Krankheit

Mehr Hautkrebs-Fälle: Das sagen Mannheimer Experten

Beim weißen und schwarzen Hautkrebs steigen die Zahlen in Mannheim und in ganz Deutschland. Was Hautärzte in der Quadratestadt sagen und die Universitätsmedizin Mannheim beobachtet

Von 
Eva Baumgartner
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Bei der Entstehung von Hautkrebs spielt die lebenslange UV-Exposition eine entscheidende Rolle. © Pattarisara - stock.adobe.com

Mannheim. „Das ging los wie ein Grießkorn“, erinnert sich Jürgen Z. Zunächst schenkt er dem hellen „Pickel“ direkt unter seinem linken Auge nur wenig Beachtung: „Aber dann hatte ich das Gefühl, er wird fester, und irgendwann sah er fast wie ein ganz kleiner Blumenkohl aus“, beschreibt der 48-Jährige die wenige Monate später entstandene Mini-Wucherung. Einen Termin beim Hautarzt hat er da längst gemacht. Bevor er diesen wahrnimmt, steht eine Routine-Kontrolle beim Augenarzt an. Der erkennt sofort, was sich hinter dem hellen Fleck verbirgt: „Er sagte direkt, dass es weißer Hautkrebs ist, ein Basaliom“, so Jürgen Z. Die Zeit drängt, und wenig später entfernt eine Fachklinik die Wucherung.

Ab März jeden Tag eincremen

Jürgen Z. hat helle Haut, er ist Sportler, läuft erfolgreich Langstrecken. „Ich trainiere jeden Tag draußen, habe mich früher fast nie eingecremt, außer an ganz besonders heißen Sommertagen.“ Woher das Basaliom kommt? Er weiß es nicht. Doch der Hautarzt sagt ihm nach der Entfernung: „Ab jetzt gilt für Sie: ab März jeden Tag eincremen.“

Viele Menschen denken gerade in jungen Jahren nicht daran, sich vor der Sonne zu schützen. Dabei werde Hautkrebs gerade durch „Jugendsünden“ verursacht, trete durchaus 30 bis 40 Jahre nach diesen auf, weiß Jochen Sven Utikal, Direktor des Hauttumorzentrums Mannheim an der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) und Leiter der Hautkrebsabteilung am Deutschen Krebsforschungszentrum.

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Die Zahlen von schwarzem und weißem Hautkrebs steigen seit Jahrzehnten, vor allem in europäischen Ländern, den USA oder Australien. Hierfür spiele die lebenslange UV-Exposition eine entscheidende Rolle: „Alle vier Geburtenjahrgänge werden die Menschen ein Jahr älter. Und weil die Bevölkerung immer älter wird, ist auch die Zahl des weißen Hautkrebses stark steigend“, sagt Christian Riedel, stellvertretender Vorsitzender im Landesverband Baden-Württemberg der Deutschen Dermatologen, der in Mannheim eine Praxis hat. Das Gewebe habe einfach mehr Zeit, sich zu entwickeln. Basaliome seien deshalb gerade in hohem Alter weit verbreitet, dennoch gebe es Fälle auch bei Jüngeren. Beim schwarzen Hautkrebs spiele „die akute Schädigung“ eine Rolle, so Riedel. Die Patienten seien zwar oft älter, „aber manchmal auch sehr jung“, so Riedel.

In Deutschland gebe es aktuell rund 250 000 Fälle von weißem und etwa 30 000 Fälle von schwarzem Hautkrebs, und auch in der Quadratestadt seien die Zahlen hoch, berichtet Riedel: „Wir sehen derzeit viele Hautkrebs-Fälle, operieren in der Praxis etwa zehn pro Woche.“ Gerade im Sommer seien die Zahlen regelmäßig höher: Die Menschen tragen weniger Kleidung, bemerken Auffälligkeiten selbst stärker oder werden darauf hingewiesen, sagt auch Utikal.

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Aktuelle Zahlen zum weißen Hautkrebs, also zu Basalzellkarzinomen (Basaliomen) und Plattenepithelkarzinomen, sind in Baden-Württemberg schwer zu bekommen, weiß Riedel. Das Basaliom sei sogar so häufig, dass es im Krebsregister gar nicht auftauche. „Und beim Plattenepithel-Karzinom, das gehört auch zum weißen Hautkrebs, haben wir in Baden-Württemberg etwa 215 000 Fälle pro Jahr, das ist schon relativ viel.“ Der entscheidende Unterschied: „Weißer Hautkrebs ist sehr, sehr häufig, aber selten tödlich, weil eine Metastasierung extrem selten ist. Der schwarze ist viel seltener, aber verläuft zu einem gewissen Teil tödlich, das Risiko ist viel größer“, sagt Riedel. „Er kann am ganzen Körper entstehen, sogar im Auge.“ Je früher er entdeckt wird, desto höher ist die Überlebenswahrscheinlichkeit, so der Experte. Rund fünf bis sieben Prozent der Fälle verlaufen dagegen tödlich: „In Baden-Württemberg gibt es 250 Todesfälle pro Jahr, in Deutschland 3500, das liegt daran, dass dieser Tumor metastasiert“, erklärt Riedel.

Notfalls zuerst zum Hausarzt gehen

Ein Problem: Oft betragen die Wartezeiten bei Hautärzten ein Vierteljahr oder länger: „Das kann bei schwarzem Hautkrebs schon tödlich sein, manchmal wächst er langsam, manchmal aber auch rasant“, erklärt Riedel. Zwar gebe es die ABCDE-Regel zur Früherkennung von Hautkrebs: Diese rät bei Pigmentflecken auf asymmetrisches Wachstum, ungleichmäßige oder unscharfe Begrenzung, auf die Pigmentierung (Color), den Durchmesser oder Erhabenheiten zu achten. Doch Riedel rät: „Wenn etwas komisch scheint, gehen Sie zum Hautarzt, notfalls erst zum Hausarzt, wenn der uns anruft, geht es schneller.“ Eine Hautkrebs-Vorsorge mindestens alle zwei Jahre sei wichtig: „Das zahlt die Krankenkasse.“ Bei manchen Berufsgruppen besteht zudem ein besonders hohes Risiko - wenn Menschen regelmäßig der Sonne ausgesetzt sind, wie bei Landwirten oder Dachdeckern: „Diese Fälle sind als Berufserkrankung anerkannt. Es hat extreme Bedeutung, wenn Menschen zusätzlich zur Freizeit den ganzen Berufsalltag der Sonne ausgesetzt sind.“

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Die Corona-Pandemie habe übrigens Auswirkungen auf die Hautkrebs-Zahlen gehabt: Utikal nennt es die „Corona-Delle“: „Wir hatten 2020 an der UMM einen Rückgang von 20 Prozent an Primärfällen von schwarzem Hautkrebs. Bei weißem Hautkrebs war es ein Minus von 15 Prozent.“ Der Professor habe sich, wie andere, gefragt, woran das liege - und zwei mögliche Gründe gefunden: Dass Menschen während der Pandemie nicht ins Krankenhaus wollten oder niedergelassene Ärzte mögliche Fälle aufgefangen haben. 2022 hätten sich die Zahlen wieder an die Werte von 2019 angeglichen: „Wir beobachten aber einen Wechsel hin zu mehr fortgeschrittenen Fällen“, so Utikal. Die Tumorschicht des Melanoms sei dicker geworden. Utikal erwartet, dass die Zahlen bis Jahresende weiter steigen: „2023 werden sie voraussichtlich höher sein als 2019.“

Generell gehen die Leute unterschiedlich mit dem Thema um, hat Utikal beobachtet: „Manche kommen wegen Kleinigkeiten, sind besorgt, andere gehen gar nicht zum Arzt oder verdrängen alles.“ Wieder andere hätten ein schlechtes Gewissen: „Und kommen abends mit Sonnenbrand als Notfall in die Klinik.“ Die UMM arbeite dann mit entzündungshemmenden oder schmerzstillenden Medikamenten: „Aber die Verbrennung und der Hautschaden sind da.“

Für Jürgen Z. gehört die Sonnenschutzcreme nach seinem erfolgreich überstandenen Hautkrebs jedenfalls inzwischen zur täglichen Routine, ebenso eine jährliche Haut-Kontrolle: „Ich habe mein Leben geändert.“

Redaktion Eva Baumgartner gehört zur Lokalredaktion Mannheim.

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