Wohnen

Richter verpasst Mannheimer Mietspiegel derben Dämpfer

Zweieinhalb Jahre schwelte der Streit um den Mannheimer Mietspiegel. Jetzt entschied ein Richter: Stadt und Mieterverein lagen falsch. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Von 
Martin Geiger
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Was kostet es, in Mannheim zu wohnen? Der Mietspiegel gibt dazu sehr wichtige Hinweise. © Bernhard Zinke

Mannheim. Über den Mietspiegel hat es in Mannheim in den vergangenen Jahren einige Auseinandersetzungen gegeben. Der vorläufige Höhepunkt war vor zweieinhalb Jahren erreicht, als das wichtige Werk zu spät fertig wurde. Inzwischen steht fest, dass diese Panne konkrete Folgen zum Nachteil von Mietern hatte – und womöglich auch in Zukunft noch hat. Ein Überblick.

Was war seinerzeit noch mal das Problem?

Der Mietspiegel muss alle zwei Jahre aktualisiert werden. Das ist per Gesetz festgeschrieben. Und da der damals gültige Mietspiegel seit Mitte Dezember 2020 bestand, musste die Neuauflage spätestens im Dezember 2022 vorliegen. Das tat sie aber nicht. Stattdessen wurde sie erst Ende Januar 2023 vom zuständigen Dezernenten Ralf Eisenhauer (SPD) vorgelegt und Anfang Februar vom Gemeinderat beschlossen. Und das hatte konkrete Folgen.

Welche Nachteile ergaben sich daraus für Mieter?

Vereinfacht gesagt hatten die Immobilienbesitzer dadurch die Möglichkeit, die Mieten theoretisch stärker anzuheben als sonst.

Warum konnten die Mieten stärker angehoben werden?

Um das zu verstehen, muss man folgendes wissen: Gibt es in einer Stadt einen sogenannten qualifizierten Mietspiegel - was in Mannheim in der Regel der Fall ist -, gehen die Juristen bei Mietstreitigkeiten zunächst einmal prinzipiell davon aus, dass die dort aufgelisteten Werte die „ortsübliche Vergleichsmiete“ darstellen. Die ist bei Mieterhöhungen, aber auch bei Neuvermietungen der entscheidende Faktor. Liegt lediglich ein „einfacher Mietspiegel“ vor, gibt es größere Spielräume für Mieterhöhungen: Hausbesitzer haben dann deutlich bessere Chancen, Erhöhungen zu begründen, indem sie drei vergleichbare Wohnungen mit höheren Preisen benennen.

Was hat das mit der aktuellen Lage zu tun?

Seinerzeit schien diese „Lücke“ nach zwei Monaten wieder geschlossen zu sein. Denn im Februar hatte der Gemeinderat den neuen Mietspiegel verabschiedet, den Stadtverwaltung und Mieterverein als „qualifiziert“ einstuften. Der Eigentümerverband Haus und Grund widersprach damals und erklärte das vorliegende Werk zu einem einfachen Mietspiegel. Und ein aktuelles Urteil eines Richters am Mannheimer Amtsgericht bestätigt nun diese Einschätzung.

Die Entwicklung der Mieten in Mannheim laut Mietspiegel. © MM-Grafik

Was hat der Richter am Amtsgericht entschieden?

Dass der für die Jahre 2023 und 2024 geltende Mietspiegel der Stadt Mannheim kein qualifizierter ist, sondern ein einfacher. Und dass eine Frau deshalb eine Mieterhöhung akzeptieren muss, die mit den Preisen vergleichbarer Wohnungen begründet wurde.

Wie hat der Richter das begründet?

Richter Christoph Streiß hat festgestellt, dass im Bürgerlichen Gesetzbuch eine doppelte Zweijahresfrist für die Aktualisierung des Mietspiegels festgeschrieben ist: Sowohl bei der Erhebung der Daten als auch bei der Veröffentlichung dürften jeweils nicht mehr als zwei Jahre vergangen sein. Da diese Frist bei der Veröffentlichung jedoch offensichtlich nicht eingehalten worden sei, handle es sich um einen einfachen Mietspiegel.

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Ist das überhaupt noch relevant? Es gibt doch schon den nächsten Mietspiegel.

Darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen: Der Eigentümerverband Haus und Grund vertritt die Einschätzung, dass die Entscheidung eine praktische Bedeutung hat. Das Argument: Bei gerichtlichen Auseinandersetzungen über die Höhe einer Miete sei der Beginn des Mietverhältnisses relevant, erklärt Vorstand Josef Piontek. Liege dieser in den Jahren 2023 oder 2024 werde der damals gültige Mietspiegel herangezogen – der kein qualifizierter und damit nicht so verbindlich sei. Komme es künftig also zu einem Rechtsstreit zwischen einem Eigentümer und einem Mieter, der 2023 oder 2024 eingezogen sei, müsse weiterhin der alte Mietspiegel herangezogen werden.

Welche anderen Auffassungen gibt es?

Für den Mannheimer Mieterverein hat das Urteil keine Bedeutung, die über den Einzelfall hinausgeht. „Es sind in den letzten Jahren zahlreiche Entscheidungen am Amtsgericht auf Basis des Mietspiegels 2023/2024 getroffen worden, die nie die Qualifikation in Abrede gestellt haben“, teilt der stellvertretende Vorsitzende Alexander Sauer mit. Auch Richter Christoph Streiß betont mit Blick auf künftige Fälle: „Meine Kolleginnen und Kollegen nehmen selbstverständlich ihre eigene Wertung vor. Mein Urteil ist für sie nicht bindend.“

Was sagt die Stadtverwaltung dazu?

Sie muss das Urteil zunächst prüfen, erklärt ein Sprecher von Baudezernent Eisenhauer: „Wichtig ist, dass weiterhin ein gültiger Mietspiegel vorliegt.“

Warum ist das alles eigentlich relevant?

Weil die „ortsübliche Vergleichsmiete“, die durch den Mietspiegel eben verbindlich festgelegt wird oder nicht, wichtig ist für alle Immobilieneigentümer und Mietende: Sie markiert nämlich die Obergrenze für Mieterhöhungen. Zudem spielt sie auch bei Neuvermietungen eine Rolle: Da in Mannheim die Mietpreisbremse greift, darf die Miete in neuen Verträgen maximal zehn Prozent über dem ortsüblichen Niveau liegen.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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