekommen, in der sie auf Förderprogramme verweist, die schon existieren. Das ist natürlich ein Tropfen auf dem heißen Stein, der in dieser Krisensituation das Überleben der Vereine nicht final sichern wird.
Sie rechnen also damit, dass in Mannheim Sportvereine den Winter nicht überleben werden?
Hamann: Das steht spätestens zu befürchten, wenn die Rechnungen im nächsten Jahr kommen - besonders bei den Vereinen, die aufgrund der Sportarten, die sie anbieten, einen hohen Energiebedarf haben oder die einen eigenen Besitz haben, den sie verwalten müssen. Ja, wir rechnen aktuell mit Vereinen, die das nicht überleben werden.
Von welcher Zahl sprechen Sie?
Hamann: Da kann ich überhaupt keine Schätzungen abgeben.
Können Vereine sich nicht zusammenschließen, um dadurch ein Aus zu verhindern?
Hamann: Dass Sportstätten in irgendeiner Form gemeinsam genutzt werden, kann man sich vorstellen. Mit einem Zusammenschluss tun Vereine sich traditionsgemäß schwer. Aber, ja: Es wird in der Krise eine Enttraditionalisierung im Vereinswesen gefragt sein. Darüber müssen Vereine, auch ohne unser aktives Zutun, nachdenken. Ein erster Schritt können sicherlich Kooperationen sein.
Neben dem Geld fehlt es nach der Pandemiezeit an Ehrenamtlichen. Ist Vereinsarbeit so unattraktiv?
Hamann: Man kann sich gut vorstellen, dass sich Menschen in der Pandemiezeit, als Vereinssport nicht möglich war, anderweitig orientiert haben. Man hat andere Hobbys entdeckt, es hat im persönlichen Leben eine Veränderung stattgefunden. Wir merken jetzt, dass es nicht jedem gelingt, dahin zurückzukehren, wo wir vor Corona gewesen sind. Das Leben hat sich in den letzten Jahren verändert, und nicht jede Veränderung führt in den Verein zurück.
Setzen Vereine, um dem Mangel entgegenzuwirken, verstärkt auch auf Jugendliche, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) leisten?
Hamann: Das FSJ im Sport bietet für junge Menschen eine tolle Möglichkeit, sich auf die wachsenden Aufgaben der Kinder- und Jugendbetreuung vorzubereiten, zum Beispiel durch den Erwerb von Trainer- und Übungsleiterlizenzen. Die Vereine auf der anderen Seite erhalten mit den FSJlern Unterstützung durch motivierte junge Menschen, die sie gerne annehmen, da erfahrungsgemäß die Bindung an den Verein nach Ablauf des FSJ bestehen bleibt - und ehemalige Teilnehmer viel eher bereit sind, sich auch in späteren Jahren ehrenamtlich im Verein zu engagieren als andere Jugendliche. In unserem Einzugsgebiet gibt es im derzeitigen FSJ-Jahr 2022/23 insgesamt 45 Einsatzstellen bei Sportvereinen. Aktuell ist die Bewerbungsphase für 2023/24 angelaufen, wo die Anzahl der Einsatzstellen deutlich ausgebaut werden konnte. Ja, die Vereine setzen auf das Modell FSJ. Eine Übersicht über freie Stellen gibt es immer auch bei unserer Sportkreisjugend, die sich des Themas in hervorragender Weise annimmt.
Welche Funktionen im Verein betrifft der Mangel?
Hamann: Eigentlich fehlt es auf jeder Ebene. Uns fehlen die Trainer, die Funktionäre, die, die den Rasen mähen, oder die, die Kuchen backen. Wir haben aus Vereinen zuletzt immer wieder gehört, dass Feste vorzeitig beendet werden mussten, weil den Vereinen die Helfer gefehlt haben, die den letzten Zeitblock gefüllt haben. Wir bemerken auch, dass Vereinsjubiläen nicht stattfinden, weil sich weder Teilnehmer angemeldet noch Menschen gefunden haben, die das Programm ausgestaltet hätten. Es gibt Vereine, in denen der Vorstand eigentlich aus sieben Ämtern besteht, von denen aber nur drei besetzt sind. Es zieht sich durch alle Sportarten und alle Vereinsebenen.
Welche Konsequenzen drohen uns als Gesellschaft dadurch?
Hamann: Das Ehrenamt springt in aller Regel da ein, wo sich der Staat zurückgezogen hat. Wer löscht ein Feuer, wenn wir keine Freiwillige Feuerwehr mehr haben? Wer bringt Kinder in Vereine, wenn keine Trainer da sind? Es ist verhängnisvoll, wenn wir keine Ehrenamtlichen finden.
Wie kann der Sportkreis Vereine unterstützen, mehr Ehrenamtliche zu engagieren?
Hamann: Wir haben uns beim Freiwilligentag der Metropolregion engagiert und ihn beworben. Im Moment überlegen wir, ob wir eine Freiwilligenbörse einrichten können, über die Ehrenamtliche Vereinen für eine gewisse Zeit ihr Engagement anbieten können und Vereine nach Ehrenamtlichen suchen können. Es ist wichtig, dass wir uns von dem lebenslangen Vereinsgedanken, den vorherige Generationen gehabt haben, verabschieden. Wir müssen projektbezogener denken, weil Menschen eher dazu bereit sind, Aufgaben für einen überschaubaren Zeitraum zu übernehmen, im Wissen, dass das danach wieder beendet ist. Es ist nicht mehr zeitgemäß, einmal zum Vorstand gewählt zu werden und das Amt dann aus Mangel an Alternativen jahrzehntelang machen zu müssen. Der Sportkreis kann eine Mittlerfunktion übernehmen und schauen, welcher Verein welche Leistung braucht und wer die Leistung anbietet. Bis es diese Börse gibt, müssen aber noch rechtliche Dinge, zum Beispiel der Versicherungsschutz, geklärt werden. Ich bin aber positiv, dass das klappen wird.
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