Mannheim. Wer ist nicht begeistert von selbst angebauten Tomaten, Zucchini oder Kürbissen, die viel intensiver schmecken als das Gemüse, das man im Supermarkt kaufen kann, selbst wenn es Bio ist? Das stellen immer mehr Leute fest, legen sich einen eigenen Mini-Garten an oder pachten sogar gleich eine ganze Ackerfläche. Dieser Trend der letzten Jahre ist auf der Bundesgartenschau ein großes Thema. Auf dem Generationenacker des Spinelli-Geländes wird fleißig angepflanzt, experimentiert, gegossen und geerntet, dabei werden viele Erfahrungen ausgetauscht. Der Verein „Acker“ aus Berlin veranstaltet während der Buga zahlreiche Workshops rund um das Thema Gemüseanbau. Dabei wird Urban Farming vorgestellt und interessierten Besucherinnen und Besuchern schmackhaft gemacht, Fragen stellen erwünscht.
Seit fünf Jahren initiiert „Acker“ Projekte für alle Altersgruppen, für Nachbarschaften und Unternehmen gibt es die Ackerpause. Hier arbeitet man zum Beispiel mit Wohnungsbaugesellschaften zusammen, um langweilige Rasenflächen mit Gemüse zu beleben und gleichzeitig die Bewohner zu gemeinsamen Unternehmungen zusammenzubringen.
Zum Thema „Nachbarschaftsgärtnern“ hatten sich unter dem Pavillon auf dem Generationenacker 15 Interessierte eingefunden, hier und da gesellten sich Leute dazu, die gerade im Vorbeigehen waren. „Wir haben 130 Veranstaltungen auf der Buga, viele für Schulklassen und Erwachsene“ sagte Leonore Leibold, Regionalkoordinatorin. Für Schulen gibt es die „Gemüseackerdemie“ und für Kitas die „Ackerracker“.
Kinder erziehen ihre Eltern
Als Referent fungierte an diesem Tag Sven Hildebrand von „Gemüsehelden Dierbach“. Hinter den Gemüsehelden stecken Hildebrand und seine Frau Melanie, die in der Südpfalz einen Bio-Landwirtschaftsbetrieb führen und interessierten Gärtnern in spe zeigen, wie man dies auch auf einem kleinen Beet umsetzen kann. Vor zweieinhalb Jahren gründeten die Hildebrands ihre Beratungsfirma, dabei sind sie auf den Acker-Verein gestoßen. Nun ist Sven Acker-Coach und konnte den Zuhörern so einige Erlebnisse aus seinem Alltag berichten. „Wenn man Kindern die Erfahrung des Gemüseanbaus mit nach Hause gibt und ihnen vermittelt, dass es Regionalität und Saisonalität gibt, beginnen die Eltern auch, sich dafür zu interessieren. Die Kinder erziehen sozusagen die Eltern“, sagte Hildebrand. Ein Mädchen sei so begeistert von den selbst angebauten Gurken gewesen, dass ihm die Gurken aus dem Supermarkt nicht mehr schmeckten.
Oft besucht Hildebrand Leute aus Wohnbau-Komplexen und berät sie, welche Flächen geeignet sind und welches Gemüse man pflanzen könnte. Dabei gibt es eine Acker-Sprechstunde, bei der die Mieter Fragen stellen können. So kommen Gemeinschaften, sogar Freundschaften zustande. „Die Leute aus den Wohnblocks, die sich vorher nicht kannten, eröffnen eine WhatsApp-Gruppe und schreiben darin: Wer gießt? Wann grillen wir? Wer bringt welche Getränke mit?“, so der Coach. „Ich hatte bereits Projekte mit Bewohnern aus sechsstöckigen Häusern“, berichtete Leibold. Es gab Sprachprobleme und viel Streit, doch alle vertrugen sich wieder. Die Kinder waren stolz auf ihr selbst gezogenes Gemüse und entdeckten, dass frischer Grünkohl und Spinat richtig gut schmecken.“ Hildebrand erzählte von Bewohnern aus Gebäuden der BASF Bauen und Wohnen, allesamt beim Konzern beschäftigt. „Die Leute hatten ein großes Bewusstsein für ökologischen Anbau, ich war überrascht, dass sie offen waren für biologische Dünger.“
Auch für Team-Events von Firmen wird Hildebrand gebucht. „Die Leute realisieren, dass man nicht viel Land braucht, um Gemüse anzubauen. In einer 30-mal-50-Zentimeter-Kiste kann man sich einen bunten Salatteller heranzüchten.“
Tierische Schädlingsbekämpfung
Der Coach möchte zeigen, wie ausgelaugter Boden wieder gut gemacht werden kann, zum Beispiel wenn Starkzehrer wie Tomaten, Kohl oder Kartoffeln darauf angebaut wurden: Man kann ihn sogar durch Pflanzen wieder aufbauen. Zur Schädlingsbekämpfung arbeitet man am besten mit Mischkulturen, zum Beispiel Karotten in Kombination mit Zwiebeln, denn durch deren Geruch bleiben Fliegen fern. Auch tierische Schädlingsbekämpfer sind willkommen, allerdings brauchen diese einen geeigneten Lebensraum. Für Eidechsen kann man Steine aufschichten (allerdings keinen Schottergarten), in einer Totholz-Hecke siedeln sich gerne Igel an, die Schnecken fressen. Inzwischen gibt es sogar eine eigene App für Urban Farming, die Tipps gibt und meldet, wann Gießen ansteht - ein digitaler Acker-Coach.
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