Mannheim. Wenn sie dem Schulstart am kommenden Montag entgegenblickt, hat Susanne Schneider (Name von der Redaktion geändert) kein gutes Gefühl. Sie selbst hat erst vor wenigen Wochen die erste Impfung bekommen, in den Ferien: „Ich habe lange überlegt, ob ich mir den Piks überhaupt geben lassen soll. Aber jetzt war ich die ganzen Einschränkungen leid“, sagt sie. Ihre Kinder sind noch nicht durchgeimpft. Lediglich der ältere Sohn habe kurz nach ihr die erste Spritze bekommen. „Bei den Kindern habe ich einfach viel mehr Bedenken, noch immer. Aber die Impfung von unserem Großen haben wir nach der Empfehlung der Stiko gemeinsam beschlossen.“
Verstärkte Anfrage
Seitdem die Ständige Impfkommission (Stiko) Mitte August den Zwölf- bis 17-Jährigen eine Covid-19-Schutzimpfung empfohlen hat, beobachtet auch der Kinderarzt Daniel Schuhmann „eine verstärkte Anfrage der über Zwölfjährigen“. Bereits vor der Stiko-Empfehlung habe es bei ihm Anfragen von Eltern gegeben: „Wir haben schon kurz zuvor die ab Zwölfjährigen geimpft, auf ausdrücklichen Wunsch der Kinder, oft bei Vorerkrankungen und immer nach einer sehr ausführlichen, individuellen Aufklärung“, berichtet er. Die Empfehlung der Europäischen Arzneimittelbehörde habe zu diesem Zeitpunkt für die ab Zwölfjährigen ja schon vorgelegen.
Schuhmann ist einer der Obmänner der Mannheimer Kinderärzte. Er hat in den letzten Wochen bemerkt, dass junge Menschen einen hohen Druck verspüren: „Sie spüren, dass sie nicht mehr einfach zum Sportverein können, zum Restaurantbesuch mit den Eltern. Auch die Angst vor Corona treibt sie um. Das ist alles Teil des Aufklärungsgespräches, denn es darf nicht der alleinige Impfgrund sein. Kinder und Eltern müssen sich wirklich sicher sein.“ Es sei schließlich kein pauschaler Piks: „Es muss bei den Zwölf- bis 18-Jährigen eine ganz individuelle Entscheidung sein.“ Und um das Gesamtbild der Patienten und deren Familie zu betrachten, sei es am sinnvollsten, dass der Arzt die Impfung vornimmt, der die Patienten am besten kennt.
Jüngere, das sagt Schuhmann deutlich, impfe er nicht. „Ich hatte da nicht nur Anfragen aus Mannheim, sondern aus der Region, sogar aus Bayern: „Aktuell machen wir in unserer Praxis keine Impfungen bei unter Zwölfjährigen. Ich verweise dann auf die Stiko, solche Impfungen führen wir durch, wenn es eine offizielle Empfehlung gibt.“ Weil die Findungsstudien zur Dosis, also wie viel Impfstoff an die Jüngsten verimpft werden kann, noch laufen, warte er ab – ebenso viele Kollegen.
Schwer verlaufende Infektionen bei Kindern gab es in seiner Praxis noch nicht: „Aber vereinzelte Fälle mit Müdigkeitssymptomen, die auch eine ganze Weile nach der Infektion andauern.“ Als Kinderärzte seien er und seine Kollegen „von der Wirkung und der Sicherheit der Impfung überzeugt“. Vereinzelt leichte Nebenwirkungen gebe es, doch deshalb kläre man ja umfassend auf. Stand jetzt müssten sich junge Menschen „keine Sorgen machen“. Für Schuhmann, der auf der Vogelstang arbeitet, ist die psychische Seite der Pandemie das weitaus schlimmere Übel bei Kindern. „Weiterhin sollte die Durchimpfung von Erwachsenen höchste Priorität haben.“
Bedarfe unterschiedlich
Unterdessen möchte die Stadt Mannheim alle Schülerinnen und Schüler ab zwölf Jahren dazu aufrufen, sich impfen zu lassen. Bis zu den Herbstferien solle allen Interessierten ein Angebot gemacht werden, erklärte Bildungsbürgermeister Dirk Grunert bei einer Pressekonferenz am Montag. Details gab die Stadt noch nicht bekannt, die Impfungen an Schulen würden „derzeit geprüft“, so die Pressestelle auf Anfrage dieser Redaktion. Wegen der Ferien hätten sich die Schulen kein Bild davon machen können, wie viele Jugendliche bereits geimpft seien. Je nach Sozialraum, so Grunert, seien die Bedarfe wohl unterschiedlich.
Corona in der Region
Er erklärte, dass die Stadt ein Schreiben an den Schulen verteilen wolle. Die Impfaktionen für Schüler ab 16 Jahre vor den Ferien hätten „keine Massenanstürme ausgelöst“. Lediglich eine „niedrige dreistellige Zahl“ von Schülern der beteiligten Schulen habe das Angebot genutzt.
Ob es seit der Empfehlung der Stiko in ganz Mannheim vermehrt impfwillige Kinder und Jugendliche gebe, kann die Stadt nicht sagen: „Die Daten über das Alter der Impflinge können nicht separat ausgeleitet werden, daher kann dazu keine Angabe gemacht werden“, informiert die Pressestelle. Ein extremer Anstieg könne im Tagesgeschäft aber nicht festgestellt werden, auch wenn immer wieder Eltern mit ihren Kindern ins Impfzentrum kommen.
Mit einer Impfung für ihren jüngeren Sohn möchte Susanne Schneider jetzt noch warten: „Er ist ohnehin erst elf. Aber wenn ab Montag wieder alle eng im Klassenzimmer sitzen, habe ich echt Angst vor einer Infektion.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Kinder sind beim Impfen nicht die richtige Zielgruppe