Mannheim. „Es ist alles im Fluss." Viel kann Marc Stefan Sickel, Geschäftsführender Intendant des Nationaltheaters, zu einer ganz entscheidenden Frage noch nicht sagen: Wo spielt das Ensemble, wenn – vermutlich ab 2020 – die geplante Generalsanierung beginnt? Neben den bisher geprüften Varianten gibt es seit kurzem eine neue Idee: eine Halle oder Hallen auf dem Areal von General Electric (GE), zuvor Alstom, in Käfertal.
Schon seit 2006 probt das Nationaltheater in einer ehemaligen Trafo-Produktionshalle in der Galvanistraße. Zwar gibt es im Haus am Goetheplatz einen Ballettsaal, doch er dient allein für Einzelproben oder das Aufwärmtraining vor Vorstellungen, sonst ist er zu klein. Längst wurde aus dem einstigen Probezentrum ein beliebter Aufführungsort. Stephan Toss, der neue Ballettintendant, hat ihn vor Beginn seiner ersten Spielzeit 2016 weiter ausgebaut.
Schauspiel im alten US-Kino
Nun hat GE nach einem massiven Stellenabbau Ende 2017 die Produktion geschlossen. Nur der Servicebereich in Mannheim wird beibehalten – wobei sogar befürchtet wird, dass der an einem anderen Standort wechselt. Daher steht ein Großteil des seit etwa 1900 bestehenden, knapp 14 Hektar großen Werks in Käfertal leer. Hinter den Kulissen prüft nun die Stadtverwaltung, ob sie das Gelände erwerben und als Industrie- oder Gewerbestandort neu entwickeln kann. Sie strebt zunächst einen Bebauungsplan an, um sich ein Vorkaufsrecht zu sichern und für Teile des Geländes eine „Gemeinbedarfsfläche mit der Zweckbestimmung Theater“ festzuschreiben. Dann wäre das derzeit nur gemietete Tanzhaus auf Dauer gesichert, zudem könnte hier ein Zentrallager geschaffen und in der Schließzeit gespielt werden.
„Es ist jedenfalls eine interessante Alternative“, sagt Sickel. Schließlich sucht er nicht nur Ersatzspielstätten. Er braucht ferner Lagerflächen, um das Spielhaus am Goetheplatz freiräumen zu können. Hierfür wurde lange der Bau eines neuen Zentrallagers auf dem Gelände eines Baustoffhandels im Mühlauhafen geprüft, der vermutlich 2019 von dort wegzieht. Dort oder auch in Käfertal könnten die bislang über das Stadtgebiet verteilten, angemieteten Flächen in einer bestehenden Halle oder als neues Hochregallager mit 15.000 Kubikmeter Volumen konzentriert werden. Aufgeben würde man dazu das Haupt-Kulissenlager in einem Käfertaler Gewerbegebiet, wo ein Sanierungsstau von drei Millionen Euro ansteht.
„Derzeit vom Tisch“ ist nach den Worten von Sickel der Bau eines Zelts im Unteren Luisenpark oder ein sogenannter „temporärer Spezialbau“ wie der „Theaterkubus“, die Ersatzspielstätte vom Theater Bern. Man hatte dafür das städtische Grundstück „Schafweide“ geprüft – doch da baut nun der SWR sein neues Studio. Das will er schon 2022 beziehen – also dann, wenn die Theatersanierung beginnen soll.
Noch untersucht wird indes, ob zumindest das Schauspiel in das ehemalige Kino der Amerikaner in Benjamin-Franklin-Village ziehen könnte. Es bietet die nötigen 500 Plätze, müsste aber für etwa sieben bis acht Millionen Euro – so derzeit die grobe Schätzung – umgebaut werden. Der Vorteil wäre, dass man es danach für den neuen Stadtteil als kulturelles Zentrum nutzen könnte.
Für die Oper würden „dezentrale Lösungen favorisiert“, sagt Sickel. „Der Luisenpark könnte für einzelne Produktionen attraktiv sein, man kann im Sommer Open-Air spielen, denkbar sind mobile Spielstätten“, so der Geschäftsführende Intendant. „Ein Schwerpunkt könnten auch Anmietungen sein“, wobei er Pfalzbau, Rosengarten und das Rokokotheater Schwetzingen aufzählt. „Gespräche und Überlegungen laufen“, so Sickel.
Das bestätigt zum Beispiel Sandra Moritz, Leiterin der Schlossverwaltung Schwetzingen. „Hier sind wir in Gesprächen, aber es ist noch nichts spruchreif“, so Moritz. Es würden sich „sicherlich Möglichkeiten ergeben“, glaubt sie.
Rosengarten oft ausgebucht
Völlig anders äußert sich Johann W. Wagner, Geschäftsführer von der mannheim:congress GmbH (m:con). „Wir haben noch keine Anfrage, und wir sind auch auf Jahre hinaus sehr, sehr gut gebucht“, sagt er. Gerade in den für Kongresse beliebten Monaten in Frühjahr und Herbst „können wir nicht das Haus lahmlegen, sonst springen Kunden ab“, gibt er zu bedenken. Eine Umnutzung vieler Säle für Theaterzwecke, außer für Konzerte, sei auch „technisch illusorisch und viel zu teuer“. Und beim Pfalzbau gibt es das Problem, dass parallel zur Theatersanierung die Rheinbrücken-Sanierung läuft.
Aus Sicht des Publikums haben sich „die Ausweichspielstätten Rosengarten, Schwetzingen und Pfalzbau in der letzten Schließzeit bewährt“, so Achim Weizel, Vorsitzender der Freunde und Förderer des Nationaltheaters. Er pocht darauf, dass man bei anderen Varianten „vor allem auf deren Erreichbarkeit, am besten mit dem Nahverkehr, achtet“, so Weizel: „Es wird auch eine große Aufgabe sein, durch attraktive Programme und publikumsfreundliche Spielstätten die Zuschauer bei der Stange zu halten!“
Wie kann man die Stammkunden halten?
- „Die Ersatzspielstätten werden ausreichend Platzkapazität haben, um die Abos weiter zu führen“: Mit diesen Worten beruhigen die Mitarbeiter des Abobüros derzeit verunsicherte Kunden. Es werde auch „angestrebt“, dass sie weiter mit den Bussen des Regionalabos zu erreichen sind, es genug Parkplätze und Nahverkehrsanbindungen gibt.
- Dennoch ist der Intendanz klar, dass es schwer werden kann, das Publikum zu halten. Man wolle versuchen, „durch Informationsschreiben über die Sanierungsarbeiten so viele Stammkunden wie möglich“ dafür zu begeistern, die Umbauzeit als Möglichkeit zu begreifen, „die bekannten und beliebten Darsteller aus den Ensembles mit in die Ausweichspielstätten zu begleiten“, so die Intendanz gegenüber dem Kulturausschuss des Gemeinderats. Wer dem Haus während der Sanierungsphase als Abonnent die Treue halte, werde danach bei der Platzvergabe bevorzugt behandelt. „Bei anderen Theatersanierungen hat es sich erwiesen, dass damit treue Besucher für einen überschaubaren Zeitraum auch bereit sind, Kompromisse hinsichtlich des Besucherkomforts einzugehen.“ Wer aus Alters- oder Mobilitätsgründen nicht für Ausweichspielstätten gewonnen werden könne, den werde man danach gezielt ansprechen und versuchen, ihn zurückzugewinnen.
- „Aus der Erfahrung von anderen Theatern, die saniert wurden, ergeben sich während der Sanierungsphase in Ausweichspielstätten vielfältige Möglichkeiten, neues Publikum zum ersten Mal zu erreichen“, glaubt die Intendanz. Das sei ein zusätzliches Potenzial an „zukünftigen Stammkunden“. Zahlen dazu liegen indes nicht vor.
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