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Marktplatz-Prozess: Augenzeugen schildern minutenlanges Ringen mit Polizisten

Viele Augenzeugen, Videoaufnahmen und starke Gegenwehr: auch beim zweiten Prozesstag am Mannheimer Landgericht zum tödlichen Polizeieinsatz am Marktplatz ist das Interesse groß

Von 
Lisa Uhlmann
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Blumen und Kerzen wurden nach dem Vorfall am Marktplatz abgelegt. © Wazulin

Mannheim. Etwas unscharf sind die Szenen, die sich auf der großen Leinwand im Gerichtssaal abspielen. Trotzdem sollen diese Aufnahmen beweisen: der nach diesem Polizeieinsatz verstorbene Ante P. hat sich gegen die beiden Polizisten gewehrt – und selbst zwei Schläge gegen den einen ausgeteilt, bevor er von den Beamten zu Boden gebracht worden ist. Dabei sind die Aufnahmen, die von einer Überwachungskamera der Polizei am Marktplatz stammen, nicht die einzigen, die an diesem Tag öffentlich gezeigt werden.

Auch ein Video ist zu sehen, das damals zigfach in den sozialen Medien geteilt worden ist – und die Faustschläge des Hauptangeklagten Polizeioberkommissars in das Gesicht des 47-Jährigen dokumentiert haben soll, der bereits am Boden liegt. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft schwere Körperverletzung im Amt mit Todesfolge vor. Seinem Kollegen fahrlässige Tötung durch Unterlassen. Auf dem Video, aufgenommen von einem 39-jährigen Bäcker aus der angrenzenden Bäckerei Pasam, sind auch die letzten Worte des psychisch erkrankten Mannes zu hören: Bis zuletzt ruft er immer wieder nach einem Richter, windet sich unter dem auf ihm knienden Beamten.

Während die Mutter des Verstorbenen mit vorgehaltenen Händen die Videoszenen starr erträgt, verlässt dessen Schwester kurz zuvor den Saal. Zu schmerzhaft seien diese Aufnahmen, wie ihr Anwalt bereits vor dem Prozess erklärt hatte.

Das sagen die Zeugen zum Polizeieinsatz am Marktplatz

Auch am zweiten Prozesstag zum tödlichen Polizeieinsatz am Mannheimer Marktplatz am 2. Mai 2022, bei der der 47-jährige Ante P., der an einer paranoide Schizophrenie litt, ums Leben gekommen ist, ist das Interesse an der Aufarbeitung weiterhin ungebrochen. Trotz Schneesturm und Glatteis sind fast alle Plätze im Saal belegt, gibt es eine vor dem Gerichtsgebäude erneut eine Mahnwacher der Initiative 2. Mai. Das Publikum, in dem wohl auch der Staatsschutz sitzt, lauscht an diesem Tag den oft lückenhaften Eindrücken von mehreren Augenzeugen.

Immer wieder muss der vorsitzende Richter deshalb die Erinnerungslücken der Zeugen, die diese auch offen benennen, mit den damaligen Protokollen aus der Vernehmung auffrischen. Unter den Zeugen sind neben zwei Bäckern aus dem besagten Restaurant und einem Schlosser, der mit seinem Transporter das Geschehen von der Straße aus verfolgt haben will, auch zwei Brüder, die an diesem Tag zum Mittagessen im Restaurant Pasam sind – und den Vorfall aus nächster Nähe miterleben.

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Ein der beiden hatte als Ersthelfer bei den Wiederbelebungsmaßnahmen geholfen. Sein Eindruck über den 137 Kilo schweren Ante P.:  „Er hat sich mit Händen und Füße gegen die Festnahme gewehrt, die Beamten haben regelrecht gekämpft. Er war einfach zu stark“. Allerdings sei es ihnen kaum gelungen, den sich immer wieder aufbäumenden Mann zu fixieren. Er will beobachtet haben, wie sich die Hautfarbe von dem 47-Jährigen am Boden verändert habe, die Atmung ausgesetzt hätte.

Der Restaurantgast will auch gehört haben, wie einer der Beamten kurz vorher Ante P. gedroht haben soll mit den Worten „wenn du nicht aufhörst, gibt’s noch mehr“. Gleichzeitig betont der Ersthelfer aber auch: Besonders die Stimmung in der Menge habe ihn selbst schockiert, viele hätten die Polizisten beleidigt, statt dem am Boden liegenden Mann zu helfen.

Herzdruckmassage durch Polizisten und Restaurantgast

Gemeinsam mit dazu geeilten weiteren Beamten hätte er als Ersthelfer die Herzdruckmassage übernommen, bis der Krankenwagen eintritt. Auf die Frage der Staatsanwaltschaft, welchen Eindruck der Mann auf ihn gemacht habe, bestätigt der Zeuge seine Aussage kurz nach dem Ereignis. Damals hatte er erklärt: Niemand habe sich getraut, dazwischen zu gehen, da die Gefahr, durch den Mann verletzt zu werden, zu groß gewesen sei. „Ich habe mich da auch gefragt, was gewesen wäre, wenn die Polizisten den Mann nicht gestoppt hätten“, sagt der 52-Jährige. Und immer wieder glaubwürdig darauf hinweist, dass er auch besagtes Video gesehen habe.

Auch sein Bruder, der ihm an diesem Tag am Mittagstisch gegenübersitzt und freie Sicht auf das Geschehen hat, bestätigt den  Eindruck, „dass der Mann nicht ganz bei sich war“. Auf ihn habe der von Polizisten verfolgte Ante P. zuerst wie betrunken oder unter Drogen gewirkt. Der Mann habe wild mit den Armen gefuchtelt, seine Hose sowie Hemd seien heruntergerutscht. Allerdings machen sich die Gedächtnislücken auch hier bemerkbar. Denn der Zeuge ist überzeugt: Die Polizisten hätten den Mann bereits im Stehen geschlagen. Dem widerspricht  der vorsitzende Richter und verweist auf eindeutige Videoaufnahmen, die das Gegenteil zeigen sollen.

Später berichtet auch ein weiterer Bäcker, ein 30-jähriger Afghane, er habe beobachtet, wie die Beamten nach dem Umdrehen keinen Puls mehr bei Ante P. feststellen. Sie sollen daraufhin in Panik geraten sein, schon vorher per Funk Verstärkung angefordert haben. Auch ein weitere Polizist in Zivil sei zu Hilfe geeilt und habe mit einer Reanimation begonnen.

Redaktion Seit 2018 als Polizeireporterin für Mannheim in der Lokalredaktion.

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