Mannheim. Das „Nein“ des Bundeskartellamtes zum angepeilten Klinikverbund Mannheim-Heidelberg schlägt am Freitagnachmittag zwar nicht wie der gern zitierte Blitz aus heiterem Himmel ein - gleichwohl sorgt das Veto, das schon vorher durchsickerte, für Donnerhall und elektrisiert obendrein die Politik. Schließlich ist der Zusammenschluss politisch gewollt. Außerdem sehen die Beteiligten der beiden Klinikum-Standorte ein strategisches Miteinander als „Therapie der Wahl“ - gerade in für Krankenhäuser wirtschaftlich schwierigen Zeiten.
Nachdem die Bonner Wettbewerbshüter den Verbund untersagt haben, weil sie dadurch eine zu starke Marktbeherrschung befürchten, soll eine Ministererlaubnis beantragt werden. Eine solche wird zwar eher selten erteilt, ist aber ausdrücklich als Option im Kartellrecht vorgesehen. Und deshalb geht es in den nächsten Wochen darum, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) davon zu überzeugen, dass ein Zusammenschluss für die Region ein unverzichtbarer Entwicklungsschub bedeuten würde.
"Verbund der Kliniken würde medizinische Forschung verbessern"
„Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass der Verbund der beiden Universitätsklinika nicht nur für die Metropolregion Rhein-Neckar, das Land Baden-Württemberg , sondern auch national und international die medizinische Forschung verbessern und vorbildhaft weiter entwickeln wird,“ erklärt Hans-Jürgen Hennes, Ärztlicher Direktor und Medizinischer Geschäftsführer des Mannheimer Uniklinikums. Und Frauke Melchior hebt als Rektorin der Universität Heidelberg hervor: „Die Exzellenzuniversität Heidelberg mit ihren beiden Medizinischen Fakultäten in Heidelberg und Mannheim nimmt in allen internationalen Rankings der Medizin und Lebenswissenschaften einen ersten Platz in Deutschland ein .“ Diese internationale Reputation mit großem Potenzial wäre beim Kippen des Verbundes „ganz erheblich beeinträchtigt“.
Mannheims OB Specht spricht von der Chance auf ein Leuchtturmprojekt
Nicht nur die Rektorin der Heidelberger Universität argumentiert mit „einem überragenden Interesse der Allgemeinheit“. Auch Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht betont, wie wichtig der Klinikverbund für die gesamte Region sei - wirtschaftlich wie wissenschaftlich. Weil dieser die Chance biete, einen Medizinstandort mit weithin strahlenden Leuchtturmprojekten aufzubauen. Dass ihm auch die finanzielle Stabilisierung des defizitären Mannheimer Klinikums am Herzen liegt, verhehlt er keineswegs.
Am Freitagnachmittag meldet sich auch die Mannheimer Bundestagsabgeordnete Isabel Cademartori und lässt wissen, dass sie in einem persönlichen Brief Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck aufgefordert habe, sich für den Verbund Mannheim-Heidelberg stark zu machen - und letztlich die Kartellamt-Untersagung per Ministererlaubnis zu überstimmen. Denn nur mit einem Zusammenschluss könne die Metropolregion Rhein-Neckar ihr volles Potenzial entfalten, führt die SPD-Politikerin aus und schwärmt geradezu: „Hier kann sich ein wahrer Forschungschampion entwickeln!“
Mehrere Mannheimer Abgeordnete wollen sich an Robert Habeck wenden
Dies dürfte nicht der einzige Brief sein, der Habeck zu dem Kartell-Veto erreicht. Die beiden Mannheimer Landtagsabgeordneten Susanne Aschhoff und Elke Zimmer aus der Stuttgarter Grünen-Fraktion betonen in einem gemeinsamen Schreiben, dass der Klinikverbund für die Region von „zentraler Bedeutung ist“ und sich an den Interessen der Bevölkerung orientiere - weil ja alle von einer Spitzenmedizin profitieren. Weiter betonen die zwei Politikerinnen: „Von allergrößter Bedeutung für das ganze Land ist natürlich die Sicherung der dringend benötigten Medizinstudienplätze, die ansonsten wegfallen würden.“
Kartellamt: "Untersagung des Klinikverbunds ist Ergebnis umfangreicher Ermittlungen"
Soviel steht fest: Auch ein Bundeswirtschaftsminister kann Einwände der Wettbewerbshüter nicht einfach mit einem politischen Federstreich wegfegen. Zumal der Präsident der Behörde, Andreas Mundt, ausführt: „Unsere Untersagung ist Ergebnis umfangreicher Ermittlungen.“ Im Rahmen des Hauptprüfungsverfahrens habe seine Behörde das Leistungsspektrum und die Patientenherkunft von Krankenhäusern in einem Umkreis von rund 150 Kilometern um Heidelberg analysiert, außerdem insgesamt 30 Hospitäler und 215 niedergelassene Fachärztinnen und Fachärzte in der Region gefragt. Aufgrund intensiver Recherchen sei das Kartellamt zu dem Schluss gekommen: Auch „andere Formen der Kooperation“, also ohne Mehrheitsbeteiligung von Heidelberg am Mannheimer Klinikum, könnten „eine ähnlich positive Wirkung“ entwickeln, wie sie von dem Verbund erhofft würde.
Letzte Chance: Beschwerde beim Oberlandesgericht in Düsseldorf
Auf die Beteiligten des angepeilten, aber vorerst gestoppten Zusammenschlusses kommt jetzt eine große Herausforderung zu : Es gilt zu belegen, dass „herausragende gesamtwirtschaftliche Vorteile“ beziehungsweise „ein überragendes Interesse der Allgemeinheit“ die vorgebrachten Wettbewerbseinwände überwiegen. Auch wenn ziemlich klar ist, dass ein Antrag auf Ministererlaubnis gestellt werden soll, bleibt obendrein die rechtliche Möglichkeit, gegen die vom Kartellamt verfügte Untersagung beim Oberlandesgericht in Düsseldorf Beschwerde einzulegen. „Entsprechende Schritte werden überprüft“, teilt das Wissenschaftsministerium mit. Bei den Überlegungen dürfte eine Rolle spielen, dass es bei einer Beschwerde vorrangig um die vorgetragenen Wettbewerbsaspekte und nicht so sehr um gesamtpolitische Erwägungen gehen dürfte.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Verzögerung fürs Mannheimer Klinikum sehr ärgerlich