Mannheim. Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung“ – irgendwie denkt man an diesem Morgen an den Spielfilm aus den 1960er Jahren. Es ist sehr früh, das Gelände der Bundesgartenschau ganz leer und ruhig, bis auf Gärtner, die den frisch gepflanzten Sommerflor wässern.
Auch Alexander Bittner gehört zu den Frühaufstehern. Der Betriebsleiter der Hersteller- und Betreiberfirma Doppelmayr sorgt ab 7 Uhr dafür, dass bei der Seilbahn alles in Ordnung ist für den Betrieb bis spät in die Nacht.
Buga-Seilbahn: Das passiert bei Gewitter
Sein erster Griff, wenn er die Treppe in das Obergeschoss der Antriebsstation auf dem Spinelli-Areal hinaufgegangen ist, geht zur Erdungsklemme. Nachts werde die Anlage zur Sicherheit geerdet. Die vier Kilometer Seil, so erklärt er, wirkten sonst wie ein Blitzableiter, was die Elektronik der Anlage beschädigen könne.
Bittner gebraucht da erstmals die Formulierung „zur Sicherheit“ – und die wird noch sehr oft fallen. Seilbahnen seien eines der sichersten Verkehrsmittel der Welt, und Bittner muss es wissen. Seit 40 Jahren arbeitet der 61-jährige Maschinenbautechniker in dem Metier. Bei der Expo Hannover hat er schon für die Seilbahn gearbeitet, bei der IGA Rostock 2003, der Bundesgartenschau München 2005, aber ebenso auf der Zugspitze und in anderen Skigebieten.
Da komme es öfter vor, dass Sturm oder Gewitter eine Seilbahn ausbremsten. In Mannheim ist sie erst zwei Mal wegen Gewitter gestoppt worden. Das passiert immer, wenn es im Umkreis von zehn Kilometern um die Anlage blitzt und donnert, „zur Sicherheit“, betont Bittner. Dann werde die Anlage leergefahren – in die an den Stationen ankommenden Gondeln darf niemand mehr zusteigen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt.
Sein nächster Handgriff geht zur fest in der Anlage montierten Werkzeugbox, und da zum Hammer. Mit ihm macht er die Runde in der Antriebsstation, klopft alle möglichen Stellen ab, prüft Antriebe, Klemmen, Rollen, Reifen und Stromabnehmer.
Er öffnet da einen Gitterrost, schaut dort hinein. Dabei lobt er die Bauweise. „Vom Arbeitnehmerschutz her wurde hier viel gemacht“, betont er – sprich: In den Bergen und aus früheren Jahrzehnten ist er wohl anderes gewohnt. Viele Einrichtungen seien doppelt oder gar vierfach vorhanden: So gibt es in der Station auf Spinelli und in der im Luisenpark je einen Dieselmotor, um die Seilbahn bei Stromausfall betreiben zu können, dazu noch ein Notstromaggregat. Zur Motor- und Betriebsbremse kommt die Sicherheitsbremse.
Weiterverkauf der Seilbahn geplant
Der reguläre Motor ist mit 600 KW auch viel stärker ausgelegt als für den Normalbetrieb nötig – da benötige man meist höchstens 120 KW, sagt Bittner. „Aber im Berg braucht man schon mehr Leistung.“ Schließlich sei ja geplant, die Mannheimer Seilbahn nach der Bundesgartenschau weiterzuverkaufen – wie die Anlage von der Floriade in Almere in den Niederlanden, die Bittner zuletzt leitete: „Die läuft jetzt in Mexiko City.“
Gebrauchte Anlagen würden verkauft „wie Jahreswagen“. Auch in Mannheim sind ja viele Teile von Almere, etwa die Kabinen, im Einsatz. Alle Anzeigen, alle Geräte prüfen Bittner oder sein Stellvertreter jeden Morgen. Stimmt der Druck, funktioniert jede Hydraulik? „Passt“, murmelt er zufrieden. Auch auf Verschleißteile muss er achten: „Die Rollen nutzen sich enorm ab, da muss der Durchmesser stimmen“, zeigt er auf eine Stelle, auf die er besonders schaut.
Regelmäßig fahren zwei Leute morgens bereits um 5 Uhr mit der Arbeitsgondel die Strecke ab, um alle Stützen zu kontrollieren. Und einmal monatlich wird das Förderseil („Weil es die Kabinen befördert“, wie Bittner erklärt) überprüft. Zudem gibt es in beiden Stationen jeweils eine Vorrichtung, damit das Seil nachgespannt werden kann, weil es sich bei sommerlicher Hitze und entsprechender Beanspruchung stets ausdehnt.
14 Meter, so schätzt der Betriebsleiter, werde die Ausdehnung am Ende des Sommers in Mannheim betragen – aber bei einer Seillänge von über vier Kilometern sei das doch gar nichts.
Alle Seilbahn-Stützen werden geprüft
Nach prüfenden Blicken und der Arbeit mit dem Hammer ist Handarbeit angesagt – die Kabinen müssen auf die Strecke geschickt werden. Manchmal lasse man sie auch nachts im Seil hängen, etwa, wenn nach Betriebsschluss um 22 Uhr noch Wartungsarbeiten in der Anlage erfolgen und keine Zeit mehr für die aufwendige Prozedur bleibt, alle Gondeln in die Stationen zu holen. Je 23 haben unter den Dächern der beiden Stationen Platz, acht sind in einer Stahlgarage auf Spinelli untergebracht.
Etwa 45 Minuten dauert es, sie morgens auf die Strecke zu schicken. Bittner und sein Kollege Mike König schieben zunächst allein neun Kabinen auf die Strecke. Dann geht ein Signal an die Station im Luisenpark, wo derweil auch der morgendliche Sicherheitscheck abgelaufen ist. Nun wird von jeder Seite eine Gondel losgeschickt – und dabei auch kontrolliert. So prüfen die Mitarbeiter, ob es funktioniert, jede Kabine einzeln und alle zusammen per eingebautem Lautsprecher zu erreichen.
Sind alle 63 Kabinen auf der Strecke, steigt Bittner ein – vorher darf niemand mitfahren. Er schaut auf der Strecke, insbesondere an allen Stützen, „ob etwas nicht so sein sollte, wie es sein soll“. Hier, bei der Bundesgartenschau, sei das aber nicht der Fall – in den Bergen, bei vereisten Teilen, manchmal schon. Erst wenn er alles freigegeben hat, darf der Betrieb beginnen. „Ich setze mich dann hin und schreibe alles nieder“, sagt er, denn jede Prüfung müsse detailliert protokolliert werden.
Jetzt für MM+ Abonnenten: Das E-Paper am Sonntag
Für MM+ Abonnenten: Lesen Sie kostenfrei unser E-Paper am Sonntag - mit allem Wichtigen aus Mannheim und der Region, dem aktuellen Sport vom Wochenende sowie interessanten Verbraucher-Tipps und Reportagen. Das Geschehen in Deutschland und der Welt ordnen unsere Korrespondenten für Sie ein.
Hier geht es zum E-Paper - ab dem frühen Sonntagmorgen für Sie verfügbar
Sie haben noch kein MM+ Abo? Dann sichern Sie sich den MM+ Kennenlernmonat
Derweil steigen die ersten Fahrgäste ein. Über 600 000 waren es bisher – Sensoren vom Smart City Projekt registrieren die Auslastung ganz genau. Je nach Andrang kann die Seilbahn auch das Tempo regulieren. „Das ist wie beim Auto – wenn’s pressiert, gibst du Vollgas“, erläutert der Betriebsleiter. Meist fährt er mit einer Geschwindigkeit von dreieinhalb Meter pro Sekunde, er kann aber auch ganz langsam (0,3 Meter pro Sekunde), und er kann auf sechseinhalb Meter pro Sekunde beschleunigen.
So reagieren die Betreiber darauf, wenn sich Warteschlangen bilden. „Aber es hat noch nie jemand länger als 45 Minuten gewartet – und das war nur an wenigen, sehr stark frequentierten Wochenenden zur Stoßzeit mittags“, betont Chrakhan Ismail, Projektleiterin der Seilbahn von der Bundesgartenschau-Gesellschaft. An solch einem starken Tag hatte Bittner dann auch 27 000 Fahrgäste – sein bisheriger Spitzenwert.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-ohne-sicherheitscheck-hebt-die-buga-seilbahn-nicht-ab-_arid,2090767.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/dossiers_dossier,-_dossierid,18.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html