Mannheim. Es ist der erste Neujahrsempfang für Christian Specht (CDU) als Oberbürgermeister. Aber schon der zweite in Folge, an dem ein Rathauschef in seiner Rede auf einen tödlichen Polizeieinsatz in Mannheim eingeht. Weil am 2. Mai 2022 ein Mann am Marktplatz sein Leben verloren hatte, appellierte Peter Kurz (SPD) am 6. Januar 2023, den tragischen Vorfall nicht das Mannheimer Gemeinwesen angreifen zu lassen. Er kritisierte, dass dadurch für manche Menschen „alle Polizisten zu Unmenschen“ würden. Am diesjährigen Dreikönigstag spricht Specht ähnlich über die tödlichen Polizeischüsse vom 23. Dezember auf der Schönau. Aber auch über viele andere Themen. Christian Specht in seiner Rede beim Neujahrsempfang über…

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…den tödlichen Polizeieinsatz:
Der Zwischenfall vom Tag vor Heiligabend ist der vierte Punkt in Spechts Ansprache. Noch immer zeigt er sich von den tödlichen Schüssen aus einer Polizeipistole erschüttert, warnt aber erneut vor Vorverurteilungen. Sie lösten neue Konflikte aus und spalteten. Stattdessen fordert Specht, den Rechtsstaat seine Kontrollaufgaben wahrnehmen zu lassen: „Wir können und sollten auf die Unabhängigkeit und Legitimität dieser rechtsstaatlichen Verfahren vertrauen.“ Gleichzeitig bezeichnet er es als wichtig, dass der Polizeieinsatz vom 23. Dezember „umfassend aufgeklärt wird“. Nur so könne die Polizei auch in Zukunft das Vertrauen der Menschen genießen.
…das Leitbild Mannheim 2030:
Specht kündigt an, in diesem Jahr eine Zwischenbilanz für das Leitbild Mannheim 2030 ziehen zu wollen und zu prüfen, ob die Strategie angepasst werden muss. Eine Veränderung scheint wahrscheinlich, denn der Oberbürgermeister führt gleich mehrere Gründe auf, die aus seiner Sicht dafür sprechen. In den fast fünf Jahren, seitdem der Gemeinderat das Leitbild am 12. März 2019 verabschiedet hat, so Specht, seien die Rahmenbedingungen andere geworden. Das liege an der Corona-Pandemie, am russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, aber auch am „Klimawandel, dessen Auswirkungen immer spürbarer werden“. Wachsender Bedarf an Digitalisierung und der verschärfende Fachkräftemangel führt Specht ebenso auf wie neue politische Strategien und Prioritäten des vergangenen halben Jahrzehnts. Neben den sieben strategischen Zielen umfasse der Jahresbericht 33 Teilziele, 30 Fachstrategien und 52 Indikatoren für die Bewertung. Specht will die Steuerung verschlanken und fokussieren - und etwa die Zahl der Kita-Plätze als Indikator aufnehmen. „Mir ist wichtig, dass wir wieder klar formulieren, welche Erwartungen die Bürgerschaft, das Ehrenamt und die Unternehmen an die Verwaltung haben können beziehungsweise welche Leistungen die Verwaltung in welcher Qualität und Quantität erbringen soll.“
Mehr als 2500 Mannheimerinnen und Mannheimer sowie Unternehmen, Institutionen und Vereine haben an dem 18-seitigen Papier mitgearbeitet. Darin sind in sieben Ziele – darunter Klimaneutralität, Bildungsgerechtigkeit, Demokratie stärken und Lebensqualität bieten – formuliert. Hintergrund für das Leitbild sind die 17 weltweiten Nachhaltigkeitsziele, auf deren Umsetzung bis zum Jahr 2030 sich die Staaten der Welt verständigt haben. Dabei geht es um den Kampf gegen Armut genauso wie um den Einsatz von bezahlbarer und sauberer Energie.
…die Verwaltung:
Ein wichtiger Punkt in der Überprüfung der Leitbild-Strategie ist laut Specht, welche Leistungen die Stadtverwaltung erbringen kann: „Mein Ziel ist es, dass wir einen klaren Fokus auf die Qualität unserer Leistungen und die Zufriedenheit unserer Nutzerinnen und Nutzer richten und damit das Vertrauen in den öffentlichen Dienst steigern.“ Er umreißt die Probleme der Verwaltung: Die Steuereinnahmen sprudeln nicht mehr wie früher, die Ausgaben steigen und qualifiziertes Personal ist immer schwieriger zu finden. Specht will überprüfen, in welchen Bereichen Mannheim von anderen Verwaltungen lernen kann. Man müsse nicht immer Perfektion in allen Bereichen anstreben und stattdessen regional Verwaltungsaufgaben gemeinsam schultern.

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…über das Ehrenamt:
Ehrenamtlich Engagierte bezeichnet Specht als den „wahren Schatz unserer Stadt“. Beim diesjährigen Neujahrsempfang steht das Ehrenamt besonders im Blickpunkt. „Unser freiheitliches Gemeinwesen lebt von der Mitwirkung und Mitgestaltung durch die Bürgerinnen und Bürger“, lobt Specht in seiner Ansprache. Er benennt drei Punkte, um gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Laut Specht brauche Mannheim eine bessere Infrastruktur für das bürgerschaftliche Engagement vor Ort. Außerdem müssten Familien mit Kindern besser im Blick behalten und Orte geschaffen werden, an den Menschen sich austauschen können und Gemeinschaft erlebbar wird. Konkreter wird Specht in seinen Ausführungen jedoch nicht. Nennt aber die Vesperkirche, die ab dem 7. Januar läuft, als Beispiel. Die Initiative bringe nicht nur allen, die es sich nicht leisten können, ein Essen auf den Tisch, sondern auch unterschiedliche Lebenswelten zusammen. Als zweites Beispiel für besonderes ehrenamtliches Engagement nennt Specht den Förderkreis der Bundesgartenschau. Der habe „wesentlich dazu beigetragen, dass die Buga 23 die Herzen der Mannheimerinnen und Mannheimer im Sturm erobert hat“. Mit Blick auf das neue Jahr ist der Oberbürgermeister sicher: „In Mannheim wird 2024 – davon bin ich überzeugt – das Jahr des ehrenamtlichen Engagements.“
…Heizen und Energie:
Specht befürwortet, dass die Bundesregierung mit den Neuerungen des Gebäudeenergiegesetzes den CO2-Ausstoß verringern möchte. Allerdings kritisiert er, dass es unter „größtem Zeitdruck“ und ohne, dass es mit den Ländern abgestimmt gewesen und die finanzielle Umsetzung geklärt gewesen sei, in den Bundestag eingebracht wurde. Das „sorgte für weitere Verunsicherung in der Bevölkerung“. Den Menschen in Mannheim attestiert Specht, dass sie dazu beigetragen haben, im vergangenen Winter ausreichend Energie eingespart und es „uns als Gesellschaft“ so ermöglicht zu haben, ohne Engpässe durch die kalten Monate zu kommen. Und der OB macht in seiner Rede ein Versprechen: „Bei der nun anstehenden Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung werden wir zudem allen Bürgerinnen und Bürgern – auch denjenigen, die nicht an die Fernwärme angeschlossen werden können – ein Angebot für ihre künftige Wärmeversorgung unterbreiten.“
…den Konflikt im Nahen Osten:
Den Überfall der palästinensischen Hamas auf Israel am 7. Oktober bezeichnet Specht als „Terrorangriff, der nur ein Ziel hatte, so viele Jüdinnen und Juden wie möglich zu ermorden“. Weil Israel für Jüdinnen und Juden in der ganzen Welt als finaler Zufluchtsort dient, gibt er allen Demokratinnen und Demokraten zwei Aufgaben mit auf den Weg: „Wir sind zum einen verpflichtet dazu beizutragen, dass Israel immer eine sichere Heimstätte für Jüdinnen und Juden bleibt. Wir sind vor allem aber auch verpflichtet alles Erforderliche dafür zu tun, dass Menschen jüdischen Glaubens in unserem Land und in unseren Städten frei von Angst leben und ihre Religion frei praktizieren können.“ Das gelte, fügt er extra an, für alle Religionsgemeinschaften in Mannheim. Specht zeigt sich besorgt und schockiert darüber, dass jüdische Schülerinnen und Schüler ihre Religionszugehörigkeit aus Angst verbergen. „Wir müssen unsere Anstrengungen zur Antisemitismusprävention deutlich ausweiten“, fordert der Oberbürgermeister.
…die Wahlen am 9. Juni:
Christian Specht ruft alle Wahlberechtigten dazu auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen, wenn bei der Kommunalwahl Mannheims neuer Gemeinderat bestimmt wird. Wer sich an der Wahl beteiligt, übernehme nicht nur Verantwortung und beeinflusst die lokale Politik. „Genauso wichtig ist, dass Sie mit Ihrer Stimme Wertschätzung für diese besondere Form des politischen Ehrenamtes zum Ausdruck bringen“, so Specht. Diese Wertschätzung erführen Lokalpolitikerinnen und Lokalpolitiker im Alltag zu selten. Gleichzeitig gilt Spechts Wahlaufruf auch für die Wahl des Europäischen Parlaments, die ebenfalls am 9. Juni stattfindet.
…Hochwasser in Mannheim:
Als Stadt am Zusammenfluss von Rhein und Neckar und mit tiefergelegenen Stadtteilen weise Mannheim ein „besonderes Gefährdungspotential“ auf, so Specht in seiner Ansprache. Die aktuelle Lage in Hochwassergebieten wie in Niedersachsen zeige, dass die Stadt einen wirksamen Hochwasserschutz brauche. Der OB erneuert sein Bekenntnis zu einer selbsttragenden Spundwandlösung am Lindenhöfer Rheindamm: „Ich bin zuversichtlich, dass bereits in den nächsten Wochen das Planfeststellungsverfahren in diese Richtung modifiziert wird.“
…das Mannheimer Jahr 2024:
Christian Specht blickt mit Vorfreude auf das, was in den nächsten zwölf Monaten kommt: „Bei allen Ungewissheiten haben die Mannheimerinnen und Mannheimer allen Grund, sich auf das neue Jahr zu freuen.“ Er erwähnt die Spiele der Handball-Europameisterschaft in der SAP Arena zwischen dem 11. und 16. Januar, die Ausstellung zur Neuen Sachlichkeit in der Kunsthalle ab dem 22. November und einen Hackathon vom 27. bis zum 29. September auf dem Maimarktgelände unter dem Thema „Decarbonize the Planet“ – er soll mit 3500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der bislang größte der Welt werden. Specht: „Ich bin sicher: 2024 wird ein spannendes Jahr, in dem wir unsere Stadt mit ihren vielen Talenten und Facetten erleben und genießen dürfen."
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