Silvesternacht

Silvester in Mannheim: Die Nacht der vielen Brände

Beobachtungen zum Jahreswechsel in der Integrierten Leitstelle Mannheim, wo Feuerwehr und Rettungsdienst in den ersten Stunden von 2025 besonders gefordert waren

Von 
Peter W. Ragge
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Einsatz an einem der Hochhäuser der Neckarpromenade, hier Ehrenamtliche der Abteilung Wallstadt der Freiwilligen Feuerwehr. © Christoph Blüthner

Mannheim. Neujahrswünsche? Keine Zeit! Denn es ist genau 23.58 Uhr, als die Brandmeldeanlage der Tiefgarage am Wasserturm losgeht, und um 23.59 Uhr ertönt auf der Hauptfeuerwache der Alarmgong, der einen Löschzug in Marsch setzt. Erst dann kommt die Durchsage, die ein frohes neues Jahr wünscht - und gleich danach die nächsten Notrufe, denn Feuerwehr und Rettungsdienste erleben zum Jahreswechsel deutlich mehr Einsätze als 2023/24.

Einsatzkräfte verstärkt

  • Die Berufsfeuerwehr verstärkte in der Silvesternacht jeden der drei Löschzüge um zwei Mann (14 statt sonst zwölf Einsatzkräfte). Neben Direktionsdienst Jens Stiegel und Leitungsdienst Roy Bergdoll waren zwei Einsatzleiter (Johannes Sauer und Hendrik Matthes) da.
  • Die Integrierte Leitstelle, wo sonst nachts drei Disponenten tätig sind, besetzte alle acht Plätze.
  • Von den Freiwilligen Feuerwehren waren außer der Abteilung Friedrichsfeld alle Abteilungen startklar: die Abteilungen Innenstadt und Nord mit je einem Löschzug und Sonderfahrzeugen, die Abteilung Neckarau und Rheinau mit zwei Löschfahrzeugen, die Abteilungen Wallstadt, Seckenheim und erstmals Feudenheim mit je einem Fahrzeug (sprich mindestens sechs Einsatzkräfte).
  • In normalen Nächten gibt es acht, vor Feiertagen zehn Rettungswagen - nun waren es zwölf und drei Notärzte. Erst ab 2. Januar gibt es in Mannheim auch nachts vier Notärzte. 

Schon in den letzten Stunden des alten Jahres ist viel los. Vormittags brennt es in einem Waschsalon in der Seckenheimer Straße. Es folgen ein Balkonbrand in der Neckarufer-Bebauung Nord, zwei brennende Müllcontainer sowie zwei Brandmeldeanlagen, die auslösen. Und dann verschüttet auch noch in der Beilstraße jemand Benzin und zündet es an. Doch die Flammen verlöschen, ehe die Feuerwehr eintrifft.

Um Mitternacht ist dann ein neuer Rekord erreicht: Erstmals in 2024 wird die Zahl von 5000 Feuerwehreinsätzen pro Jahr überschritten. Genau 5051 waren es, davon 2170 Brände und 2881 Technische Hilfeleistungen. Insgesamt löst 2024 die für Feuerwehr und Rettungsdienst zuständige Integrierte Leitstelle in der Hauptfeuerwache 47 648 Einsätze aus. Und im neuen Jahr geht es gerade so weiter. Mehrfach leuchtet bei allen acht Disponenten die rote Lampe am Platz auf - das heißt, sie haben einen Notruf in der Leitung.

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Viele Müllcontainer stehen in Flammen

Nur um 23.42 Uhr wundert sich Christoph Scherer, der Geschäftsführer der Leitstelle, kurz. „Alle da, der Moment ist fast historisch“, sagt er mit Blick darauf, dass sämtliche zwölf Rettungswagen gerade Ruhe haben. Das ändert sich nur Momente später wieder: Sturz, Alkoholvergiftung, Trauma lauten die Alarmstichworte. Ab 0.02 Uhr kommt ein Notruf nach dem anderen rein.

In einer eigens eingerichteten Sanitätsstation versorgte das Rote Kreuz beim Friedrichsplatz 14 Patienten. © Christoph Blüthner

Der Löschzug vom Friedrichsplatz gibt per Funk durch, dass ein Trupp unter Atemschutz nach dem Brandherd in der Tiefgarage sucht - und alle vermuten, dass letztlich nur der Qualm vom oben gezündeten Feuerwerk diese Brandmeldeanlage ausgelöst hat. Aber die Feuerwehr muss eben nachschauen. So ist es sechs Mal allein in den ersten zwei Stunden dieser Nacht. Brandmelder in Wohn- und Geschäftsgebäuden, an einem Vereinshaus und in einer Passage lösen aus, und Einsatzkräfte schauen nach - zur Sicherheit stets ein Trupp, ausgerüstet mit Atemschutz, Strahlrohr, Schläuchen. Es könnte ja wirklich brennen. Ist es kein Ernstfall, muss die Anlage aber zurückgestellt, teilweise der Eigentümer informiert werden. Das dauert. Und manchmal ruft sich die Brandmeldeanlage immer wieder in der Leitstelle in Erinnerung, ertönt wieder und wieder das an Kirchenglocken erinnernde Warnsignal.

Das erste tatsächliche Feuer des neuen Jahres wird um 0.03 Uhr aus Seckenheim gemeldet. In der Zähringer Straße stehen zwei Müllbehälter in Flammen. Gleich mehrere Anrufe gibt es deshalb. „Kleinbrand außerhalb Gebäude“ heißt das Alarmstichwort dazu. 26 Mal wird es zu Beginn des neuen Jahres vergeben. Gärtnerstraße, Waldparkstraße, Schillerplatz, Ludwig-Roebel-Straße, Heilsberger Straße, Endhaltestelle Schönau, Pettenkofer Straße, Sporwörthstraße, Stiller Winkel - es hört gar nicht mehr auf.

Brennende Müll- oder Altkleidercontainer wie hier an der Ecke Wiesbadener Straße/Marburger Straße beschäftigten zum Jahreswechsel die Feuerwehr. © Christoph Blüthner

Manchmal ist es nur etwas Papierabfall auf der Straße, der brennt - etwa am Saarburger Ring. Auch in der Gärtnerstraße geht es schnell. „Feuer ausgetreten“, melden die Einsatzkräfte. Dagegen versuchen in der Marburger Straße eine Streifenwagenbesatzung und ein Rettungswagen-Team mit ihren Pulverlöschern zunächst vergeblich, die Flammen in einem Altkleidercontainer zu ersticken, und bitten dann doch die Feuerwehr um Hilfe.

Dazwischen gibt es noch einen Balkonbrand auf der Schönau, ein entzündetes Flachdach - auch da jeweils vermutlich durch Feuerwerkskörper ausgelöst. Plötzlich, es ist 1.34 Uhr, klingt es gefährlicher. „Brand in Gebäude“ lautet der Notruf aus der Pfeilstraße. Jetzt rasen mehrere Löschfahrzeuge los, auch in der Leitstelle steigt die Anspannung - bis der erlösende Funkspruch vom Zugführer vor Ort kommt: „Keine weiteren Kräfte erforderlich“, denn es ist nur Laub in einem Kellerschacht, der brennt und heftig qualmt.

Rotes Kreuz am Friedrichsplatz versorgt viele Verletzte

Dazwischen immer wieder Anforderungen für Rettungswagen und Notarzt - wegen Verletzungen, Schlägereien, zu viel Alkohol, zwischendurch mal ein urologischer Notfall. Um 2 Uhr sind es schon 32 Feuerwehr- und 38 Rettungswageneinsätze. Einmal rückt ein Löschfahrzeug, dessen Besatzung auch eine Rettungsdienstausbildung hat, aus, weil alle Rettungswagen bereits rollen. „Komplett leer“ muss Scherer mehrfach mit Blick auf die verfügbaren Rettungsfahrzeuge feststellen, obwohl deren Zahl aufgestockt ist.

Entlastung bringt eine erstmals am Friedrichsplatz vor P 7 eingerichtete Sanitätsstation. Ein Notarzt und acht Ehrenamtliche vom Roten Kreuz versorgen dort in einem Zelt bis 2 Uhr 14 Patienten, für die kein Rettungswagen mehr ausrücken muss. „Vor allem Betrunkene, Verletzungen durch Feuerwerk, etwa was ins Auge bekommen oder eine Wunde an der Hand“, zählt Kevin Stiller, der dortige Einsatzleiter, auf. Es habe sich „auf jeden Fall“ gelohnt, dort stationiert zu sein.

Das bekräftigt Christoph Scherer aus Sicht der Leitstelle, und das sieht auch Jens Stiegel von der Feuerwehr so. „Das war die absolut richtige Entscheidung, die haben uns den Rücken freigehalten“, so der stellvertretende Kommandant. Schließlich habe man „deutlich mehr Einsätze gehabt“, sagt Stiegel, und habe das zusätzliche Personal dringend gebraucht: „Alle waren draußen, oft mehrfach, quer durch die Stadt, jeder war beschäftigt“, betont Stiegel: Die Ehrenamtlichen hätten die Berufsfeuerwehr „super unterstützt“, dankte er: „Ohne die wäre so eine Nacht undenkbar“, betont er.

Redaktion Chefreporter

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