Soziales

Brechen nun die Spenden ein?

Der Dezember ist der wichtigste Spendenmonat. Doch wie wird das angesichts von Inflation und Energiekrise in diesem Jahr? Wissen kann das natürlich noch keiner. Doch es gibt schon einen Rekordverdacht

Von 
Hanna Gersmann
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In diesem und im vergangenen Jahr haben die Deutschen nicht nur Geld, sondern auch viele Sachen gespendet. © Katholische Kirche/Sandra Usler

Berlin. Sparen sich die Deutschen jetzt auch die Spenden? Üblicherweise sammeln Hospize, Tierschutzvereine, Kirchen und andere, die Gutes tun, im Dezember besonders viel Geld – „20 Prozent des gesamten Spendenaufkommens geben die Bürgerinnen und Bürger im letzten Monat des Jahres“, erklärt Max Mälzer. Er ist Geschäftsführer des Deutschen Spendenrates, ein Dachverband von gut 70 gemeinnützigen Organisationen. Doch nun werde alles teurer, Energie, Lebensmittel, sagt Mälzer – und meint: „Dieser Dezember wird weniger spendenreich.“ Jeder habe weniger Geld in der Tasche, viele steckten zurück. „Das werden wir merken.“

Es ist eine Befürchtung. Noch haben die Deutschen nicht umgedacht beim Spenden, zumindest nicht grundsätzlich. „In den ersten neun Monaten des Jahres ist gespendet worden wie sonst auch, bisher hat die Inflation nicht zugeschlagen“, sagt Mälzer. Kleine Verschiebungen zeichnen sich aber doch schon ab.

„Bis Mitte Juni haben die Deutschen rekordverdächtige 812 Millionen gespendet für Menschen in und aus der Ukraine“, rechnet Burkhard Wilke vom Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) vor, das gemeinnützige Organisationen hinsichtlich der Verwendung ihrer Spendengelder prüft. Zum Vergleich: Für die Opfer der Flutkatastrophe kamen in Deutschland im Jahr 2021 Spenden in Höhe von 584 Millionen Euro zusammen. Und auch das war schon enorm. Überdies brachten die Deutschen in beiden Fällen so viele Sachspenden wie wohl kaum zuvor zu Sammelstellen – Kleider, Spielzeuge, Möbel. Hilfsorganisationen kamen kaum nach mit dem Sortieren und Lagern, so dass sich die Dinge für sie sogar als schwierig erwiesen und sie dazu aufriefen, besser Geld zu geben.

„Man fühlt sich selbst besser“

Wilke spricht von „besonderen Spendenanlässen“. Also Katastrophen, Krisen. Die Bilder vom Leid der Betroffenen in den Nachrichten entwickelten eine besondere Wucht, da wollten viele helfen, meint Mälzer: „Man fühlt sich dann auch selbst ein wenig besser.“ Ging das auf Kosten von anderen, etwa zu Lasten von Organisationen, die sich um Soziales, Umwelt, Tierschutz kümmern?

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Für das Jahr 2022 liegen die genauen Daten naturgemäß noch nicht vor. In etwa spendeten die Deutschen pro Jahr aber die riesige Summe von 11 Milliarden Euro, sagt Wilke. „Wirtschaftliche Ausschläge machen sich allerdings schon immer bemerkbar.“ So hätte sich in den Corona-Krisenjahren 2020 und 2021, als die Deutschen weniger in Hotels, Restaurants, Läden ausgaben, ein „Solidaritätseffekt“ gezeigt - und neben dem Sparvermögen auch das Spendenvolumen erhöht. Mit der Inflation könne sich das nun, im Jahr 2022, wieder ändern. Eins sei dabei aber über die Jahre immer „sehr stabil“: Rund 75 Prozent aller Spenden werden für soziale Zwecke ausgegeben. Der Rest verteile sich im Groben auf Tier- und Umweltschutz, auf Kultur und Sport.

Spenden für den Sportverein

Vor allem die Spenden für den Sport hätten in den Corona-Monaten „stark nachgelassen“, sagt Mälzer. Das Volumen sei vergleichsweise klein, es mache nur 1,4 Prozent aller Spenden aus. Und Fußballclubs wie Bayern München, die Großen, seien darauf auch nicht angewiesen, kleinere Vereine aber schon. Diese sammelten sie in normalen Zeiten etwa bei einem Fußballturnier, einer Tombola, einem Lauf ein – mit Corona sei dass aber im Großen und Ganzen weggefallen. Das träfe die Sportvereine besonders, weil sie in der Pandemie zudem viele Mitglieder verloren haben.

Claudia Wilke – sie ist nicht verwandt mit Burkhard Wilke – ist bei der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt die Expertin für Fördermittel und Fundraising. Sie berät Sport-, Heimat- und Bibliotheksvereine sowie gemeinnützige Organisationen, wie sich Spenden einwerben lassen. Sie kennt auch die Tricks und sagt: „Wer seine Spender gut betreuen und halten will, schickt ihnen eine offizielle Spendenbescheinigung und schreibt einen Dankesbrief, in dem steht, was aus dem Geld geworden ist.“ Hat der Sportverein damit zum Beispiel eine Jugend- oder eine Seniorenmannschaft aufgebaut? Das wolle wissen, wer Geld gibt.

Spenden per Post genießt Vertrauen

Am meisten Spender würden noch immer durch Spendenaufrufe per Post gewonnen. Denn die ältere Generation, denen Briefe am besten vertraut seien, spendeten am meisten. Aber wird da nicht auch Schindluder getrieben? Fällt nicht leicht rein, wer wegen eines Briefes Geld an irgendeine Adresse überweist? Claudia Wilke rät jenen, die spenden wollen: „Gucken sie sich die Internetseite der Organisation, die Ihnen schreibt, gut an. Gibt es eine Adresse, einen Ansprechpartner? Und rufen Sie da ruhig mal an, fragen Sie die Leute aus.“

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