Mannheim. Wer zurzeit im Käfertaler Wald spazieren geht, erlebt ihn so grün wie lange nicht mehr: Der viele Regen der vergangenen Wochen und Monate lässt Bäume, Gräser und Sträucher kräftig sprießen. „Dieses Jahr geht’s dem Wald richtig gut“, sagt Dina Scheffer. Sie muss es wissen, schließlich ist sie nicht nur Forstwissenschaftlerin, sondern zugleich Leiterin der Unteren Forst- und Naturschutzbehörde – und damit auch für den Käfertaler Wald zuständig. Darum sind sie und ihre Kollegin Luisa Narjes die besten Ansprechpartnerinnen, um zu erfahren, welche Auswirkungen der Klimawandel auf den Wald in Mannheim schon hat und noch haben wird.
Klimawandel schadet dem Wald
Erster Befund: „Der Klimawandel ist schlimm für den Wald“, sagt Scheffer. Denn das viele Grün dieser Tage ist nur eine Momentaufnahme: Voll sind die Bodenwasserspeicher noch lange nicht, so Scheffer. Das zeigt, wie viel Wasser den Bäumen aufgrund der vergangenen trockenen Jahre gefehlt hat. Der Wasserspiegel war teilweise so niedrig, dass die Wurzeln vieler Bäume nicht mehr an ihn heranreichten.
Das schwächt sie und macht sie anfälliger, beispielsweise für Pilze. Die Försterin zeigt auf eine Kiefer, in deren Krone nur noch die Misteln grün sind: „Wenn ein Großteil der Nadeln abgefallen ist, kann der Baum keine Photosynthese mehr betreiben und nicht mehr an Nährstoffe gelangen“, erklärt Scheffer. „Dann stirbt er ab. Das ist so, wie wenn wir Menschen keine Nahrung mehr aufnehmen können.“
Schwere Voraussetzungen in Mannheim
Und in Mannheim, das ist der zweite Befund, sind die Voraussetzungen besonders schwierig: weil die Stadt zu den wärmsten in Deutschland gehört. Und weil der Boden in der Rheinebene sehr sandig ist, weshalb er relativ schlecht Wasser speichern kann. „Viele Baumarten, die für uns im Waldbild heute normal sind – die großen, langen Kiefern, die riesigen, dicken Buchen – werden voraussichtlich alle ihre Schwierigkeiten mit dem Klimawandel bekommen“, sagt Narjes. „Sehr wahrscheinlich werden viele von diesen alten Bäumen, die wir jetzt noch bewundern, den Klimawandel nicht schaffen.“
Klimawandel inzwischen alleiniger Grund für Fällungen
Hinzu kommt, dass steigende Temperaturen auch bessere Bedingungen für Schädlinge schaffen oder zur Einwanderung neuer Arten führen, mit denen die Bäume bislang noch nicht konfrontiert waren.
Und all das beschäftigt auch die Försterinnen und Förster, erzählt Scheffer: „Für viele ältere Kollegen ist es auch psychisch schwierig, wenn sie sehen, wie die Arbeit ihres ganzen Lebens plötzlich kaputt geht.“ Denn während früher auch gesunde Bäume gefällt wurden, weil man das Holz benötigte, gibt es inzwischen nur noch einen Grund für die gestiegene Zahl der Fällungen kranker – und damit für Menschen potenziell gefährlicher – Bäume, sagt Scheffer: den Klimawandel. Immerhin sei es in der Rhein-Neckar-Region nicht so schlimm wie dort, wo der massive Borkenkäferbefall den Fichten zu schaffen mache – und bis zu fünfmal mehr Bäume gefällt werden müssten.
"Wald wird mit dem Klimawandel klarkommen"
Dennoch sind, dritter und vielleicht wichtigster Befund, Scheffer und Narjes fest davon überzeugt: „Der Wald wird mit dem Klimawandel klarkommen.“ Es gebe so viele evolutionäre Anpassungsmechanismen: „Da wird sich irgendwann alles einpendeln.“ Die Frage sei nur, wie lange es dauert. „Und wie die Übergangszeit für die anderen Bewohner des Ökosystems und für uns Menschen ist.“
Der Käfertaler Wald, in dem die Kiefer bisher immer die Haupt-baumart war, deren mundartliche Bezeichnung ihm auch seinen Namen verliehen hat, werde sich in den kommenden Jahrzehnten wandeln, prognostizieren die Expertinnen: Anstatt der vielen hohen alten Bäume werde es mehr junge geben, die nicht mehr so groß werden. „Um das Wasser nicht mehr so hoch transportieren zu müssen“, erklärt Narjes. Dadurch erscheine der Wald künftig auch dichter.
Diesen Umbruch versuchen die Försterinnen und Förster zu begleiten. „Hier in Mannheim setzen wir aufgrund der Böden und der geringen Wasserspeicherkapazität gerade viel auf Eiche, weil die sehr tief wurzelt“, erklärt Narjes. Aber auch mit anderen Arten wie Linde, Elsbeere, Speierling, Berg- und Spitzahorn werde experimentiert. „Den Superbaum haben wir aber noch nicht gefunden“, sagt Narjes.
„Der Wald ist auch unser Retter im Klimawandel“
Diversifizierung ist also auch im Wald angesagt: der vierte Befund. „Das kann man vom Wald der Zukunft auf jeden Fall sagen“, so Narjes: „Er wird nicht mehr so langweilig sein.“ Und das helfe auch gegen die anderen Auswirkungen des Klimawandels wie vermehrte Stürme und höheren Schädlingsbefall.
Aber wer über den Wald und den Klimawandel spricht, betonen die beiden Försterinnen, dürfe ihn nicht nur als Opfer sehen. „Er ist auch unser Retter im Klimawandel“, sagt Narjes, „weil er eben CO2 aufnimmt und langfristig bindet.“ Bisher sind in Mannheim zwölf Prozent der Stadtfläche mit Wald bedeckt: Angesichts des Bundesdurchschnitts von rund 33 Prozent vergleichsweise wenig. Doch je mehr Wald es gebe, umso mehr Treibhausgas könne gebunden werden, sagt Narjes. „Und so kann der Klimawandel abgepuffert werden.“
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