Mannheim. Zwei Tage nach dem Polizeieinsatz auf dem Marktplatz, bei dem ein Mann gestorben ist, bleiben noch viele Fragen offen. Am Mittwoch sind deshalb erstmals der Leiter der Mannheimer Staatsanwaltschaft, Romeo Schüssler, Polizeipräsident Siegfried Kollmar und Andreas Stenger, Chef des Landeskriminalamts (LKA) Stuttgart, gemeinsam vor die Presse getreten, haben Details bekanntgegeben. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Steht die Todesursache bereits fest?
Nein. Die ungeklärten Fragen zum Tod des 47 Jahre alten Mannes können vermutlich erst in sechs bis acht Wochen beantwortet werden. Zwar sind nach Angaben des Landeskriminalamts Spuren stumpfer Gewalt an der Leiche festgestellt worden. Die seien aber „von geringer Intensität gewesen“, sagte LKA-Präsident Stenger am Mittwoch. Der Mann habe auch eine Herzinsuffizienz (Herzschwäche) gehabt.
Was ist über die Identität des Verstorbenen bekannt?
Nach Angaben der Behörden handelte es sich bei dem 47-Jährigen um einen deutschen Staatsbürger mit kroatischen Wurzeln. Der Mann stammt aus Heidelberg. Er sei im September 2017 eingebürgert worden und wurde als Patient im Zentralinstitut für seelische Gesundheit (ZI) behandelt.
Wie lief der Polizeieinsatz am Mannheimer Marktplatz ab?
Der 47-Jährige hatte sich gegen den Rat seines Arztes aus dem ZI entfernt und war am Montag während eines Polizeieinsatzes zusammengebrochen. Zuvor hatte ein Arzt aus dem ZI die Polizei informiert, weil der Patient möglicherweise Hilfe brauche. Zwei Beamte und der Mediziner machten sich daraufhin auf die Suche nach dem Mann, den sie in der Innenstadt entdeckten. Der 47-Jährige soll sich den Anweisungen der Polizisten widersetzt haben. Pfefferspray wurde eingesetzt, habe aber keine Wirkung gezeigt. Daraufhin wurde der Mann von den Beamten überwältigt. „Er hat sicherlich den Anweisungen der Beamten stehenzubleiben, nicht Folge geleistet“, sagte LKA-Chef Stenger. Nachdem der Mann kollabiert war, sei er 30 Minuten lang von einem Arzt reanimiert worden, erklärte Andreas Stenger. Wann genau er starb – ob schon am Tatort oder erst im Krankenhaus – ist noch ungeklärt.
Wie geht es mit den betroffenen Beamten weiter?
Polizeipräsident Siegfried Kollmar hat die beiden Männer vorläufig suspendiert, sie verrichten keinen Streifendienst mehr und werden in Zukunft auch nicht mehr im H 4-Revier arbeiten. Ihnen droht neben dem Ermittlungsverfahren ein Disziplinarverfahren. Gegen die beiden Polizisten wird inzwischen wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt mit Todesfolge ermittelt. Die Männer Mitte 20, so Kollmar, seien seit mehreren Jahren im Polizeidienst. „Das sind Kollegen, die haben schon das eine oder andere Dienstjahr auf dem Buckel“, sagte Kollmar. Die Beamten haben sich aber nach Angaben der Staatsanwaltschaft noch nicht zum Vorfall geäußert. Sie seien seines Wissens in der Vergangenheit noch nicht durch Gewalt auffällig geworden, sagte Romeo Schüssler. Unklar bleibt, warum die Polizisten bei dem Einsatz ihre Bodycams am Körper nicht aktiviert hatten.
Wie bewertet Polizeipräsident Siegfried Kollmar den Fall?
Durch den Fall sei das Vertrauen in die Polizei aus seiner Sicht verloren gegangen. „Wir werden einige Wochen und Monate brauchen, bis wir das Vertrauen zurückgewonnen haben“, sagte Kollmar. „Unsere Bemühungen haben einen Knacks bekommen.“ Der Polizeipräsident verurteilt zudem scharf Hetze und Drohungen gegen Polizisten im Netz und auf der Straße. Mehr als 150 Verfahren habe sein Präsidium deswegen bereits eingeleitet.
Wie verlaufen die weiteren Ermittlungen?
Beim Landeskriminalamt haben sich bisher rund 30 Zeugen gemeldet. Außerdem seien rund 70 Videos zur Verfügung gestellt worden – inwieweit es sich dabei zum Teil um identische Videos handelt, ist nach Worten eines LKA-Sprechers vom Mittwoch noch unklar. Zeugenvernehmungen wie auch die Auswertung der Filmsequenzen werden einige Zeit dauern, zumal man auch mit weiteren Hinweisen rechne.
Warum sorgt der Fall bundesweit für Schlagzeilen?
Kurz nach dem Vorfall am Montag auf dem Marktplatz tauchten im Internet Videos auf, die die Festnahme zeigen. Darauf ist zu sehen, wie einer der Polizisten einem am Boden liegenden Mann ins Gesicht schlägt. Man sehe aber auf den Videos, dass sich der Mann widersetzt habe, „dass da Bewegungen sind, dass da ein Schlagen ist“, so Stenger. Der LKA-Chef betonte aber auch, dass man sich nicht von einzelnen Videosequenzen täuschen lassen dürfe. Zudem kursierte die Falschmeldung, es handle sich bei dem Mann um einen türkischen Migranten. Nach Vorwürfen rassistisch motivierter Gewalt hatte das LKA am Montagabend betont, dass der Mann kein türkischer Staatsbürger sei. Und einen Tag später mitgeteilt, dass der Mann deutscher Staatsbürger sei. Ob er einen Migrationshintergrund hat, blieb bis Mittwochnachmittag unbeantwortet.
Nennt die Polizei Nationalitäten in Pressemitteilungen?
Ob und wann in Pressemitteilungen die Nationalität von Tätern oder Opfern genannt wird – dafür gebe es laut LKA zwar keine Vorgaben vom Innenministerium. Allerdings eine Empfehlung: In der Regel verzichten die Ermittlungsbehörden auf die Nennung der Nationalität oder des Migrationshintergrundes. Die Ausnahme: Sobald diese Information bei einem Fall eine Rolle spielt wie bei rassistisch motivierten Taten. In diesem Fall habe, das sagte Stenger mehrfach, aus Sicht des LKA die Herkunft keine Rolle gespielt.
Warum ermittelt das LKA und nicht eine Nachbardienststelle?
Der Vorgang für solche Fälle ist landesweit geregelt. Laut Landeskriminalamt werden Fälle, bei denen es sich um unmittelbaren Zwang mit Todesfolge handelt, vom LKA selbst zentral ermittelt.
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