Mannheim. Frau Ministerin, das Kartellamt hat nun sein Veto gegen den Verbund eingelegt. Völlig überrascht hat Sie das nicht, richtig?
Petra Olschowski: Wir haben den Antrag maximal gründlich vorbereitet, gerade vor dem Hintergrund, dass es hier nicht um den Zusammenschluss von reinen Wirtschaftsunternehmen geht, sondern um Medizinausbildung, Forschung und Versorgung. Aufgrund diverser Nachfragen des Kartellamts in jüngerer Zeit wurde klar, dass das Kartellamt einen kritischen Blick auf das Projekt hat.
Haben Sie und andere politische Akteure das vom Kartellamt ausgehende Risiko unterschätzt?
Olschowski: Nach den ersten Signalen aus den beauftragten Kanzleien gab es Grund zur Hoffnung, dass das Kartellamt einem Zusammenschluss zustimmen könnte - schließlich haben wir sehr gute Argumente dafür. Dann stellte sich heraus, dass die Frage nach einer marktbeherrschenden Rolle des Verbundes durchaus komplizierter ist als erwartet.
Ab welchem Zeitpunkt haben Sie gedacht: Das wird nichts mehr?
Olschowski: Das war so vor etwa acht Wochen. Aber gehofft haben wir in Land und Stadt natürlich bis zuletzt.
Gleichwohl müssten die nächsten Schritte somit schon vorbereitet sein. Wie gehen Sie jetzt vor?
Olschowski: Das Kartellamt hat den Verbund unter rein wettbewerbsrechtlichen Aspekten geprüft. Das ist ja auch seine Aufgabe. Im nächsten Schritt können wir eine Erlaubnis beim Bundeswirtschaftsministerium beantragen. Diese Möglichkeit sieht das Kartellrecht ausdrücklich vor. Dafür gibt es ebenfalls ein festgelegtes Prüfverfahren, das sich allerdings nach anderen Kriterien richtet: So geht es insbesondere um die Frage, ob die Vorteile, die ein Verbund für das Gemeinwohl bringt, mögliche Wettbewerbseinschränkungen überwiegen.
Die Finanznöte der Stadt Mannheim werden da eher keine Rolle spielen, sondern vielmehr der gesamtstaatliche Nutzen, korrekt?
Olschowski: Genau, deutlich schwerer wiegen dürfte der Ausbildungs-, Studiums- und Forschungsstandort Mannheim. Aber anders als vor dem Kartellamt wird es in der Bewertung auch darum gehen, dass die Trägerschaft in der jetzigen Konstellation mit dem Klinikum finanziell überfordert ist.
Wäre es wegen des Ärztemangels im gesamtstaatlichen Interesse, die Medizin-Studienplätze in Mannheim zu erhalten?
Olschowski: Absolut. Fielen die weg, könnte das nicht leicht an anderen Medizin-Standorten kompensiert werden. Wir sprechen immerhin von insgesamt mehr als 2000 Studierenden in Mannheim.
Die Befürworter des Verbunds betonen stets, dass er nicht nur die Region, sondern auch Baden-Württemberg stärken werde. Gilt das für ganz Deutschland?
Olschowski: Selbstverständlich. Patienten kommen aus einem großen Einzugsbereich, der deutlich über Baden-Württemberg hinausgeht, nach Heidelberg und Mannheim. Studien- und Forschungsergebnisse helfen Erkrankten überall in der Welt. Und die Stärkung der Gesundheitswirtschaft insgesamt macht ebenfalls nicht an Landesgrenzen halt.
Wann wird der Antrag auf eine Ministererlaubnis rausgehen?
Olschowski: Wir planen dies für Ende September. Parallel dazu werden wir aller Voraussicht nach auch beim Oberlandesgericht Düsseldorf Beschwerde gegen die Entscheidung des Kartellamts einlegen.
Muss dann Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck für seine Entscheidung erst den Ausgang dieses Rechtsstreits abwarten?
Olschowski: Nein, das Erlaubnisverfahren kann parallel laufen. In aller Regel dauert es etwa sechs Monate. Also werden wir im Frühjahr 2025 wissen, ob wir den Verbund weiterverfolgen können oder nicht.
Wird sich im Laufe des Prüfverfahrens im Ministerium wohl eine Tendenz erkennen lassen?
Olschowski: Das kann ich im Moment nicht einschätzen. Wie die Entscheidung im Bundeswirtschaftsministerium am Ende ausfällt, werden wir abwarten müssen.
Wie optimistisch sind Sie?
Olschowski: Ich bin optimistisch, dass wir grünes Licht bekommen werden. Selbstverständlich muss man die wettbewerbsrechtlichen Bedenken des Kartellamts ernstnehmen. Aber jetzt geht es eben auch um die dringend benötigten Medizin-Studienplätze und den sehr bedeutenden Forschungsstandort, um die mit äußerst renommierten Instituten wie dem DKFZ und dem EMBL geschmiedete Life Sciences-Allianz.
Und was ist, wenn es doch schiefgeht? Haben Sie einen Plan B?
Olschowski: Nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Wir kämpfen jetzt mit aller Energie um eine Ministererlaubnis. Wir werden deutlich machen, welche großen Vorteile das Projekt für die Allgemeinheit bringt.
Gilt Ihre Zusage, nicht nur den Medizinstudium-Standort Mannheim, sondern auch das Klinikum als Vollversorger zu erhalten?
Olschowski: Die gilt bezogen auf den Verbund.
Das klingt aus Mannheimer Warte nicht sehr beruhigend.
Olschowski: Wir werden dann zusammen - also mit der Stadt Mannheim - nach einer sinnvollen Lösung suchen müssen. Dazu brauchen wir den weiteren sehr guten, konstruktiven Austausch miteinander, wie er sich schon bisher in der Arbeit zur Ausgestaltung des Verbunds, übrigens in allen Arbeitsgruppen, zeigt.
Könnte das Land nicht das Mannheimer Klinikum übernehmen? Oder wären dann die für die „Neue Mitte“ dringend benötigten Gelder aus dem Fonds für kommunale Krankenhäuser futsch?
Olschowski: Eine solche Übernahme würde den gleichen kartellrechtlichen Regelungen unterliegen wie die angestrebte Verbundlösung. Eine Beteiligung der Stadt Mannheim ist unverzichtbar. Auch langfristig wird die Stadt Verantwortung für die sehr schwierige Situation des bisher städtischen Klinikums übernehmen müssen. Und ja, die Mittel aus der sogenannten KHG-Förderung sind essenziell, denn die „Neue Mitte“ muss unbedingt kommen. Daher ist der Verbund die einzig gangbare Lösung.
Studierte Kunsthistorikerin und Ex-Redakteurin
- Geboren ist Petra Olschowski am 29. Juni 1965 in Stuttgart.
- Nach einer Lehre als Einzelhandelskauffrau im Kunsthandel studierte sie Kunstgeschichte sowie Germanistik. Danach machte sie ein Volontariat und arbeitete zunächst als Redakteurin.
- Ende September 2022 stieg die Grüne von der Staatssekretärin zur Landesministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst auf.
- Damit trat sie die Nachfolge der Heidelbergerin Theresia Bauer an, die das Klinika-Projekt 2020 mitinitiiert hatte.
Insbesondere Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Sozialminister Manne Lucha standen dem Zusammenwachsen der beiden Klinika lange sehr skeptisch gegenüber. Gefährdet die Verzögerung beim Verbund nun die mühsam erzielte Einigkeit innerhalb der Landesregierung?
Olschowski: Wir sind uns absolut einig, dass der Verbund die mit Abstand beste Lösung ist.
Zuletzt hat sich das Land an den Hilfen, die für den laufenden Betrieb des Mannheimer Klinikums nötig waren, stets zu 60 Prozent beteiligt. Wird das auch im nächsten Jahr so sein, für das die Stadt eine Patronatserklärung von 100 Millionen Euro abgeben musste?
Olschowski: Mannheim sieht an den enormen Beträgen, die wir zuletzt immer wieder der Stadt für das Klinikum haben zukommen lassen, wie ernst es uns mit dem Verbund ist. Da wollen wir dieses Projekt natürlich nicht auf der Zielgeraden gefährden.
Eigentlich hätte der Verbund Anfang 2025 seine Arbeit aufnehmen sollen. Nun ein halbes Jahr später?
Olschowski: Davon gehen wir derzeit aus.
Der Vertrag von Freddy Bergmann, dem Kaufmännischen Geschäftsführer des Mannheimer Klinikums, läuft Ende 2024 aus. Werden seine Aufgaben dann zunächst kommissarisch und später im Verbund von Heidelberg aus übernommen?
Olschowski: Diese Frage müssen Sie der Stadt stellen. Aber zunächst gilt es, das kartellrechtliche Verfahren zu respektieren. Im angedachten Konzept für einen Verbund steht eine Geschäftsführung in Mannheim außer Frage.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Verzögerung fürs Mannheimer Klinikum sehr ärgerlich