Ermittlungen - Berufsverband hält Maßnahme gegen beteiligte Beamte für unangemessen

Nach Einsatz am Marktplatz: Polizeigewerkschaft kritisiert Suspendierung

Von 
Lisa Uhlmann
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Blumen und Plakate, die an den Polizeieinsatz am Marktplatz Anfang Mai erinnerten, sind mittlerweile verschwunden. © Wazulin

Mannheim. Vorbeieilende Passanten und Restaurantbesucher, die in der Sonne sitzen - mittlerweile erinnert am Marktplatz zumindest optisch nichts mehr an den Polizeieinsatz, bei dem ein psychisch Erkrankter Anfang Mai verstorben war und der sogar bundesweit Schlagzeilen machte. Mehr als vier Wochen danach sind nun Blumen und Palakte verschwunden, die wochenlang genau an dieser Stelle die Aufklärung der Ereignisse und das Stoppen von Polizeigewalt gefordert hatten.

Aber auch einen Monat nach dem Vorfall ist die Todesursache des Mannes weiterhin unklar. Die feingeweblichen Untersuchungen der Leiche des 47-Jährigen seien noch nicht abgeschlossen, teilte das Landkriminalamt (LKA) mit. Über den Ablauf des Vorfalls bleiben weiterhin viele Fragen offen. Derzeit wird gegen zwei vom Dienst suspendierte Beamte des Polizeipräsidiums Mannheim wegen Verdachts der Körperverletzung im Amt mit Todesfolge ermittelt.

Bei der Mannheimer Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält man die vorläufige Suspendierung für vorschnell. „Wir fragen uns schon, warum die Kollegen suspendiert wurden“, erklärt GdP-Chef Thomas Mohr auf Anfrage. In vergleichbaren Fällen, die anders gehandhabt wurden, habe man den Beamten zunächst „ein Verbot der Dienstgeschäfte“ ausgesprochen. Das gelte zunächst bis zu drei Monate. Denn eine Suspendierung, wie in diesem Fall, habe die Entlassung aus dem Polizeidienst zum Ziel. Zudem stellen sich für die GdP weitere Fragen. Sie will etwa wissen, was die polizeiliche Videoüberwachung auf dem Marktplatz zum Vorfall aufgezeichnet hat. Denn die GdP hofft darauf, dass hier der gesamte Ablauf der Festnahme aufgenommen wurde.

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Sie wirft außerdem die Frage auf, ob es für den verstorbenen ZI-Patienten eine gerichtliche Verfügung gegeben hat, die vorsah, den Mann in eine geschlossene Einrichtung unterzubringen. Konfrontiert mit dieser Frage verweist das LKA auf laufende Ermittlungen und das Persönlichkeitsrecht.

Ob sie wissen, was genau hier vor einem Monat passiert ist? Angesprochen auf den Vorfall erklärt ein junges Paar, das gerade samt Kinderwagen am Marktplatz Pause macht und zwar genau dort, wo kurz vorher noch Blumen lagen: „Klar, in unserem Freundeskreis reden wir immer noch darüber“, sagt der Vater. Wirklich überrascht hat ihn das Verhalten der Beamten aber nicht, er habe selbst schon Erfahrung mit der Polizei. „Nicht alle Polizisten sind so, viele sind höflich. Aber so etwas hier zu machen, wo Kinder, Alte und Familien vorbeilaufen, ist nicht in Ordnung“, findet der Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.

Signal an die Kollegen fehlt

Allerdings ist auch vier Wochen nach dem Vorfall die Todesursache des Mannes weiterhin unklar. Auf Anfrage erklärt das Landeskriminalamt (LKA): Bisher gibt es 67 Zeugen, die die Ermittler festgestellt oder die sich über das extra geschaltete Hinweistelefon gemeldet hätten. Fast alle seien befragt worden. Die Beamten werten über 120 Videos aus, die Privatleute hochgeladen haben.

Noch immer wird gegen zwei vom Dienst suspendierte Beamte des Polizeipräsidiums (PP) Mannheim wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt mit Todesfolge ermittelt, im Internet kursierende Aufnahmen zeigen, wie einer der Beamten den am Boden liegenden Mann ins Gesicht schlägt. Weiter bleiben viele Fragen offen: Warum genau hat der behandelte Arzt die Polizisten um Hilfe gebeten? Hatten die beteiligten Beamten überhaupt eine Bodycam dabei? Das fragt man sich auch bei der Mannheimer Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Hier hält man die vorläufige Suspendierung für vorschnell. „Dadurch hat man bereits den Sachverhalt gegen die Beamten gewertet, ohne das Ergebnis der Ermittlungen abzuwarten. Eine Unschuldsvermutung sieht anders aus“, so der Mannheimer GdP-Chef Thomas Mohr. Seine Kritik richtet sich auch an die Polizeiführung, die weder falsche Annahmen zu dem Vorfall entkräftet, noch sich vor die betroffenen Beamten gestellt habe. Das habe viel Nährboden für Spekulationen und Falschmeldungen geboten. „Wir hätten uns gewünscht, dass man sich um die betroffenen Kollegen wirklich kümmert und sie nicht öffentlichkeitswirksam demontiert. Das wäre auch ein wichtiges Signal für alle anderen Polizisten und Polizistinnen gewesen“, so Mohr.

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Die GdP sieht keinen erheblichen Vertrauensverlust der Mannheimer Polizei in der Bevölkerung. „Es gibt keine strukturelle Angst vor der Polizei, wie sie aus parteipolitischen Gruppierungen immer wieder propagiert wird.“ Nachgefragt beim Migrationsbeirat hält das Gremium dagegen an seinem Standpunkt fest und erklärt: „Das, was passiert ist, hat in vielen Menschen etwas ausgelöst, das uns eigentlich alle hier zum Nachdenken bringen müsste. Eine Angst, die tief sitzt. Angst, wegen seinem Äußeren festgehalten zu werden. Angst, zu hart behandelt zu werden. Angst, vorverurteilt zu werden.“ Man müsse leider davon ausgehen, dass das Sicherheitsgefühl und das Vertrauen eines großen Teils der migrantischen Bevölkerung - nicht nur in Mannheim - verloren gegangen sei. „Es ist daher wichtig, zu versuchen, Vertrauen wiederaufzubauen, zurückzugewinnen.“ Wie versprochen, hat sich die Polizei laut Migrationsbeirat bereits bei dem Gremium gemeldet, um Kooperationen zu besprechen.

Wie oft also wenden Mannheimer Polizisten „unmittelbaren Zwang“ an und wie oft werden dabei Menschen verletzt oder getötet? Zwar sei es keine Seltenheit, dass Polizisten auch in Mannheim, wenn erforderlich, unmittelbaren Zwang und damit Gewalt einsetzen, so ein Polizeisprecher. Zahlen drüber, wie oft, gibt es keine. Solche Vorfälle würden schlicht nicht erfasst.

Nur wenige Beschwerden

Wie oft tauchen Beschwerden über mögliches Fehlverhalten von Ordnungshütern des PP Mannheims auf, auch Dienstaufsichtsbeschwerde genannt, und wie oft kommt es zu einem Disziplinarverfahren? Zahlen dazu offenbart die Antwort des Innenministeriums Baden-Württembergs Anfang Januar 2022 auf eine kleine Anfrage der AfD zu Disziplinarmaßnahmen und Strafverfahren gegen Polizeibeamte. Im Vergleich zum Polizeipräsidium Stuttgart, das weniger Mitarbeitende beschäftigt, schneidet Mannheim deutlich besser ab, gab es hier für 2021 nur halb so viele Dienstaufsichtsbeschwerden wie in Stuttgart. Auch die Anzahl der Disziplinarverfahren bleibt fürs PP Mannheim im Vergleich überschaubar. Die Strafe für Beamte reicht dabei vom Verweis über Geldbuße bis hin zur Suspendierung. Allerdings sind in den vergangenen fünf Jahren in Mannheim nur vier Beamte suspendiert worden, zuletzt 2021. In diesem Fall soll ein 40-Jähriger seinen Impfausweis gefälscht haben, wie das Präsidium auf Anfrage mitteilt. Der Mann ist seit Ende Dezember von Dienst suspendiert, gegen ihn wird ein Straf- sowie ein Disziplinarverfahren geführt.

Zurück am Marktplatz weiß niemand so richtig, wer die Blumen samt Plakate entfernt hat. „Die Blumen haben immer an den Vorfall erinnert, das war schön. Trotzdem glaube ich: Was hier passiert ist, war ein Unfall“, findet eine junge Schülerin, die in den Quadraten wohnt. Angst vor Polizisten hat sie wegen des Vorfalls nicht, im Gegenteil: „Ich würde sie weiterhin um Hilfe bitten, bislang waren sie höflich zu mir.“

Redaktion Seit 2018 als Polizeireporterin für Mannheim in der Lokalredaktion.

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