Betreuung

Verkürzte Öffnungszeiten bei Mannheimer Kitas in der Kritik

Flächendeckend sollen die Ganztags-Betreuungszeiten in Kitas und Krippen von Stadt, evangelischer und katholischer Kirche ab September um fünf Stunden pro Woche gekürzt werden. Was Eltern und Politiker daran kritisieren

Von 
Bertram Bähr
Lesedauer: 
Im April protestierten Eltern vor N 1 mit Botschaften wie dieser. © Bertram Bähr

Mannheim. Die Lage in den Kitas und Krippen spitzt sich zu: In ihren 130 Einrichtungen können Stadt und Kirchen derzeit wegen Personalmangels rund 160 Stellen nicht besetzen. Vor diesem Hintergrund haben sich die drei großen Anbieter von Plätzen zu einem drastischen Schritt entschlossen: Im neuen Kindergartenjahr, also ab September, sollen die Öffnungszeiten in Ganztagseinrichtungen flächendeckend um eine Stunde reduziert werden. Es geht um insgesamt etwa 400 Ganztagsgruppen in Kitas und Krippen. Sie stellen den Löwenanteil, daneben gibt es noch Gruppen mit verlängerten Öffnungszeiten. Fragen und Antworten zu den Details und den Reaktionen darauf.

Was wollen Stadt, evangelische und katholische Kirche?

Ein regulärer Ganztagsplatz umfasst derzeit 46,5 Stunden pro Woche. Ab September sollen die Öffnungszeiten um fünf auf 41,5 Stunden reduziert werden. In der Regel wären dann Kitas montags bis donnerstags von 7.30 bis 16 und freitags bis 15 Uhr geöffnet. Außerdem wird ein „Stufenmodell“ eingeführt: die Kürzung um eine weitere Stunde täglich auf 36,5 Wochenstunden (dann bis 15 beziehungsweise 14 Uhr). Greifen soll es laut Stadt „bei verschärfter Personalsituation für einen kleinen Teil der Gruppen“.

Was bedeutet das für die Versorgung mit Kita-Plätzen?

Die drei Träger erhoffen sich, dass ab September trotz Personalmangels das Platzangebot stabilisiert werden kann. Ohne Stundenreduzierung, so die Prognose, könnten im Herbst allein bei evangelischen und katholischen Einrichtungen fast 400 Plätze nicht belegt werden. Mit der Reduzierung „erhoffen wir uns, die 150 Plätze vergeben zu können“, sagt Eckhard Berg, Geschäftsführer der katholischen Kindertagesstätten. Er fügt aber hinzu: „Ich kann nichts versprechen.“ Mit Blick auf knapp 250 potenziell fehlende Plätze bei den evangelischen Einrichtungen äußert sich Kita-Abteilungsleiterin Sabine Zehenter ebenfalls vorsichtig: „Wir versuchen, sie zu vergeben.“

Betroffene Eltern stellt die Kürzung vor große Probleme. Haben sie davon auch Vorteile?

Für die Eltern gebe es mehr „Planungssicherheit“, betont Bürgermeister Dirk Grunert. Während in der Vergangenheit Öffnungszeiten oft spontan und kurzfristig reduziert werden mussten, erhoffe man sich von dem neuen Modell „eine gewisse Stabilität“. Außerdem wolle man die Gebühren für die reduzierten Stunden zurückerstatten. Bisher werden Gebühren erst im Nachhinein und nach mehreren Ausfallwochen erstattet.

Kommentar Mannheimer Kita-Eltern halten nicht mehr still

Veröffentlicht
Kommentar von
Bertram Bähr
Mehr erfahren

Ab September soll es von vornherein Abschläge geben. Bei einer städtischen Krippe wären das zum Beispiel 43 Euro im Monat weniger. Das bedeutet zugleich im städtischen Haushalt und bei den beiden großen freien Trägern Einnahmeausfälle – die aber von der Stadt erstattet werden sollen.

Können Stadt und Träger das frei entscheiden?

Nein. Da es um Geld geht, braucht es das Votum des Bildungsausschusses – der an diesem Donnerstag berät – und des Gemeinderats. Er befasst sich in seiner Sitzung am 13. Juni damit. Für die Änderung der Öffnungszeiten, die auch gleich für die nächsten drei Jahre gelten soll, braucht es allerdings keinen Beschluss des Kommunalparlaments, es soll das lediglich „zur Kenntnis“ nehmen.

Gibt es Kritik daran, dass das Parlament nicht mitentscheidet?

Die gibt es in der Tat. Der Stadtelternbeirat (STEB), die Vertretung der Eltern städtischer Kindertageseinrichtungen, zeigt sich „irritiert“ davon, dass der Gemeinderat lediglich informiert werde. Angesichts der Bedeutung des Themas wäre im Vorfeld der Entscheidung über die Öffnungszeitenreduzierung „eine breite offene Diskussion“ mit Stadträten und Elternvertretungen „wünschenswert gewesen“.

Wie sehen das die Mitglieder des Gemeinderats?

Sie sind durch die Bank wenig begeistert und würden gerne mitentscheiden. Das zeigt sich an mehreren Änderungsanträgen, die dem Bildungsausschuss und dem Gemeinderat vorgelegt werden. So fordert die SPD mit 44 statt 41,5 Stunden längere Betreuungszeiten in sozial benachteiligten Stadtteilen.

Schulkindbetreuung

Mannheimer Eltern „verzeifelt, ratlos und wütend“

Veröffentlicht
Von
Bertram Bähr
Mehr erfahren

Die CDU möchte die Befristung der Öffnungszeitenreduzierung auf zunächst ein statt drei Jahre. Ebenso wie FDP/MfM, Freie Wähler/ML und Grüne drängen die Christdemokraten auf Regelungen für die Randzeitenbetreuung – gegebenenfalls auch durch pädagogische Hilfskräfte, Vereinsvertreter oder Elternzusammenschlüsse.

Gibt es weitere Vorschläge zur Entlastung von Eltern?

Ja, zum Beispiel vom Stadtelternbeirat. Wenn schon Reduzierung, dann müsse zumindest der Freitag ausgeklammert und den anderen Wochentagen gleichgestellt werden (bis 16 Uhr). Außerdem müsse es Notgruppen von 16 bis 17 Uhr geben. Gerade Eltern, die beide in Vollzeit arbeiten, seien auf diese Öffnungszeiten angewiesen.

Mehr zum Thema

Podiumsdiskussion zur Betreuungssituation

Was tun gegen die Kita-Misere in Mannheim?

Veröffentlicht
Von
Bertram Bähr
Mehr erfahren
Kinderbetreuung

So viele Plätze gibt es für besonders familiäre Kinderbetreuung in Mannheim

Veröffentlicht
Von
Bertram Bähr
Mehr erfahren

Was sagt die Stadt zu solchen Vorschlägen?

Bürgermeister Grunert gibt zu bedenken: Bei jeder Änderung des Modells – etwa bei der Einrichtung von Notgruppen oder der unterschiedlichen Berücksichtigung der Sozialräume – müsse an anderer Stelle und zu Lasten anderer gekürzt werden. Deshalb sei das nicht praktikabel.

Welche Kritikpunkte gibt es außerdem?

Der STEB befürchtet, dass wegen fehlender Betreuung gut ausgebildete Fachkräfte ihren Job aufgeben oder ihre Arbeitszeit reduzieren müssten. Das schade nicht nur der Wirtschaft, sondern führe bei einzelnen auch zu Einkommenseinbußen und in der Folge zu geringeren Renten. Dass die Reduktion der Öffnungszeiten „massive Auswirkungen auf die Unternehmen“ haben könnte, gibt auch die IHK Rhein-Neckar zu bedenken. Sie fordert unter anderem den verstärkten Einsatz von Zusatzkräften. Grunert, Berg und Zehenter weisen darauf hin, dass Stadt und freie Träger daran schon seit Längerem arbeiten – etwa mit hauswirtschaftlichen Kräften.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim. Schwerpunkte: Schulen und Kitas

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke